Bregenz: „Die Zauberflöte“

Premiere am 17.07.13

Drei Monschterle im See

Jedes Jahr, wenn die Festspiele in Bregenz eine neue Seeproduktion herausbringen, kann man gespannt sein, was einen für Aufbauten erwarten. Dieses Jahr hatte man sich für Mozarts "Die Zauberflöte" entschieden, was dazu führte, daß schon vor der Premiere sämtliche Aufführungen ausverkauft waren. Intendant Pountney wird seiner Nachfolgerin also ein finanziell sehr solides Fundament hinterlassen.

Ja, was sticht nun ins Auge des Betrachters? Das sind zunächst einmal drei riesige, bunte Skulpturen mit gewaltigen Fletschzähnen, die mich zunächst an die Kinderbuch-Monster aus "Wo die wilden Kerle wohnen" erinnern, in ihrer bunten Farbigkeit vielleicht noch an die großen Nana-Figuren von Nicki de Saint-Phalle, alle drei verbunden durch zwei Hängebrücken. Steht man dann vor der Bühne sieht man auf eine grüne Insel in Schildkrötenform mit riesigen Grashalmen, die durch ein Gebläse bis auf sechs Meter Höhe gepustet werden und so den Wald für Papageno darstellen können. Johan Engels Bühne kann dieses Jahr (zum ersten Mal) auch gedreht werden und ermöglicht so die schnellen Szenenwechsel in die goldene Tempelwelt Sarastros oder auf das blaue Auge des Mondes, aus welchem die Königin der Nacht in den Himmel steigt. Schon zur Ouverture schwimmt eine Barke mit dem Leichnam von Paminas Vater in den Vordergrund, nachdem Sarastro den Sonnenkreis und Pamina geraubt hat, kommt es gleich zu einem aktionslastigem Handgemenge der Parteien, der jedem Fantasy-Film zur Ehre gereichen würde, samt Pyro-Effekten, was jedoch aufgrund Geschrei auch zu Lasten der Musik geht. Spektakulär auch die jagende Schlange, wie die riesigen Puppen der drei Damen auf ihren leicht urtümlichen Reittieren, die von jeweils drei Spielern bedient werden und wie Marionetten die Münder zum Gesang öffnen. Marie-Jeanne Lecca versetzt den Zuschauer mit ihrer Phantasie bei den Puppen und den Kostümen ins Staunen der Kindheit. Die drei Knaben auf der seetauglichen, kleinen Schildkröte, wie die Geharnischten sind ebenfalls Figuren und werden gesanglich aus dem Festspielhaus dazugesteuert. Besonders gut gefallen mir die Kostüme von Papageno aus Putzutensilien und leeren, farbigen Plastikflaschen, wie Papagena als alte Kantinenkraft. Zum Schluss gibt es noch einmal eine finale Schlacht, die lediglich das hohe und das niedere Paar überleben, das alte System hat sich verabschiedet. Ansonsten wird mit Effekten nicht gespart, atemberaubende Action-Stunts, Feuerwerke, und, und, und…..da geraten die zweieinviertel Stunden Spieldauer recht kurzweilig. Ja, wahrscheinlich eine der kürzesten Zauberflöten! Dafür hat man nicht nur die Dialoge verknappt, sondern auch gehörig an der Musik geschnippelt: Dritte Papagenostrophen, die zweite "Heilge-Hallen"-Strophe, große Teile des ersten Finales, das "Weibertücken"-Duett (nicht so schade), das Terzett "Soll ich dich Teurer nicht mehr seh`n" (musikalisch sehr schade). Ist es nötig dem Publikum so sehr entgegenzukommen? Wo sind die Zeiten mit dreieinhalb Stunden "Porgy uns Bess"? Das Hinterherlaufen hinter dem Zuschauer senkt, meines Erachtens, das Niveau und die Aufnahmefähigkeit nur noch weiter. Letztendlich bleibt auch die Frage im Raum stehen, was sollen die drei Höllen-Drachenhunde (laut Programmheft) wirklich darstellen? Ist das nur eine nette Deko oder steht da noch etwas dahinter ? Übrigens nicht nur eine Frage, die sich der "Zauberföten"-erfahrene Kritiker stellt, sondern auch der einfache Nicht-Opern-Gänger, wie ich das vernehmen musste. Vielleicht ist diese "Zauberflöte" doch zu sehr auf Show gebürstet, etwas was die anderen Seeproduktionen nie so auffällig aufwiesen.

Patrick Summers unterstützt mit den Wiener Symphonikern in leicht historisch gefärbtem Spiel mit gesanglichen Kadenzverzierungen den Soundtrack zur Show. Daniel Schmutzhard ist als menschlich sympathischer Papageno, natürlich mit Dènise Becks süßer Papagena an der Seite, der Empathieträger des Abends, sein Bariton klingt maskulin, wie geschmeidig. Leider gefällt mir gerade das hohe Paar nicht so recht: Norman Reinhardt springt für den erkrankten Rainer Trost als Tamino ein und singt die Partie mit unsicheren Übergängen. Gisela Stilles Pamina läßt das lyrische Leuchten vermissen, stimmlich ist sie mit den leicht geschärften Höhen schon mehr ihm jugendlich-dramatischen Fach angesiedelt. Für mich ist Ana Durlovski, die ich nur aus anderen Kritiken kannte, eine echte Entdeckung, denn ihre Königin der Nacht wartet nicht nur mit blitzend sauberen Koloraturen (Triolen!) auf , sondern gibt durch ihr dunkel getöntes Stimmfundament der oft sehr eintönig gesungenen Partie eine dramatische Vielfarbigkeit, eine der interessantesten Stimmen, die ich in letzter Zeit gehört habe. Bei Alfred Reiters sattem Basso cantante fehlt die zweite Hallen-Strophe um so schmerzlicher. Martin Koch ist ein recht unbuffonesker, ernstzunehmender Monostatos. Magdalena Anna Hofmann, Verena Gunz und Katrin Wundsam als die drei Damen, wie Laila Salome Fischer, Eva Dworschak und Dymfna Meijts als drei Knaben singen ohne Fehl und Tadel aus dem Festspielhaus. Eike Wilm Schultes Bassbariton als erster Sprecher läßt eine der Partie angemessene Reife anklingen. Der Prager Philharmonische Chor unter Lukas Vasilek ist, wie immer, eine sichere Nummer. Gesanglich also ein sehr gediegenes Niveau.

Als Abschluss, nachdem passend zur Wasserprobe ein leichter Sommerregen einsetzte, großer Premierenjubel. Was mir allerdings auffiel: immer wenn die Aufführung sich auf die Musik verließ, wurde das Publikum ruhiger, je mehr "Action" auf der Bühne war , um so mehr wurde geschwätzt, leider auch fotographiert, machte sich eine Unruhe bemerkbar. Vielleicht sollte man doch mehr auf die positiven Aspekte einer Verlangsamung der Zeit, eines größerem Vertrauens in die Musik, einer geringeren Überreizung unser Sinneswahrnehmungen setzen?

Martin Freitag, 07.08.13