Düsseldorf: „Nabucco“, Giuseppe Verdi

© Sandra Then

Nachdem Giuseppe Verdi mit seiner Opera buffa Un giorno di regno ein großes Fiasko erlebt hatte und ihn zu dieser Zeit auch einige private Schicksalsschläge schwer belasteten, entschloss er sich 1841 nach anfänglicher Ablehnung doch zur Komposition von Nabucco. Aus heutiger Sicht ist seine dritte Oper vielleicht der Beginn einer ganz besonderen Komponistenkarriere, denn bis heute gehören viele seiner Werke wie selbstverständlich zum Kern des Repertoires von Opernhäusern auf der ganzen Welt. Allein in Nordrhein-Westfalen starten in diesen Tagen mehrere Theater mit Verdi in die neue Spielzeit 2024/25, darunter auch die Deutsche Oper am Rhein.  Mit einer Neuinszenierung von besagtem Nabucco konnte man zum Saisonauftakt sogar „ausverkauft“ vermelden.

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Die Regisseurin Ilaria Lanzino verlegt den ursprünglichen Krieg zwischen Babyloniern und Hebräern in eine unbestimmte Gegenwart. Dabei verzichtet sie bewusst auf konkrete Anspielungen auf aktuelle Kriegsschauplätze. Vielmehr lässt sie den Zuschauer schon während der Ouvertüre mittels einer Videoeinspielung in die Wohnzimmer der Bevölkerung blicken. Die Menschen gehen in ihren Wohnungen alltäglichen Dingen nach. Am Ende schlagen die Bomben ein und zerstören das Wohnhaus. Die Bewohner befreien sich aus den Trümmern, was visuell sehr geschickt gelöst wurde. Durch einen großen Spiegel, der schräg über der Bühne hängt, spiegeln sich die aus dem Bühnenboden kletternden Menschen im Publikum, was gleich zu Beginn der Oper für einen entsprechenden Kriegsschauplatz sorgt. Überhaupt überzeugt das opulente Bühnenbild von Dorota Caro Karolczak. So wird der Palast des Zaccaria, der hier mehr Herrscher als Hohepriester der Hebräer ist, von oben als Steg mit großen Säulen herabgelassen. Die Räume der Babylonier werden dagegen immer wieder aus der Unterbühne hochgefahren. Das sieht gut aus, hat aber einen kleinen inszenatorischen Nachteil. Durch die räumliche Trennung von Herrschern und Volk wirken manche Szenen nicht sehr flüssig. So ist es nicht immer ganz nachvollziehbar, warum sich Zaccaria, Ismaele aber auch Fenena stellenweise in den Palast zurückziehen, sich dann aber, wenn es die Szene erfordert, unter das Volk mischen, als wären sie die ganze Zeit dort gewesen.

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Wie dem auch sei. Im Kern der Inszenierung geht es Ilaria Lanzino vor allem um das Verhältnis zwischen Herrschern und Volk und weniger um den Konflikt zwischen zwei Völkern. Dabei wird die eigentliche Geschichte zwar hier und da etwas umgedeutet, bleibt aber bis zur Pause recht nah am Originallibretto. Erst im Gefangenenchor, in dem eigentlich die Hebräer von Freiheit träumen, vereinen sich in dieser Inszenierung die beiden Völker und beginnen, sich von ihren Herrschern zu befreien. Diese Interpretation funktioniert erstaunlich gut. Gut funktioniert auch der Ansatz, die Beziehung zwischen Abigaille, Fenena und Ismaele zusätzlich durch drei Kinder darzustellen, indem Abigaille immer wieder an ihre Kindheit zurückdenkt. Eine Zeit, in der Hebräer und Babylonier offenbar noch friedlich miteinander spielen konnten. Dieser Regiekniff erklärt recht anschaulich, wie Abigaille von einer unterprivilegierten Sklaventocher zu einem Machtmenschen wurde, der über Leichen geht. Nicht ganz so glücklich ist dagegen das Ende, in dem das Volk die Herrscher stürzt, sie mit roten Clownsnasen an mehrere Pfähle bindet und in einem großen Feuer verbrennt. Dieser an sich effektvolle Schluss zieht sich dann doch sehr in die letzten Arien hinein und man fragt sich irgendwann, wie lange man es in so einem brennenden Scheiterhaufen eigentlich aushalten kann. Unterm Strich bietet diese neue Nabucco-Version einige sehr gute Ansätze, die sich dann im Detail hin und wieder etwas verlieren. Dennoch zeigte sich das Premierenpublikum mit großem Schlussapplaus sehr angetan von dieser Lesart.

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Das galt auch für die musikalische Seite der Produktion. Vitali Alekseenok leitete die Düsseldorfer Symphoniker mit viel Gefühl und straffem Tempo durch den Abend. Manchmal hätte man sich vielleicht etwas mehr Kraft aus dem Orchestergraben gewünscht, aber sein Dirigat sorgte für ein hervorragendes Zusammenspiel von Orchester und Darstellern. Mit Alexey Zelenkov als Nabucco, Liang Li als Zaccaria, Eduardo Aladrén als Ismaele, Kiberley Boettger-Soller als Fenena und vor allem Svetlana Kasyan als Abigaille sind die Hauptrollen hochkarätig besetzt. Wie bei dieser Oper fast schon üblich, sei abschließend der Opernchor unter der Leitung von Patrick Francis Chestnut noch als besonderes Highlight des Abends erwähnt.

Markus Lamers, 17. September 2024

Redaktions-PS: Warnhinweis der Deutschen Oper am Rhein:
„Bei diesem Stück werden im 1. Akt und 2. Akt (vor der Pause) Stroboskop-Effekte eingesetzt. Wir weisen Sie darauf hin, dass bestimmte Blitzfrequenzen bei epilepsiegefährdeten Personen einen Anfall auslösen könnten.


Nabucco
Oper von Giuseppe Verdi

Oper am Rhein, Opernhaus Düsseldorf

Premiere: 15. September 2024

Inszenierung: Ilaria Lanzino
Musikalische Leitung: Vitali Alekseenok
Düsseldorfer Symphoniker

Trailer

Weitere Aufführungen:  21. September / 25. September / 29. September / 3. Oktober / 6. Oktober / 12. Oktober / 20. Oktober / 1. November / 8. November / 10. November / 6. Dezember / 25. Dezember