I am what I am ist sicherlich einer der bekanntesten Musicalsongs überhaupt, komponiert von Jerry Herman, der bereits im Januar 1964 mit Hello, Dolly! einen großen Erfolg feiern konnte. Knapp zwanzig Jahre später, am 21. August 1983, fand die Uraufführung von La Cage aux Folles im New Yorker Palace Theatre statt, wo bis November 1987 über 1.750 Aufführungen stattfanden. 1984 wurde das Musical mit sechs Tony Awards ausgezeichnet, unter anderem für das beste Musical, das beste Libretto und die beste Musik. Im Jahr 2005 folgte ein weiterer Tony Award in der Kategorie Best Musical Revival. Dabei beginnt die Geschichte dieses Werkes viel früher. 1973 wurde in Paris das Theaterstück La Cage aux Folles von Jean Poiret uraufgeführt, welches 1978 auch verfilmt wurde. Auch hierzulande wurde Ein Käfig voller Narren ein großer Erfolg, weit über die queere Szene hinaus.

Das Stück handelt von Georges und Albin, die seit vielen Jahren glücklich zusammenleben und gemeinsam einen Nachtclub in St. Tropez betreiben. Während Georges sich als Manager um die Geschäfte kümmert, ist Albin in der Rolle der Zaza der Star der bunten Travestie-Show, die allabendlich das Publikum begeistert. Das Leben der beiden gerät jedoch aus den Fugen, als Georges Sohn Jean-Michel, den er liebevoll als „Jugendsünde“ bezeichnet, ankündigt, seine Freundin Anna heiraten zu wollen. Dummerweise ist der Vater der Verlobten der erzkonservative Politiker Edouard Dindon, der vor der Hochzeit natürlich Jean-Michels Eltern kennenlernen will. Dieser ist zwar in den liebevollen Händen von Georges und Albin aufgewachsen, doch da dies nicht in das Weltbild des Politikers passt, möchte Jean-Michel seine leibliche Mutter Sybil vorstellen, was Albin zutiefst erschüttert. Schließlich hat er ihn 20 Jahre lang großgezogen, während seine leibliche Mutter nie Zeit für ihren Sohn hatte. Trotzdem willigt er schließlich ein, nur als Onkel Al an dem Treffen teilzunehmen. Doch wieder einmal lässt Sybil ihren Sohn in letzter Minute im Stich, so dass Albin in die Mutterrolle schlüpft, um Jean-Michel eine weitere Enttäuschung zu ersparen. Dass dies zu allerlei Komplikationen führt, dürfte klar sein. Willkommen im Käfig voller Narren.

Josef E. Köpplinger, seit der Spielzeit 2012/13 Intendant des Gärtnerplatztheaters, inszeniert diesen Musicalklassiker, indem er immer wieder humorvoll mit schwulen Klischees spielt, aber in den entscheidenden Momenten starke Akzente setzt. Neben den großen Shownummern der Cagelles, von denen eine auch den Abend eröffnet, sind es vor allem die intimen Momente, die unter die Haut gehen und berühren. Sei es die Liebeserklärung zwischen Georges und Albin bei einem nächtlichen Spaziergang, bei dem ein pantomimischer Clown mit seinem Herzluftballon für starke Bilder sorgt, oder das Finale des ersten Aktes, in dem Albin, tief getroffen von der Ablehnung seines „Sohnes“, auf der Bühne seine Gefühle offenbart. Ganz stark hier Armin Kahl, der die Rolle des Albin alias Zaza grandios verkörpert. Auch Daniel Prohaska als Georges überzeugt auf ganzer Linie. Gelungen ist auch, wie Köpplinger eine Klammer um die eigentliche Geschichte gelegt hat, indem während der Ouvertüre ein Video eingespielt wird. Hier wird das Publikum in der Gegenwart abgeholt und in Form einer Zeitreise mit realen Nachrichtenbildern zur gesellschaftlichen Akzeptanz schwuler Paare zurück ins Jahr 1973 geführt, wo die eigentliche Geschichte beginnt. Am Ende wird in einem starken Finale noch einmal darauf Bezug genommen, was einen rundum gelungenen Theaterabend angemessen abrundet. Auch das Bühnenbild von Rainer Sinell weiß zu gefallen. Immer wieder finden sich die französischen Nationalfarben in der Gestaltung des Bühnenraumes wieder, das in diesem Fall sogar bis in den Saal reicht, denn am Balkon und den drei weiteren Rängen sind Lichterketten angebracht, die im Laufe des Abends in verschiedenen Farben erstrahlen. Sehr nett auch die Wohnung des schwulen Paares, die zunächst klischeehaft und stark überzeichnet mit Gemälden nackter Männer und Penis-Dekorationen in allen Formen und Größen ausgestattet ist. Für den Besuch des konservativen Politikers wird die Wohnung dann aber ebenfalls stark übertrieben mit einem großen Kreuz dekoriert.

Auch musikalisch überzeugt der Abend. Das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz spielt unter der Leitung von Andreas Partilla stark auf. Neben den bereits erwähnten Hauptrollen, verkörpert von Armin Kahl und Daniel Prohaska, spielt sich vor allem Christian Schleinzer als Butler Jacob in die Herzen der Zuschauer. Allerdings sieht er sich nicht als Butler, sondern eher als Zimmermädchen, das fest an seinen großen Auftritt im Nachtclub Cage aux Folles glaubt, der eines Tages stattfinden wird. Paul Clementi und Florentine Beyer verkörpern das junge Liebespaar Jean-Michel und Anna mit stimmlicher und darstellerischer Leichtigkeit. Aufgeführt wird in München die deutsche Übersetzung aus der Feder von Erika Gesell und Christian Severin, so dass man der Geschichte jederzeit gut folgen kann, denn auch die Lieder sind hier durchaus handlungstragend.

Mit La Cage aux Folles ist dem Gärtnerplatztheater eine Musicalproduktion gelungen, für die sich auch eine weite Anreise lohnt. Aufgrund der großen Nachfrage hat das Theater vor wenigen Tagen weitere Zusatzvorstellungen zum Saisonende in den Spielplan aufgenommen. Empfehlenswert ist übrigens auch das Programmheft, das statt mit einer Handlung mit einem Vorwort von Zaza beginnt, in dem sie die Geschichte mit einigen sehr persönlichen Worten begleitet, und das mit seiner hochwertigen Produktion nahtlos an die besuchte Vorstellung anknüpft.
Markus Lamers, 20. März 2025
La Cage aux Folles
Musical von Jerry Herman (Musik und Gesangstexte) und Harvey Fierstein (Buch)
Staatstheater am Gärtnerplatz, München
Premiere: 28. Februar 2025
besuchte Vorstellung: 19. März 2025
Inszenierung: Josef E. Köpplinger
Musikalische Leitung: Andreas Partilla
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Weitere Aufführungen: 21. März, 28. März, 29. März, 5. April, 6. Juni, 8. Juni, 9. Juni, 11. Juni, 15. Juni, 16. Juni