Dessau: „Cavalleria Rusticana“ / „A Santa Lucia“

Zum Zweiten

Besuchte Aufführung am 09.04.17

(Premiere am 01.04.17)

Interessante Ausgrabung

Intendant Johannes Weigand hatte schon in Wuppertal ein Händchen für die unausgetretenen Pfade des Musiktheaterrepertoires, eine Devise , der er auch als Intendant des Anhaltischen theaters in Dessau treu bleibt. So gab es neben dem bekannten Publikumsrenner "Cavalleria rusticana" von Pietro Mascagni, nicht den ewigen "Zwilling" "Pagliacci" zu sehen , sondern den vergessenen Einakter "A Santa Lucia" von Pierantonio Tasca, der sich nur in sehr ausgiebigen Opernführern findet. Das Werk gehört ebenso zum Umfeld des Verismo, spielt in Neapel an dem Strand "Santa Lucia" und handelt um eine alleinerziehende Frau (in dieser Zeit!) , die in den Konflikt zwischen eine eifersüchtige Nebenbuhlerin und ihren Geliebten gerät, durch Verleumdung sieht er in seinem eigenen Vater den Rivalen, das Ganze endet natürlich letal. Tascas Musik klingt sehr gefällig mit kurzen Melodiebögen und viel "couleur locale" durch Mandolinenklänge, Volksgetümmel und napolitanischen Volksmusikklang, eine sehr geschickt gemachte Oper, die allerdings nicht ganz die Originalität des Mascagni- Werkes erreicht. Uraufgeführt wurde das Stück 1892 im Kroll-Theater in Berlin. Das Berliner Publikum war durch die Mascagni-Oper im Verismo-Rausch, zumal die große Diva dieser Zeit, Gemma Bellinconi, mit einer Uraufführung ihr großes Gastspiel würzte. Damals ein sehr großer Erfolg mit über einhundert Wiederholungen, heute eben vergessen.

Holger Potocki versucht in der Dessauer Inszenierung ein Klammer für beide Werke zu finden: in der Cavalleria baut ihm Lena Brexendorff ein ansprechend tristes Hafenbild, während Katja Schröpfers dunkle Kostüme ganz zu Inszenierung im Stil der italienischen Neorealismus passen, das funktioniert ganz prima, so entsteht eine werkdienliche Inszenierung, beim zweiten Stück merkt man dann die "Klammer", denn beide Handlungen finden im Kopf der neurotischen Hauptfigur Santuzza/ Rosella statt. Doch kein "Neorealismo" sondern eine bonbonfarbene Idylle mit Gartenzaun und -Luftballons grundieren das eigentliche "Fischerstück", kein Hafen oder pseudoitalienische Folklore bilden die Folie für die Tasca-.Oper. Lediglich die Figuren finden mit teilweise getauschten Frisuren und Haarfarben zu einem neuen Spiel in Kopf der Protagonistin zusammen, was durch eine Videosequenz unterstrichen wird. Doch so ganz überzeugt das Konzept nicht, das Schliessen des visuellen Bogens wirkt bemüht.

Um so mehr bleibt die musikalische Aufführung haften, vielleicht nicht ganz das eher zweckdienliche Dirigat von Markus L, Frank, der die Anhaltische Philharmonie zu einem Soundtrack anheizt, da wünscht man sich manches Detail weniger grob, sondern mit feinerem "Pinsel" koloriert, sondern vor allem das Sängerensemble mit lauter Stimmen , die in Saft und Kraft stehen, manch` ein größeres Haus könnte da neidisch werden. Iordanka Derilova ist da an erster Stelle zu nennen, ein Sopran erster Güte mit schönem Eigentimbre und einer schier unendlichen Farbpalette an Gestaltung, ihre Santuzza/ Rosella allein lohnt schon die Anfahrt, einfach klasse! An ihrer Seite mit voluminösem Tenor voller Gefühl und dem nötigen Schmelz ohne Schmalz Ray M. Wade jr., ein rechter italienischer Spinto-Tenor mit angenehmer dramatischer Attacke und der nötigen gefühlvollen Rücknahme. Ulf Paulsens Alfio/ Totonno ist zwar mit prachtvollem Bariton gesegnet, doch von deutlich monochromerer Farbgebung, den "Vater" Totonno nimmt man ihm in dieser Inszenierung nicht ab, eher den Nebenbuhler. Cornelia Marschall gefällt mit angenehmem Mezzo als Lola, wie als treuherzige Concettina. Sehr ansprechend die charaktervolle Rita Kapfhammer in der Cavalleria als Mama Lucia, bei Tasca dann als boshafte Gegenspielerin Maria mit herrlich zynischen Tönen. Die Nebenpartien sehr adäquat besetzt, besetzt, besonders Leni Cosima Berg als uneheliches Kind Rosellas hinterläßt einen positiven Eindruck. Chor , Extrachor und Kinderchor tragen ebenfalls zum guten Gelingen der Vorstellung bei

Insgesamt ein bischen Licht und Schatten, wobei das vokale Licht den Abend überstrahlt, für neugierige Opernfreunde allemal ein lohnende Fahrt ins Unbekannte, die man mit einer Besichtigung von Dessaus Bauhaus oder der Wörlitzer Gärten noch zusätzlich steigern kann.

Martin Freitag 10.5.2017

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