Berlin: In memoriam Hans Werner Henze

Zu einer Gedenkfeier für Hans Werner Henze hatten sich am Vormittag des 6.1. Mitglieder der Berliner Philharmoniker, des DSO, der Staatsoper und der Deutschen Oper im Haus an der Bismarckstraße gemeinsam mit Geschwistern des vor einem knappen Vierteljahr Verstorbenen eingefunden. Zahlreich waren das Publikum und sehr unterschiedlich die musikalischen und Textbeiträge zu wechselnden Großfotos des Komponisten auf der Rückwand der Bühne, beginnend mit der Ouvertüre zu Mozarts „Zauberflöte“, die das Orchester der Deutschen Oper unter Chefdirigent Donald Runnicles mit frischem, energischem Klang wie gerade neu einstudiert zu Gehör brachte. Sie waren es auch, die die letzte Komposition Henzes, die er zur Hundertjahrfeier der DOB geschrieben hatte, noch einmal spielten; auf dem Weg zu ihr hatte er im Oktober erkrankt in Dresden Station machen müssen und war kurz danach dort gestorben. Als weiteres Stück Henzes spielte das aus Philharmonikern bestehende Scharoun Ensemble „Quattro Fantasie“. Detlev Glanert, Schüler Henzes in Köln und Montepulciano, erinnerte an das Jahr 2005, als sein Lehrer schon einmal von den Ärzten aufgegeben mit dem Tod rang und er für ihn sein Streichquartett „Pas de Quatre“ komponierte, das nun vom „Adamello“-Quartett, aus Musikern des DSO bestehend, aufgeführt wurde und wie ein Gruß aus dem Jenseits verklang.

André Schmitz, Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten, hatte die Anwesenden begrüßt und erinnerte an die harmonische Zusammenarbeit mit dem Künstler, zu dessen letzten Äußerungen „Berlin ruft mich“ gehörte. Weniger harmonisch ging es in der Zeit des Kalten Kriegs zu, wie Volker Schlöndorff zu berichten wußte, als der Chor in Hamburg sich weigerte, in „Wir erreichen den Fluß“ mit einer roten Fahne auf der Bühne zu singen, und in Berlin im selben Werk zur Überraschung des Komponisten die Bösen des Stücks statt in den vorgesehenen amerikanischen in sowjetischen Uniformen erschienen. Auch von Steinewürfen auf das Springer-Haus wußte der Regisseur zu berichten, vom Entstehen der Filmmusik für den „Jungen Törless“, für „Katharina Blum“, für „Eine Liebe von Swan“. Das Verlangen nach Liebe war der Antrieb für Henzes unermüdliches Schaffen, meint Schlöndorff erkannt zu haben. Seine sehr persönlichen, sehr bewegten Worte waren das schönste Denkmal, das dem Toten an diesem Vormittag gesetzt wurde. Der Beitrag der Staatsoper bestand in der Lesung aus dem Briefwechsel mit Ingeborg Bachmann, den Intendant Jürgen Flimm gemeinsam mit Martina Gedeck in Auszügen zu Gehör brachte und in dem sich Henze als einen Menschen bezeichnet, „der niemandem Glück bringt“. Wenn die Lesung mit einer verzweifelten Bitte Bachmanns um ein Treffen endete, die zumindest hier ohne Antwort blieb, dann sollte dem wohl nicht widersprochen werden.

Ingrid Wanja