Premiere: 26. Mai 2022
Meistens wird „Wachsfigurenkabinett“ von Karl Amadeus Hartmann nicht mit anderen Stücken kombiniert, obwohl die fünf Kurzopern nur 75 Minuten dauern. Am kleinen Haus des Gelsenkirchener Musiktheater im Revier, gibt es nun noch Hans Werner Henzes „Das Wundertheater“ dazu. Diese Kombination ist zwar nicht zwingend, aber immerhin hat Henze die Uraufführung des „Wachsfigurenkabinetts“ bei der Münchener Biennale für zeitgenössisches Musiktheater in München initiiert. Den acht Mitgliedern des Opernstudios NRW bieten sich dadurch viele darstellerische Möglichkeiten.
Mit dem „Wundertheater“ vertonte der 23-jährige Hans Werner Henze 1949 einen satirischen Einakter von Miguel de Cervantes: Theaterdirektor Chanfalla und seine Gefährtin Chirinos behaupten gegenüber der Dorfbevölkerung nur „ehelich geborene und rechtgläubige Christen“ könnten ihre Aufführung sehen. Wie in „Des Kaisers neue Kleider“ bestaunt jeder Zuschauer das optische Nichts. Henzes Musik ist trotz ihrer Atonalität elegant und unterhaltsam. In seinem ersten Bühnenwerk zeigt der 2012 gestorbene Komponist schon seinen sicheren Theaterinstinkt, dem dann spätere andere komische Opern wie „Der junge Lord“ (1965) und „Die englische Katze“ (1983) zu verdanken sind: Cembalo und Harfe geben der Musik einen altmodischen Klang, die Bläser tönen grell und ironisch, die vier Schlagwerker sorgen für moderne Jahrmarktklänge. Dirigent Gregor Rott gelingt es, dem Kammerorchester der Neuen Philharmonie Westfalen auch viel rhythmischen Pfiff zu entlocken.
Sehr zuverlässig singt Tenor Christoph Hochstuhl die Rolle des Theaterdirektors. Quirlig und mit sehr textverständlichem Mezzo gibt Rina Hirayama, die in Gelsenkirchen schon als Rossinis Desdemona aufhorchen ließ, seine Partnerin Chirinos. Als Gobernador des Dorfes beeindruckt Yevhen Rakhmanin mit seinem profunden Bass. Regisseurin Zsófia Gereb und ihre Ausstatter Ivan Ivanov bringen beide Stücke mit leichter Hand auf die Bühne, charakterisieren die Figuren gut und halten die junge Truppe in Bewegung. Als Bühnenbild dient ein Theaterportal, das auf beiden Seiten von großen Treppen flankiert ist.
Die fünf kurzen Opern im „Wachsfigurenkabinett“ sind kurzweilig und tendieren auch zu jazzigen Klängen. Manchmal wirken die Stücke wie musikalische Sketche, wenn die Verschwörer in „Leben und Sterben des heiligen Teufels“ mehrere Anläufe brauchen um Rasputin zu ermorden. Sopranistin Heejin Kim kann als Großfürstin mit großem Sopran auftrumpfen. In „Fürwahr“ erkennen sich ein betrunkener Vater und Sohn nachts nicht wieder und streiten um den Einlass an der Haustür. Als Vater und Sohn harmonisieren Oleh Lebedyev und Yisae Choi stimmlich sehr gut miteinander. Die weiteren Mitglieder des NRW-Opernstudios Margot Genet, Mercy Malieloa und Demian Matushevskyi zeigen wie ganze Ensemble ihre Wandlungsfähigkeit und stehen teilweise sogar in sieben verschiedenen Rollen auf der Bühne.
Rudolf Hermes, 26.05.22