Premiere: 09.10.2021
Großartiger Mozart in durchwachsener Inszenierung
Bereits bis zur Generalprobe am 26. Februar 2021 fertig geprobt kam Mozarts letzte Opera seria nun im Düsseldorfer Opernhaus endlich zur Premiere. Mit „La clemenza di Tito“ schuf Mozart eine Oper, die von der Handlung rund um den über alle Maßen gnädigen Kaiser Tito relativ seicht vor sich hinplätschert. Kurz nach der Premiere am 06. September 1791 soll Graf Karl Johann Christian von Zinzendorf das Werk in seinem Tagebuch als ein „äußerst langweiliges Schauspiel“ bezeichnet haben. Dennoch konnte sich die Oper gerade in den letzten Jahrzehnten einen festen Platz im Opernrepertoire sichern, was sicherlich auch an der herausragenden Musik liegen dürfte.
Mit einigen sehr herausfordernden Rollen ist „La celmenza di Tito“ nicht einfach zu besetzen, der Deutsche Oper am Rhein gelang hier allerdings ein musikalisches Glanzwerk. Als Sesto (der in den Übertiteln im Übrigen immer als Sexto aufgeführt wird) glänzt die stimmlich brillante Maria Kataeva, der man die innere Zerrissenheit zwischen Loyalität dem Freund Tito gegenüber und der Abhängigkeit gegenüber der geliebten Vitellia stets abnimmt. Sarah Ferede gefällt in der Rolle der machthungrigen Vitellia, deren Reuegedanken allerdings vorlagenbedingt etwas sehr plötzlich und entsprechende unrealistisch erscheinen. Ein starkes Paar bilden auch Heidi Elisabeth Meier als Servilia und Anna Harvey als Annio, deren Duett „Ah perdona al primo afferto“ zu einem Highlight des Abends gehört. In den beiden Männerrollen sind Jussi Myllys als Kaiser Tito und Torben Jürgens als Prätorianer-Hauptmann Publio zu erleben. Während Myllys mit seinem Tenor dem Kaiser großen Glanz verleiht, hinterlässt Torben Jürgens insbesondere im zweiten Akt mit seiner allgegenwärtigen Bühnenpräsenz einen bleibenden Eindruck. Hinzu gesellt sich der stimmgewaltige Opernchor unter der Leitung von Gerhard Michalski. Allzu lange ist es nun her, dass man eine Oper mit so wunderbaren Chorpartien live erleben durfte. Allein „Serbate, oh Dei custodi“, „Ah grazie si rendano“ oder das Schluss-Sextett mit Chor „Tu, è ver, m’assolvi Augusto“ lohnen den Besuch. Großen Anteil am Glanz der Musik hat auch die Dirigentin Marie Jacquot, die am Pult der Düsseldorfer Symphoniker das Orchester mit viel Gefühl und gutem Timing durch den Abend leitet. Einen besonderen Auftritt erhalten die Bassettklarinette und das Bassetthorn, die in Form eines inneren Dialoges zwischen Instrument und Sänger in die szenische Inszenierung eingearbeitet wurden. Eine gelungene Idee, der ansonsten in weiteren Teilen eher wenig in Erinnerung bleibenden Inszenierung von Michael Schulz, der die Oper in einem Einheitsbühnenbild (Dirk Becker) eines Palastvorraumes ansiedelt. Der brennende Palast am Ende des ersten Aktes wird gelungen dargestellt, indem Flammen und Qualm vor den Fenstern angedeutet werden, auch wenn das Feuer draußen schon wütet, während Sesto im Inneren noch seine Brandbeschleuniger zusammenbaut. Schön auch, wie zu Beginn des zweiten Aktes die Asche herabregnet. Ansonsten war es dies aber auch schon. Die Kostüme von Renée Listerdal sind nett anzusehen, das Kleid der Servilia ließe sich beispielsweise perfekt für eine Evita-Inszenierung weiterverwenden. Dennoch bleibt am Ende bezüglich der Inszenierung nur ein durchwachsener Eindruck. Es folgen einige Spoiler. Wer sich diese ersparen möchte, sollte den nächsten Absatz überspringen und erst nach dem dritten Bild weiterlesen.
Insbesondere im zweiten Akt ist schon zu erahnen, dass Publio durch die bereits erwähnte beobachtende Bühnenpräsenz in dieser Inszenierung eine gewichtige Rolle zugedacht wurde. Am Ende stellt sich heraus, dass es ihm offenbar obliegt, die dunklen Seiten der Regierungsarbeit zu erledigen, während sich der Kaiser gegenüber den Bürgen weiterhin stehts als gerecht, gütig und voller Mitgefühl präsentieren kann. So ist es durchaus nachvollziehbar, dass er im geänderten Schluss das Kommando zur Exekution von Sesto und Vitellia aber auch Annio und Servilia (die offenbar als Mitwisser als gefährlich angesehen werden) erteilt. Auch wenn das Ende Mozarts Vorlage bis dahin auf den Kopf stellt, kommt es wenig überraschend. Vielleicht hätte man mit der Hinrichtung allerdings warten sollen, bis Tito den Raum verlassen hat, denn sicherlich ist er über die Vorgänge informiert, wahrscheinlich sogar der Auftraggeber, dennoch wirke es nicht stimmig, die vier Leute vor seinen Augen zu erschießen, nachdem er nur Minuten zuvor nach einem durchaus glaubwürdigen inneren Krieg mit sich selbst zu einem scheinbar anderen Ergebnis gekommen war. Eingestehen sollte man allerdings auch, dass es die Vorlage für den Regisseur nicht einfach macht, sich vom Loblied auf den Herrscher auch nur in Ansätzen zu distanzieren.
Am Ende bleibt ein Theaterabend, dessen musikalischer Teil vom anwesenden Premierenpublikum frenetisch gefeiert wird. Großer Applaus für die sechs Darsteller, den Chor und das Orchester. Beim Auftritt des Inszenierungsteams wurde der Applaus merklich leiser, einige lautere Buh-Rufe mischten sich zwischen den ansonsten dennoch weiterhin freundlich gestimmten Schlussapplaus für die Regiearbeit.
Markus Lamers, 10.10.2021
Fotos: © Bettina Stöß