Piacenza: „Madama Butterfly“, Giacomo Puccini

© Gianni Cravedi

Zu den Künstlern, die sich nach Beendigung ihrer Sängerkarriere (wie etwa Tito Gobbi oder Renata Scotto) der Regie widmeten, hat sich auch Leo Nucci gesellt, der erwartungsgemäß eine traditionelle Produktion sehen ließ. In einem stimmungsvollen Bühnenbild von Carlo Centolavigna, das neben dem erwartbaren Häuschen auch einen Ensō zeigte, einen Kreis, der in der Zen-Philosophie für Kraft und Universum steht. Umgibt er Butterflys Behausung zunächst, so senkt er sich später und liegt schließlich im Finale ganz flach auf dem Boden, wenn die casetta nach Butterflys Selbstmord deren Erlösung signalisiert, indem sie in die Höhe gezogen wird – quasi eine Himmelfahrt. Links auf der Bühne steht ein Torii, das rote Tor, bei dessen Durchschreiten die Seele einer ersten Läuterung unterzogen wird. Nach Butterflys Verfluchung durch den Zio Bonzo wird es von diesem und den anderen Hochzeitsgästen als Ausgang benutzt – Cio-cio-san kann nach ihrem Glaubenswechsel nicht mehr geläutert werden… Es sind dies sehr hübsche Ideen, die sich zur Charakterisierung Pinkertons gesellen, der als besonders unsensibel gegenüber den japanischen Bräuchen gezeichnet wird und seiner Braut bzw. Gattin physisch immer wieder mit einer gewissen Grobheit zu nahekommt. Oder der Konsul, der sich mit seinen langen Beinen auf den tiefen Sitzgelegenheiten schwertut und sich zum schon vorhandenen ein zusätzliches Kissen unterschiebt. Ein professionell ausgebildeter Regisseur hätte dem langen Dialog zwischen dem Konsul und Butterfly im 2. Akt vielleicht mehr Nuancen abgewonnen, aber im Ganzen handelt es sich um eine sehr solide Arbeit, unterstützt auch von den schönen Kostümen des Artemio Cabassi und der effizienten Lichtregie von Michele Cremona.

© Gianni Cravedi

Als Butterfly gab Claudia Pavone ihr Quasi-Debut (siehe hatte die Rolle erst einmal gesungen) und zeigte, dass sie im Besitz einer hervorragenden Technik ist, die ihrem lyrischen Sopran (sie kommt von „Traviata“ und deren Koloraturen) die Stütze bei einer Partie ist, die eigentlich einen Zwischenfachsopran verlangt. Dennoch würde ich ihr nicht empfehlen, die kleine Japanerin in den nächsten Jahren allzu oft zu interpretieren. Die Konzentration auf die (tadellose) stimmliche Bewältigung brachte es leider mit sich, dass die Expressivität und die Tragik der Figur so ziemlich auf der Strecke blieben. Sehr überzeugend setzte Angelo Villari die oben beschriebene Sicht auf den Pinkerton um, den er mit üppigen stimmlichen Mitteln ausstattete, aber auch mit einigen sehr schönen piani zu gefallen wusste. Überzeugend geriet auch der Sharpless von Alessandro Luongo mit leicht knarrendem Bariton, der den Konsul im richtigen Gleichgewicht zwischen Empathie und einer gewissen Ungeduld hielt (wie oft war er wohl schon einer ähnlichen Situation gegenüber gestanden?). Irene Savignano verlieh der Suzuki mit auffallend dunkel getöntem Mezzo starkes mitleidiges Profil. Der Goro von Manuel Pierattelli war etwas zu viel zum Kichern angehalten, brachte aber eine hochmusikalische Leistung. Mattia Denti donnerte überzeugend den Bonzo, Eva Corbetta war eine anteilnehmende Kate. Leider ein Ausfall der Yamadori des vollkommen aus dem Tritt geratenen Giacomo Leone, während die Kleinstrollen sehr sorgfältig besetzt waren.

© Gianni Cravedi

Am Pult der Orchestra dell’Emilia-Romagna Arturo Toscanini sorgte Matteo Beltrami dafür, dass man als Publikum trotz der Kühle der Protagonistin mit jeder Faser Butterflys Weg von himmelhochjauchzend über Hoffnung, Enttäuschung und die schließliche Einsicht, dass es für sie keinen Ausweg gibt, nachvollziehen, ja mit ihr mitleiden konnte. Beltrami bevorzugte rasche Tempi, die falscher Sentimentalität keinen Platz ließen, aber die Tragödie in ihrer Ganzheit auffächerten. Der von Corrado Casati einstudierte Chor des Hauses brillierte vor allem mit dem Summchor.

Großer Jubel des übervollen Hauses für diese gelungene Saisoneröffnung.

Eva Pleus, 29. Dezember 2024


Madama Butterfly
Giacomo Puccini

Teatro Municipale di Piacenza

20. Dezember 2024

Inszenierung: Leo Nucci
Musikalische Leitung: Matteo Beltrami
Orchestra dell’Emilia-Romagna Arturo Toscanini