Auditorium Adán Martín Premiere am 12.3.2016
Vor genau 50 Jahren hat der große Alfredo Kraus, der ja von den kanarischen Inseln stammt, mit dem „Werther“ von Jules Massenet debütiert. In Erinnerung an dieses große Rollendebut setzte die „Oper von Teneriffa“, organisiert vom Cabildo de Tenerife und der Regierung der Kanarischen Inseln, den Werther auf ihr Programm. Dieses umfasst im stagione Betrieb noch weitere vier Opern in dieser Saison, „Figaros Hochzeit“, „Der Troubadour“, „Maria Stuart“ und „Rinaldo“. Wenn man sich das Auditorium Adán Martín von außen, aber erst recht von innen ansieht, und der Namen Auditorium legt es ja im Prinzip auch schon nahe, so könnte man meinen, dass das spektakuläre Bauwerk des katalanischen Architekten Calatrava ausschließlich für Konzerte und Oratorien geeignet sein würde. Die dem Inselvulkan Teide nachempfundene Sala Sínfonica imponiert auch mit einer riesigen Orgel über dem Podium. Umso überraschender war es für den Rezensenten, der hier bereits zwei Orchesterkonzerte miterleben konnte, dass sich das Auditorium auch gut für die Oper eignet.
Unter der Regie von Giorgia Guerra baute Monica Bernardi ein äußerst ansprechendes, klassisch konventionelles Bühnenbild in den Raum des Podiums hinein und deckte ihn seitlich mit schwarzen Flächen ab. Auch an Tiefe fehlte es diesem Bühnenbild nicht. Der gesamte „Werther“ sollte aus einer filmischen Retrospektive heraus erlebt werden. So sieht man zum kurzen Vorspiel in einem kleinen Bühnenbildausschnitt – es wird immer wieder mit der Variation der Sichtflächen des Bühnenbildes gearbeitet – einen Kameramann mit einer alten Kinokamera sitzen und die Filmrolle „Werther“ einlegen. Am Ende läuft dann dieser Film aus. Das Ganze bringt nicht wirklich etwas für das Erlebnis dieser Produktion. Das Bühnenbild hingegen ist fantasievoll gestaltet. Im 1. Akt sieht man in den Garten des Hauses des Amtmanns, dahinter öffnet sich der Blick in eine Sommerlandschaft, die dem Allgäu ähnelt. Im 2. Akt sehen wir eine kleine Kirche, vor deren Portal sich die Handlung abspielt, wieder die Sommerlandschaft im Hintergrund. Hier gelingt es der Regisseurin bereits, einige Spannung zwischen Albert und Werther aufzubauen. In einem herrschaftlichen Wohnsalon strebt das Drama dann seinem Höhepunkt entgegen, und man sieht im 4. Akt schließlich Werther mit der Pistole in seiner kleinen Schreibstube – man erlebt den selbstmörderischen Schuss. Es ist ein ganz großes Verdienst des Auditoriums Adán Martín, diesen „Werther“ mit so viel verschiedenen Facetten im Bühnenbild ausgestattet und dieses auch noch komplett in den eigenen Werkstätten erstellt zu haben. Darauf konnte man stolz sein, und das war dem fast ausschließlich aus Damen bestehenden Regietem auch anzumerken. Lorena Marin war für die gut zu den Bildern passenden Kostüme verantwortlich und Elena Marcelli assistierte der Regisseurin. Miguel Ponce war für das gute und stets Stimmungen verstärkende Lichtdesign zuständig.
Mit großer Spannung, und eben in Erinnerung an das Rollendebüt von Alfredo Kraus vor 50 Jahren, sollte an diesem Abend in der Premiere der Tenor Celso Albelo aus Santa Cruz de Tenerife mit dem Werther debütieren. Es war eine ganze Menge Lokalpatriotismus bei dieser Premiere im Spiel. Allein, Albelo musste wegen Indisposition absagen, und so buchte ein gehöriger Abteil des Publikums auf eine der beiden Folgevorstellungen am 16. und 19. März um, in der Hoffnung, ihn dann noch hören zu können. Das Auditorium war also bei weitem nicht voll besetzt. José Bros, ein weithin bekannter Tenor aus Barcelona, sprang für Albelo ein und machte seine Sache mehr als gut. Er überzeugte mit einem durchschlagskräftigen Tenor, sehr gut in der Mittellage und bisweilen etwas eng im forte, glänzte er aber mit sehr guten Spitzentönen. Seine darstellerische Leistung war etwas begrenzt und bisweilen stereotyp, hier hätte mehr Akzentuierung und Engagement viel gebracht. Das alles und noch mehr hatte seine Partnerin Antoinette Dennefeld in der Rolle der Charlotte. Ihr Mezzo klingt etwas heller als von anderen Rollenvertreterinnen gewohnt, aber sie weiß ihn sehr nuanciert und mit großem Ausdruck einzusetzen. Das war eine fast perfekte Rollendarstellung der Charlotte, zumal Dennefeld auch eine gehörige Portion Empathie in ihre schauspielerische Leistung einbrachte. Sie könnte diese Rolle an jedem großen Haus singen. Der dritte Akt wurde so auch zum absoluten Höhepunkt des Abends für beide, Bros und Dennefeld. Nachdem sie ihn mit ihrer Arie „Werther, Werther…“ berührend begonnen hatte, wurde die Steigerung der emotionalen Annäherung beider zu einem bewegenden Erlebnis. Hier kam dann eben auch José Bros darstellerisch voll aus sich heraus und konnte begeistern. Den weiteren Höhepunkt bildete dann die Schlussszene mit sehr viel Emotion bei beiden.
Eine ganz ausgezeichnete Rolleninterpretation mit erstklassiger gesanglicher Leistung konnte Milica Ilic als Sophie bieten. Auch ihre Szenen mit Charlotte zeugten von einer allgemein guten Personenführung. Pablo Ruiz konnte zwar als Albert mit einem warm klingenden Bariton überzeugen, blieb in dieser undankbaren Rolle aber etwas blass. Besonders erwähnenswert ist noch die gute darstellerische und stimmliche Leistung von Riccardo Fassi, der dem Amtmann einen profunden und gut geführten Bass verlieh. Die übrigen Nebenrollen waren mit David Astorga (Schmidt), Lorenzo Malagola (Johann), Néstor Galván (Brühlmann) und Tairuma Méndez (Kätchen) ansprechend besetzt. Der gut intonierende Kinderchor der Oper von Teneriffa war von Carmen Cruz sehr gut vorbereitet und sorgte in der Szene auch für einige Bewegung.
Evelino Pidò am Pult des Symphonischen Orchesters von Teneriffa legte besonderen Wert auf die lyrischen Momente der Partitur und ließ diese dezidiert und bisweilen schwelgerisch ausmusizieren. Aber auch für die großen Steigerungen im 3. Akt fand Pidò zur erforderlichen Spannung und Intensität, immer in engem Kontakt mit den Sängern und dem Bühnengeschehen. Es war somit ein „Werther“ wie aus einem Gruß, zumal das Orchester, ja keine exklusives Opernorchester, seine große Musikalität und beachtliche Operneignung unter Beweis stellte. Langanhaltender Applaus und viele Bravi für die Protagonisten, auch schon während der Aufführung als Szenenapplaus.
Nur warten die Santa Cruzeños auf ihren Liebling Celso Albelo in einer oder beiden Folgeaufführungen am 16. und 19. März 2016.
Klaus Billand 10.3.16
Applausbilder vom Autor