Nahtlos von einer christlichen Hochzeitszeremonie dazu noch in einer echten Kirche, der Holy Trinity Cathedral im neuseeländischen Auckland, über in den Olymp zur eifersüchtigen Juno, hier eine Kanzel, geht es in der Inszenierung von Händels Semele, die von einem Rocker-Jupiter auf der Harley entführt wird, ehe sie dem enttäuscht zurückbleibendem Athamas ihr Ja-Wort geben kann. Für Göttervater und thebanische Prinzessin wird dann der Altar zum Liebeslager, für Morpheus aber auch zum Schlummerbett. Über dem Altar informiert eine Videowand über den Fortgang der Handlung, das Personal verfügt über Mikrophon, Trolley und Handy, und Semele nebst Gefährtinnen bechern ausgiebig. Am Schluss gibt es noch eine Fahrraddemo, von Klebern wusste man im September 2021 noch nichts, sonst hätten sie vielleicht auch einen Platz in der Inszenierung von Thomas de Mallet Burgess und Jacqueline Coats gefunden und wären in der Optik von Tracy Grant Lord berücksichtigt worden. Aus der festlich gekleideten Gemeinde wird im Nu der Chor, und dieser wächst in der Einstudierung von Andrew Crooks, der den Newzealand Opera Chorus und den Holy Trinity Cathedral Choir leitet, zu einer wohlklingenden Einheit zusammen. Dass es trotz dieser modernen Optik akustisch authentisch und werkgerecht klingt, dafür sorgt das New Zealand Opera Baroque Orchestra unter Peter Walls.
Drei Sänger aus dem insgesamt vorzüglichen Solistenensemble sind mit gleich zwei Partien betraut. Das macht mit dem Einsatz von Sarah Castle gleichzeitig für Juno und Ino Sinn, da sich die Göttin in die Schwester der Titelheldin verwandelt, um ihr so den Tod bringenden Rat einzuflüstern, sie müsse Jupiter darum bitten, sich ihr in seiner göttlichen Gestalt zu zeigen. Als Ino, die am Schluss den von Semele verschmähten Athanas heiraten darf, muss sie bebrillt und ältlich ausschauend, als Juno darf sie elegant und attraktiver frisiert mondän erscheinen, und beide Partien singt sie mit heller, ebenmäßiger Mezzostimme mehr als zufriedenstellend. Auch Jupiter und Apollo treten nie gemeinsam auf, so dass Amitai Pati mit fülliger, farbenreicher Tenorstimme, die man sich auch im Belcanto-Fach vorstellen kann, einen prachtvollen Schwur singt, dem Corpo der Stimme noch Flexibilität hinzufügend. Auch als Apollo bleibt er vokal souverän. Der Bass Paul Whelan singt Cadmus, den Vater Semeles, und Somnus, den zotteligen Gott des Schlafes, und beide profitieren nicht nur von der hünenhaften Gestalt, sondern auch von dem tiefdunklen, nur am Beginn leicht dröge klingenden Bass, dem besonders Getragenes sehr gut liegt.
Wenig zu singen hat zunächst der Countertenor Stephen Diaz, der verlassene Bräutigam, der aber ganz zum Schluss, wenn er sich mit der Schwester der Verflossenen trösten darf, mit einer bravourösen Arie, die ebenso bravourös gesungen wird, Begeisterung hervorruft. Die Götterbotin Iris findet in Chelsea Dolman eine Interpretin mit klangvollem Sopran. Mädchenhaft zart beginnt Emma Pearson als Semele, bravourös die Freudenarie, verklärt von rosigem Licht, wunderschön getragen die Arie über die Schlaflosigkeit und urkomisch verzückt die verzwickten Verzierungen beim Anblick ihres Spiegelbilds singend. Unermüdlich erscheint ihre Darbietung in ihrer unendlich langen Schluss-Arie, die zudem extrem virtuos ist, und so ist der jubelnde Beifall des Publikums für sie absolut gerechtfertigt.
Ingrid Wanja, 15. Mai 2023
Bestellnummer OABD7309D
Performance 2021
Dauer 147 Minuten
Dts-HD
Label: Opus Arte