CD: „Maria Dueñas“, Beethoven and beyond

Die Deutsche Grammophon präsentiert dieser Tage ihre neue Exklusivkünstlerin, die junge Geigerin María Dueñas, mit einer neuen Einspielung von Ludwig van Beethovens Violinkonzert. Am Pult der Wiener Symphoniker steht Manfred Honeck. Honeck ist einer der wichtigen Mentoren von Dueñas. Die Aufnahmen entstanden in Live-Aufführungen im Wiener Musikverein. Darüber hinaus bietet die Doppel-CD rare Glanzstücke für Violine und Orchester von Kreisler, Saint-Saëns, Spohr, Wieniawski und Ysaÿe. Von diesen Komponisten gibt es sodann Kadenzen zu Beethovens Violinkonzert, die von diesen Musikern stammen.

María Dueñas, studiert seit einiger Zeit in Wien bei Professor Boris Kuschnir. Im September 2021 gewann sie den ersten Preis beim Internationalen Viktor-Tretjakow-Violinwettbewerb. Die Jury war hingerissen von der Interpretation von Beethovens Violinkonzert. Dieses Werk spielt im Leben der Geigerin eine zentrale Rolle. Für sie ist es kein Konzert, um sich als Virtuosin zu kennzeichnen, sondern vielmehr die eigene Persönlichkeit zum Klingen zu bringen. Mit diesem Ansatz entwickelt sie ihre besondere Klangvorstellung. María Dueñas spielt auf kostbaren Leihgaben, zum einen auf einer Nicolò-Gagliano-Violine, einer Leihgabe der Deutschen Stiftung Musikleben, und der Stradivarius »Camposelice« aus dem Jahr 1710, einer Leihgabe der Nippon Music Foundation.

Im Jahr 1806 wurde Beethovens Violinkonzert der staunenden Öffentlichkeit präsentiert. Alles an diesem Konzert ist anders. Allein der erste Satz währt knapp eine halbe Stunde, so lang wie manches komplette Violinkonzert. María Dueñas spürt in ihrem Vortrag den vielfältigen Farben nach und pointiert rhythmisch klar. Mit schöner Kantabilität kostet sie die Melodiebögen aus, um diese dann in der eigenen Kadenz zu reflektieren. Purer Lyrismus dann im sehr zurückgenommenen zweiten Satz, auf welchen ein übermütiges, virtuoses Rondo Finale folgt. Vor allem der mittlere Satz beeindruckt durch eine gestalterische Tiefe, die anrührt, insbesondere wenn zu bedenken ist, dass hier eine Künstlerin noch im Beginn ihrer Karriere zu erleben ist. Staunenswert ist ihre hohe Virtuosität dann in dem jagenden Schluss-Rondo, die alle technischen Herausforderungen mit Leichtigkeit bewältigt. Die schier endlosen Doppelgriffe und Triller werden von ihr mit präziser Klarheit vorgetragen.

Die Kadenzen habe es María Dueñas angetan. Mit Können und stilistischer Einfühlung gibt sie ihren eigenen Kadenzen eine klare Handschrift. Spannend sind die Unterschiede der anderen Versionen zu erleben. So sind Assoziationen an Mozart naheliegend in der Version von Spohr. Erwartungsgemäß steht bei Kreisler die Virtuosität im Zentrum. Auch Wieniawski und Ysaÿe folgen diesem Ansatz. Einzig Camille Saint-Saëns verfolgt seinen ganz anderen, eigenen Weg und betont einen eher farborientierten Kompositionspfad.

Lohnend ist die Begegnung mit den übrigen Raritäten. So dürfte das eingehende Adagio aus Spohrs „Symphonie concertante Nr. 1“ ebenso gut wie unbekannt sein, wie die Berceuse des Belgiers Eugène Ysaÿe. Bekannter und auch populärer erscheinen da die übrigen Werke: Kreislers „Liebesleid“, Saint-Saëns’ „Havanaise“ und Wieniawskis „Légende“. In all diesen Beiträgen zeigt sich das herausragende Talent von María Dueñas als gestaltungsintensive Erzählerin an ihrem Instrument.

Größtes Lob muss auch den hingebungsvollen und zugleich stilistisch wandlungsfähigen Wiener Symphonikern gezollt werden. Mit warmem Orchesterton tragen sie ihre Solistin auf Händen. Hoch individuell, unverwechselbar und immer für eine musikalische Überraschung gut ist der fabelhafte Dirigent Manfred Honeck. Routine ist ihm verpönt. Sein Interpretationsansatz, die Musik hinter den Noten stehend, zu gestalten, garantiert auch in diesen Aufnahmen ein unwiderstehliches Hörvergnügen. Auf dieser Basis konnte María Dueñas eindrucksvoll demonstrieren, dass sie bereits jetzt mehr als ein Versprechen an die Zukunft ist. Zu erleben ist eine individuell und hoch engagiert musizierende Virtuosin. Möge sie sich Zeit und Ruhe gewähren, im Fortgang ihrer Karriere weiter an Gestaltungsreife zu gewinnen. Eines ist gewiss: von María Dueñas wird noch viel zu hören sein.

Dirk Schauß, 14. Mai 2023


Beethoven and Beyond

María Dueñas, Violine

Wiener Symphoniker

Manfred Honeck, Leitung

Deutsche Grammophon 4863512