CD: „The dream of Gerontius“, Edward Elgar

Der englische Komponist Sir Edward Elgar teilte das Los vieler seiner Kollegen: lediglich ein bis zwei Werke wurden einer breiteren Öffentlichkeit ein Begriff. Der Rest des stattlichen Oevres fand vergleichsweise wenig Verbreitung. Dazu zählen Elgars mächtige Chorwerke. Von daher ist die aktuelle Zusammenstellung eine wichtige diskografische Ergänzung. Die CD-Box mit den drei Oratorien von Sir Edward Elgar, veröffentlicht beim Label des Hallé Orchestras aus Manchester und dirigiert von Sir Mark Elder, ist eine bemerkenswerte Veröffentlichung, die Elgars epische Musik in ihrer ganzen Pracht präsentiert. Die Aufnahmen, die zuvor einzeln erhältlich waren und nun erstmals als Gesamtausgabe vorliegen, bieten einen umfassenden Einblick in das kompositorische Schaffen Elgars und die Interpretationskunst von Sir Mark Elder und dem Hallé Orchestra.

„The Apostels“ (Die Apostel) ist das einleitende Werk von Sir Edward Elgars unvollendetem Oratorien-Zyklus über die Apostel und die Gründung der christlichen Kirche. Die Komposition besteht aus sieben Teilen, die verschiedene biblische Ereignisse und Charaktere darstellen. Elgar plante ursprünglich eine Trilogie, von der „The Apostels“ den ersten Teil bildet. Das Werk ist durchdrungen von tiefem religiösem Glauben und spiritueller Intensität. Die Musik in „The Apostels“ zeichnet sich durch Elgars typischen spätromantischen Stil aus. Die Orchestrierung ist reichhaltig und klangvoll, wobei Elgar sowohl die instrumentale als auch die vokale Besetzung virtuos nutzt, um dramatische Effekte zu erzeugen. Musikalische Themen und Motive sind geschickt miteinander verflochten und spiegeln die Charaktere und Ereignisse der Apostelgeschichte wider. Sir Mark Elder gelingt es, eine authentische und tiefgründige Interpretation zu liefern, die sich eng an den Intentionen des Komponisten orientiert. Seine intensive Beschäftigung mit Elgars eigener dirigierter Fassung von 1921 spiegelt sich in einer sorgfältigen Aufnahme wider, die die Struktur des Werkes und die Bedeutung jedes einzelnen Details herausarbeitet. Die Gesangssolisten, darunter Rebecca Evans, Alice Coote, Paul Groves und David Kempster, bieten herausragende Leistungen und verleihen den Charakteren Tiefe und Ausdruckskraft.

„The Kingdom“ (Das Königreich) ist der zweite Teil des unvollendeten Oratorien-Zyklus von Elgar über die Apostel. Das Werk wurde für das Birmingham Triennial Music Festival 1906 komponiert und bildet eine Fortsetzung der Handlung von „The Apostels“. Es erzählt die Geschichte der frühen Kirche, mit Schwerpunkt auf den Ereignissen von Pfingsten und den Tagen danach. Elgar beabsichtigte ursprünglich, „The Apostels“ und „The Kingdom“ als die ersten beiden Teile einer Trilogie zu komponieren. In „The Kingdom“ zeigt sich Elgars Meisterschaft in der Komposition für Chor und Orchester. Die Partitur ist voll von melodischen und harmonischen Schönheiten, die von tiefem religiösem Empfinden durchdrungen sind. Elgar verwendet auch hier eine reichhaltige Orchestrierung, um dramatische Effekte zu erzielen und die Emotionen der Texte zu verstärken. Mit „The Kingdom“, dem zweiten Teil der unvollendeten Trilogie, setzt Sir Mark Elder seine herausragende Interpretation von Elgars Musik fort. Sein tiefes Verständnis für die Nuancen und Emotionen der Partitur ermöglicht es ihm, die lyrisch-sinnlichen Momente ebenso wie die dramatischen Höhepunkte des Werkes zum Leben zu erwecken. Unterstützt von exzellenten Solisten wie Claire Rutter, Susan Bickley, John Hudson und Iain Paterson sowie dem Hallé Choir und dem Hallé Orchestra, gelingt Elder ein musikalisch dichter Vortrag. Diese Aufnahme wurde nicht umsonst mit dem renommierten Gramophone Award für die beste Choraufnahme 2009 ausgezeichnet. „The Dream of Gerontius“ (Der Traum des Gerontius) ist eines von Elgars bedeutendsten Werken und basiert auf einem Gedicht von John Henry Newman. Das Oratorium, uraufgeführt im Jahr 1900, erzählt die Geschichte einer Seele auf ihrem Weg ins Jenseits. Sie durchläuft verschiedene Stationen und Begegnungen im spirituellen Reich, bevor sie schließlich die Herrlichkeit Gottes erblickt. Elgars Musik in „The Dream of Gerontius“ ist von großer emotionaler Tiefe und Intensität geprägt. Die Komposition zeichnet sich durch ihre ausdrucksstarke Harmonik, die Verwendung von Leitmotiven und die dramatische Entwicklung aus. Elgar nutzt eine vielfältige Palette von musikalischen Farben, um die verschiedenen Stimmungen und Szenen des Gedichts zum Ausdruck zu bringen. Die Verbindung von Chor, Solisten und Orchester ist von zentraler Bedeutung, da sie die Gefühle und Gedanken der Hauptfigur und die spirituelle Reise der Seele widerspiegeln. Die Aufnahme entstand im Jahr 2008 und beeindruckt durch die fabelhaften Gesangssolisten Alice Coote, Paul Groves und vor allem Sir Bryn Terfel. Als ausgewiesener Elgar-Spezialist, versteht Sir Mark Elder es, die tiefgründige und spirituelle Natur des Werkes zum Ausdruck zu bringen. Mit seiner sensiblen Interpretation gelingt es ihm, die Reise der Seele nach dem Tod mit all ihren lyrischen und dramatischen Momenten intensiv zu vermitteln.

Elder, der langjährige Chefdirigent des Hallé Orchestras aus Manchester, ist zweifellos einer der herausragenden Interpreten von Sir Edward Elgars Musik. Seine intensive Erfahrung mit den Werken von Elgar ermöglicht es ihm, die musikalische Vision des Komponisten in ihrer ganzen Tiefe und Ausdruckskraft zum Ausdruck zu bringen. Elder gelingt es, die subtilen Nuancen und die emotionale Bandbreite von Elgars Musik zu erfassen und sie mit außergewöhnlicher Sensibilität und Präzision zu interpretieren. Elders Dirigierstil zeichnet sich durch eine ausgewogene Balance zwischen lyrischen Passagen und dramatischen Höhepunkten aus. Er beherrscht die Kunst der Tempoführung und versteht es, die Musik mit Lebendigkeit und Energie zu erfüllen. Ebenso weiß er, gekonnt Ruhepunkte zu setzen. Unter seiner Leitung entfaltet das Hallé Orchestra sein volles Potenzial und erzeugt einen klanglichen Reichtum, der die verschiedenen Facetten von Elgars Oratorien zum Leben erweckt. Besonders bemerkenswert ist Elders Fähigkeit, den Chor und das Orchester in ihrer Farbigkeit und Dynamik zu führen. Der Hallé Choir erfüllt die musikalischen Anforderungen mit großem Geschick. Elder achtet hörbar darauf, die Chorstimmen mit dem Orchester zu verweben und eine perfekte Balance zwischen den vokalen und instrumentalen Elementen herzustellen. Die Gesamtwirkung ist beeindruckend und erzeugt eine kraftvolle und emotionale Klanglandschaft. Die Vokalsolisten in den drei Werken verdienen ebenfalls besondere Anerkennung. Rebecca Evans, Alice Coote, Paul Groves, David Kempster, Claire Rutter, Susan Bickley, John Hudson, Iain Paterson und Sir Bryn Terfel sind erfahrene Sängerinnen und Sänger, die ihre Rollen mit großem Ausdruck und technischer Brillanz verkörpern. Ihre Stimmen fügen sich nahtlos in das Klanggewebe ein und tragen zur Gesamtwirkung der Aufführungen bei. Ihr tiefes Verständnis für die Texte und ihre Fähigkeit, Emotionen subtil auszudrücken, machen ihre Interpretationen besonders berührend.Intensive Klangzeugnisse, die eindrücklich belegen, dass Sir Edward Elgars Musik weit mehr ist als „Pomp and Circumstances“!

Dirk Schauß, 5. Juni 2023


Edward Elgar

The Apostels

The Kingdom

The Dream of Gerontius

Hallé Choir and Orchestra

Sir Mark Elder, Leitung

Hallé, CD HLD 7561