Flensburg: „Gräfin Mariza“

Vorstellung am 22. März 2019

Operette, wie sie besser nicht sein könnte

Mut zum Klamauk bewies Regisseur und Operndirektor Markus Hertel an diesem Abend schon vor der Ouvertüre von Emmerich Kálmáns Meisterwerk: da die Interpretin der Fürstin Božena Cuddenstein zu Chlumetz kurzfristig erkrankt ist und keine Sängerin gefunden werden konnte, die rechtzeitig zur Vorstellung in Flensburg hätte sein können, entschied sich Hertel, die Rolle heute selbst zu übernehmen. Als Fürst Boris machte er schließlich im Stück auch auf der Bühne eine blendende Figur. Als Regisseur hatte er den Mut, das Stück ernst zu nehmen und auch so manche Plattitüde in den Dialogen mit Respekt aufführen zu lassen, so dass der Abend äußerst lustig, aber nie peinlich wurde. Insbesondere muss man dem Regisseur hoch anrechnen, dass er mit viel Liebe zum Detail die originale Geschichte erzählt und keine gewaltsamen interpretatorischen Neudeutungen aus dem Ärmel zauberte. Die Ausstattung von Sibylle Meyer war optisch schön anzusehen und vermochte es, die jeweiligen Sujets optisch vorzüglich auf die Bühne zu bringen. Unter der musikalischen Leitung von Peter Geilich vergingen die drei Stunden Spieldauer wie im Flug. In dem kleinen Flensburger Theater wirkte das Orchester teilweise knallig, aber Sänger, Chor und Orchester waren weitestgehend gut ausbalanciert.

Dreh- und Angelpunkt war Amelie Müller als Gräfin Mariza. Bei großer schauspielerischer Begabung ließ sie auch stimmlich keine Wünsche offen. Ihre Stimme verzaubert vom sinnlich-schwälgerischen, fast schon rauchigen Unterton in manch melancholischer Passage bis hin zu strahlenden Höhen, die stets ohne Schärfe gelingen. Christopher Hutchinson als Graf Tassilo Endrödy-Wittemburg blieb – nicht zuletzt wohl auch der Rolle entsprechend – etwas blasser, vermochte aber ebenfalls mit seiner Stimme für sich einzunehmen. Gemeinsam kann man die beiden Protagonisten als Traumpaar der Operette bezeichnen.

Fabian Christen lieferte als Baron Kolomán Zsupán eine gute Figur ab. Stets bereit, eine Dame mit einer Minisalami, die er stets in seiner Sakkotasche dabei hat, zu becircen. Lisa wurde charmant von Christina Maria Fercher dargestellt. Alma Samimi hatte die perfekte Erscheinung für die Darstellung der Zigeunerin Manja. Fast aristokratische Ausstrahlung verlieh Schauspieler Jürgen Böhm dem Kammerdiener Penižek, der stets ein zur Lage passendes Shakespeare-Zitat auf den Lippen hatte und die Rolle deutlich aufwertete. Neben Markus Wessiack als Fürst Moritz Dragomir Populescu seien noch die in wechselnder Besetzung auftretenden Bühnenmusiker erwähnt, die nicht nur für musikalische Stimmung, sondern für eine ordentliche Portion ungarische Atmosphäre in der deutsch-dänischen Grenzstadt sorgten.

Mein subjektiver Eindruck: ungarische Operette kann man hier am Schleswig-Holsteinischen Landestheater authentischer erleben als im Budapester Operettenhaus.

Marc Rohde, 28. März 2019

Mit besonderem Dank an unsere Freunde vom MERKER-online (Wien)

Foto © Theater Flensburg