DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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www.gut-immling.de

 

2016 - Zwanzig Jahre und kein bisschen leise

CARMEN / ZAUBERFLÖTE

begleiten das Jubiläum in Gut Immling

Besuchte Vorstellungen 15. Juli 2016 und 16. Juli 2016

Premieren 18. Juni 2016 und 10. Juni 2016

Aufführungen und Atmosphäre in Gut Immling sind nach wie vor Ausnahmeerscheinungen in der Opernwelt und ein Erlebnis für die Besucher. Ich merkte beim letztjährigen Gut Immling Besuch an, dass es hier ein gewisses Rauschpotential gibt, und wer einmal davon befallen wird, kaum mehr davon los kommt. Dies hat sich in diesem Jubiläumsjahr mehr als bewahrheitet.

Kaum konnte ich mit dem umtriebigen Intendanten Ludwig Baumann ein paar Worte wechseln, zu sehr lebt er mit „seinem“ Festival und seine Frau, die großartige Dirigentin Cornelia von Kerssenbrock steht ihm hier in keinster Weise nach. Es ist bewundernswert, mit welchem immensen Einsatz die beiden immer wieder ein Programm auf die Bretter stellen, welches die Besucher schlicht begeistert. Es ist bewundernswert, mit welcher Hartnäckigkeit sie versuchen, immer wieder finanzielle Quellen aufzumachen, zu behalten, zu erneuern. Und trotz aller Arbeit sprühen die Augen, wenn man mit Ihnen spricht, merkt man die bedingungslose Hingabe zu dieser Aufgabe, zu dem für mich in Deutschland einmaligem Opernfestival und zu dem Gnadenhof, dem sie neben dem Festival all ihre Arbeit und Zeit opfern, neben den vielen Konzerten, Gastspielen, Gesprächen, Vorbereitungen usw. Ich bewundere diese beiden seit nunmehr acht Jahren eigentlich immer mehr, dies ist die Zeit, die ich bisher in Gut Immling dabei sein darf. Und in diesem Jahr gibt es ein Jubiläum. Vor genau zwanzig Jahren wollte Ludwig Baumann am Halfinger Baggersee die Oper „Die Zauberflöte“ aufführen, es sollte damals mit einer Lasershow einhergehen und dann kam der große Regen und dieser hörte einfach nicht mehr auf. Also zog man kurzerhand in die neue Reithalle oben „auf dem Berg“, baute dort einfach eine provisorische Bühne auf, die Zuschauer saßen im Sand, der Geruch wurde eindeutig von den Ausdünstungen der Pferde bestimmt und dennoch war es ein so großer Erfolg, dass man spontan beschloss, dies im darauffolgenden Jahr mit zwei Inszenierungen zu wiederholen. Vor zwanzig Jahren konnten ca. 5000 Zuhörer der Oper lauschen, heute ist die Zahl auf knapp 20.000 angewachsen. Die eine Inszenierung wird heutzutage von vier Inszenierungen getragen, dazu kommen viele Konzerte und mehr. Auch die Chance, die Ludwig Baumann jungen Sängern geben wollte, hat inzwischen dazu geführt, dass eine ganze Reihe von Ihnen Ihren Weltruhm hier in Gut Immling beginnen konnten. Künstler aus 30 Nationen arbeiten und leben in den Sommermonaten hier zusammen und dieses Zusammengehörigkeitsgefühl wirkt sich erfrischend, begeisternd und umfassend auf die Festspiele aus. Musik überwindet Grenzen und verbindet Herzen, hier in Gut Immling kann man diesen Zauber ganz besonders fühlen und erleben. Am Anfang spielte man drei Wochen, inzwischen hat sich dies auf eine zweimonatige Aufführungsserie hin erweitert. Ludwig Baumann hat Immling – natürlich neben seiner charmanten Frau Cornelia von Kerssenbrock – einmal als seine „große Liebe“ bezeichnet, und die ist sie bis heute geblieben, eine Liebe, die mit den Jahren immer stärker wird, und das Publikum wird davon erfasst, ist begeistert, beeindruckt und pilgert jedes Jahr aufs Neue über schmale Pfade hoch hinauf zum Gnadenhof, mit gnadenreicher Musik. Mögen diese Festspiele noch lange andauern und weiterhin die Menschen begeistern. So, jetzt wenden wir uns aber der ersten Oper in diesem Jahr, der „Carmen“ zu.

Nun gut, ich habe die „Carmen“ schon sehr oft gesehen, in eindrucksvollen Inszenierungen und in solchen, in denen es dem Regisseur nur um seine eigene Selbstverwirklichung geht. Nun ja, diese „Carmen“ hat von allem ein bisschen.

Alin Stoica als Don José und Iryna Zhythynska als Carmen

Der Regisseur Wolfgang Tilch hat auf Zigeuner, Zigarettenmädchen, Toreros usw. verzichtet (wobei in der Übersetzung oben auf der Leinwand immer noch davon gesprochen wird – kein Wunder, die Musik ist ja Gott sei Dank dieselbe geblieben) und einen großen Konzern, der eine erfolgreiche Show veranstaltet, in den Mittelpunkt gestellt. In Ordnung, so etwas kann man machen, sollte man aber nicht unbedingt. Die Angestellten laufen mit ihren Aktentaschen auf und ab, Don José wird von seinem Handy zum Dienstbeginn gerufen, man greift zu Drogen, entflieht der realen Welt um in einer imaginären zu landen. Mich reißt das nicht mit und überzeugt es auch nicht. Ebenso wie das Bühnenbild und die recht farblosen Kostüme von Michael D. Zimmermann. Das Bühnenbild besteht praktisch aus einer feuerroten, leicht verstellbaren Wand, der gesamte Hintergrund ist feuerrot und das durch alle vier Akte hindurch. Der Platz vor der Fabrik, das Schmugglerlager, die Stierkampfarena, halt das heißt ja jetzt „The Biiiiig Fight“ Showbühne, alles in Rot. Das ermüdet doch sehr, mir persönlich – und jetzt habe ich auch einmal eine Kritik an Gut Immling anzubringen – gefällt es gar nicht. Das ganze läuft für mich etwas lustlos ab, die Spannung fehlt, das mitreißende, was ja normalerweise eine „Carmen“ auszeichnet. Gott sei Dank gibt es aber noch die Musik – und die entschädigt doch für einiges.

Deniz Yetim als Micaela und Alin Stoica als Don José

Im Orchestergraben sind die Münchner Symphoniker und sie werden geführt von Cornelia von Kerssenbrock. Und jetzt ist auch die Behäbigkeit der Szenerie vorbei. Leidenschaftlich, voller Feuer agieren die Münchner und Cornelie von Kerssenbrock feuert sie immer weiter an, sie lässt sie voller Inbrunst spielen, nimmt sie aber auch ganz sängerdienlich dort zurück, wo die Stimme der Solisten überdeckt zu werden drohen. Das was der Inszenierung fehlt, das Feuer, der mitreißende Klang, wird hier auf vortrefflichste vorgelebt. Man merkt auch richtig die Freude der Dirigentin am leidenschaftlichen Musizieren, sie lebt mit ihren exzellent auftrumpfenden Musikern mit. Und dann tritt der ganz große Star dieser „Carmen“ auf und eigentlich müsste die Oper am heutigen Abend „Micaela“ heißen, so feurig, hinreißend, großartig auftrumpfend und die Reithalle bis in die letzte Ecke ausfüllend setzt sich die junge türkische Sopranistin Deniz Yetim durch. Ihr leuchtender klangvoller, warmer und vollmundiger Sopran berührt nicht nur Don José, sondern auch das Publikum. So anrührend hat man die Arie der Micaela „Je dis que rien ne m'épouvante - Ich tat, als ob mich nichts berühre“ und das große Duett mit Don José „Parle-moi de ma mère - Ma mère, je la vois - Du kommst von meiner Mutter“  noch nicht allzu oft gehört. Für mich die mit Abstand beste Leistung des heutigen Abends und das heißt etwas, denn es gibt keinerlei Ausfälle im Ensemble. Das Publikum hat ein Gespür für das außergewöhnliche der Interpretation und applaudiert ohne Ende. Ihr Don José ist der junge rumänische Alin Stoica, von dem man mir erzählte, dass er in der Premiere etwas zurückhaltend agiert hätte. Davon ist heute auch nicht das Geringste zu spüren. Leidenschaftlich auftrumpfend, seinen hohen kräftigen Tenor strahlend und feurig einsetzend, ist er ein außergewöhnlicher Don José, der nicht nur durch die Kraft seiner Stimme sondern auch durch die zarten lyrischen Passagen überzeugen kann. Als Carmen tritt die ukrainische Mezzosopranistin Iryna Zhythynska auf und auch sie macht ihre Sache recht gut.

Alin Stoica als Don José und Vadim Kravets als Escamillo

Ihre Stimme ist mir zuweilen etwas zu wenig durchschlagskräftig, auch geht mir ein kleines bisschen die starke erotische Ausstrahlung ab, die Don José von Micaela zu ihr treibt. Eine solide Leistung, der aber ein paar kleine Zusatzpunkte – jedenfalls am heutigen Abend – gefehlt haben. Als Escamillo, nein nicht der Torero, sondern der Star der Showbühne, tritt der junge russische Bassbariton Vadim Kravets auf und er macht seine Sache recht gut. Sieht man einmal von seinem Rockerautfit ab, kann er kraftvoll seine Auftritte gestalten, ein bisschen mehr Basstiefe wäre schön gewesen und auch ein kleines bisschen mehr auftrumpfendes Feuer. Insgesamt gesehen kann er jedoch überzeugen. Als Frasquita und Mercédés geben Leonor Amaral und Reinhild Buchmayer eine rollendeckende Gestaltung und können überzeugen. Ebenso wie Jeffrey Tarr als Zuniga, Symon Komasa als Moralés, Sheldon Baxter als Dancairo und Thomas Stückemann als Remendado. Besonders zu erwähnen auch heute wieder der Festivalchor Immling und der Kinder-Festivalchor Immling, die sich ja bekanntermaßen überwiegend aus Laiensängern der Gegend zusammensetzen. Beeindruckend, mit welchem Feuer und welcher Leidenschaft sich hier jeder einzelne mit seiner Rolle identifiziert und ganz in ihr aufgeht. Ein großer Pluspunkt von Gut Immling. Für die Einstudierung des Chores zeichnet auch Cornelia von Kerssenbrock verantwortlich. Und dann ist die Oper zu Ende, der langanhaltende Applaus verebbt und man geht zu einem ausgiebigen Imbiss ins Gastronomiezelt und versucht die hervorragenden Weine der Umgebung um den Abend ausklingen zu lassen. Und dann kommt etwas, was es nur auf Immling gibt. Begleitet am Klavier geben die Künstler des Festivals ein weiteres Konzert. Einmalig und ausgiebig. Und wenn die Stimmung im Zelt steigt, steigt auch die Laune der Künstler. Nach unserer „Carmen-Aufführung“, die exzellent war, erlebten wir noch über 80 Minuten Lieder und Arien der versammelten Künstler. Das ist mehr als bei einem normalen Konzert. Und es treten alle Künstler auf, die mit der „Carmen“ schon eine kräftezehrende Partie hinter sich haben. Aber hier auf Gut Immling ist eben nichts normal – und dies ist einfach herrlich.

Der zweite Abend bringt die Oper, mit welcher vor zwanzig Jahren alles begann „Die Zauberflöte“. Und heute habe ich an der Regie nicht das Geringste auszusetzen. Die Inszenierung stammt von Verena von Kerssenbrock und es ist eine ausgenommen erheiternde, bunte, farbenfrohe und stimmige Inszenierung.

Chuanliang Wang als Tamino

Die Geschichte vom jungen Prinzen Tamino, der seine Pamina aus den vermeintlich bösen Fängen des Sarastro retten soll, der in Wahrheit ein weiser und gerechter Herrscher ist. Die Geschichte um die böse Mutter der Pamina, der Königin der Nacht, mit welcher sich der Mohr Monostatos verbündet um seinen Herrn zu stürzen und die reizvolle Geschichte des vogelbunten Papageno, der alles kann, nur nicht schweigen und am Ende doch auch seine Papagena findet, ist stimmig und völlig nachvollziehbar auf die Bühne gebracht. Weiß geschminkte Gesichter, clownähnliche Masken böse Schlangen, die gerade mal zwei Hände lang sind, Wundertüten die verteilt werden, das alles bringt ein Schaustück zum Genießen auf die Bühne. Was mir bei der „Carmen“ am Vortag nicht so gefallen hat, wird mit der „Zauberflöte“ wieder richtig gestellt. Am heutigen Abend spielt das Festivalorchester Immling auf und Cornelia von Kerssenbrock macht heute dort weiter, wo sie bei der „Carmen“ aufgehört hat. Das exakt spielende Orchester wird von ihr mit leichter Hand, die aber auch wenn es erforderlich ist, die entsprechende Strenge verbreiten kann, geleitet. Auch heute gehen Orchester und Dirigentin auf die Sänger ein, so dass diese sich voll entfalten können, ohne über irgendwelche Orchesterwogen hinwegbrüllen zu müssen, wie es leider bei manchen Dirigenten immer häufiger üblich ist. Nein, hier in Gut Immling nimmt man Rücksicht aufeinander, das Publikum merkt dies und honoriert dies mit teilweise großem Applaus.

Maximilian Krummen als Papageno und Tijana Grujic als Pamina

Das Bühnenbild und die Kostüme von Corinna Gassauer sind ansprechend, sehr farbenfroh und passen in die Inszenierung. Der junge chinesische Tenor Chuanliang Wang verkörpert Tamino. Er, der aus Peking anreiste und beim Gesangswettbewerb in Immling den ersten Preis einheimste, bekam von Ludwig Baumann gleich die Rolle des Tamino angeboten und er füllt diese überraschend professionell aus. Sein warmer, leichter, strahlender lyrischer Tenor wird von ihm rollendeckend eingesetzt und er bringt für seine Jugend und Ausbildung eine völlig überzeugende Rollenverkörperung auf die Bühne. Fein differenziert, mit weichem, viele Feinheiten auskostenden Tenor bekommt er viel Applaus, für dieses beeindruckende Debüt. Auch darstellerisch ist er vollkommen „im Bild“ und macht seine Sache mehr als ausgezeichnet. Als Pamina steht ihm Tijana Grujic gegenüber. Die junge serbische Mezzo-Sopranistin wechselte erst vor drei Jahren in das Fach des lyrischen Soprans und hat damit stimmlich von beiden Stimmlagen einiges zu bieten, was der Rolle sehr zu Gute kommt. Mit weichem vollem und sicher geführtem Material gibt sie eine überzeugende Rollengestaltung und kann auch vom darstellerischen punkten. Maria Kublashvili kommt aus Georgien und singt eine blitzsaubere koloratursichere Königin der Nacht, die ihre Koloraturen wie gestochen in die Luft wirft. Mit dramatischem Ausdruck setzt sie präzise und blitzsauber Ton für Ton.

Maximilian Krummen als Papageno und Siglind Buchmayer als Papagena

Es macht Spaß diesen Tönen zu lauschen. Maximilian Krummen ist Papageno. Der junge Bariton, der in Fürth in Franken geboren wurde, kann stimmlich voll überzeugen. Mit kräftiger Stimmgewalt, die auch ein breites Spektrum umfasst, weiß er zu überzeugen. Vom darstellerischen ist er sehr bemüht und kann den bunten Vogel Papageno überzeugend am Publikum vorbeiziehen lassen. Seine Papagena ist in ihrer recht kurzen Rolle eine reizende Siglind Buchmayer, die mit klarem frischen Sopran genau in die Rolle passt. Der Bassist Giorgi Kirof gibt mit mächtiger Röhre Sarastro und beeindruckt sowohl von der Stimme als auch von der Ausstrahlung und Statur. Thomas Stückemann gibt den Monostatos, er fügt sich gut in die Rolle ein, stimmlich ist er mir etwas zu zurückhaltend. Alle weiteren Rollen, vor allem auch die drei Knaben sind sehr gut besetzt, es gibt im gesamten Ensemble keinen Ausfall. Lobend sei wieder der Festivalchor Immling erwähnt, der - wie immer - vor allem durch seinen bedingungslosen Einsatz punktet. Ich gehe beschwingter aus dieser Aufführung heraus als am Vortag. Insgesamt gesehen ist es ein festivalwürdiges Programm, ich bin gespannt, was sich Ludwig Baumann, seine Frau Cornelia und deren Schwester Verena von Kerssenbrock fürs nächste Jahr einfallen lassen wird. Eines ist jetzt schon sicher, dem Zauber von Gut Immling kann man sich einfach nicht entziehen.

Manfred Drescher 25.07.16

Bild 2 bis 4 Nicole Richter, Bild 1, 5 bis 7 Opernfestival Immling

 

 

TOSCA & HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN

verzaubern Gut Immling 2015

Besuchte Vorstellungen 24. Juli 2015 und 25. Juli 2015

Premieren 19. Juni 2015 und 04. Juli 2015

Auch bei fast tropischen Temperaturen ist Gut Immling ein einmaliges Erlebnis

Wie jedes Jahr Fahrt in den Chiemgau und wieder einmal die Erwartung, dass es ja einmal etwas schwächer mit den Aufführungen wird und der Rezensent auch endlich ein paar kräftige Kritikpunkte anbringen kann, warum heißt er denn sonst Kritiker? Das Ende vom Lied, wie jedes Jahr hochbefriedigt und der ganz feste Vorsatz zum 20jährigen Jubiläum im nächsten Jahr natürlich wiederzukommen. Gut Immling besitzt ein gewisses Rauschpotential, wer einmal davon befallen wird, kommt eigentlich nicht mehr davon los – oder nur sehr schwer.

Im Gespräch mit dem Opernfestival-Intendanten und Opernsänger Ludwig Baumann kann man auch in diesem Jahr wieder die Leidenschaft erkennen, mit der er sich mit seiner Frau, der musikalischen Leiterin Cornelia Gräfin von Kerssenbrock in das Wagnis Festspiel stürzt, wie er und seine Frau ihr ganzes Herzblut in diese Aufgabe stecken – und das merkt man in Gut Immling an allen Ecken und Kanten. Und nicht nur diese beiden Hauptakteure sind mit Leib und Seele dabei, auch alle anderen, so die Schwester der Dirigentin Verena von Kerssenbrock, die für „Hoffmanns Erzählungen“ ein hervorragendes Bühnenbild zaubert, einfach, aber extrem beeindruckend und auch ihre Inszenierung hat Hand und Fuß, der „Bühnenbildner“ Claus Hipp, der wieder alles in die „Tosca“ legte und ein beeindruckend einfaches aber äußerst vielseitig verwendbares Bühnenbild schuf  und so könnte man weiter vorangehen. Das große Sternenzelt von Gut Immling, ein ehemaliges Zirkuszelt, welches weit über 500 Personen aufnimmt, kann vor und nach der Vorstellung besucht werden.

Hier kann man die Künstler – auch das sicher einmalig in der Szene – in Liedern und Arien noch lange nach Ende der Oper erleben, dabei ein exzellentes internationales Buffet oder auch ein Essen á la carte genießen, welches von der guten Seele des Siam Restaurants, der äußerst netten, aufmerksamen und kompetenten Chefin Hilde Chueprasert zusammen mit Son Chueprasert und vielen anderen verantwortet wird. Hilde Chueprasert springt von Tisch zu Tisch, gehen kann man dazu nicht sagen, denn sie ist immer in Bewegung, die mit jedem ein nettes Wort wechselt, dabei alles im Griff hat, das ist schon außergewöhnlich. Aber hier in Gut Immling ist halt alles ein bisschen außergewöhnlich. Hier spielt alles zusammen, auch der Zusammenhalt der Künstler ist einmalig, die hier bei den Proben auch menschlich zusammenwachsen, gemeinsam mit den vielen Tieren, die auf dem Gnadenhof von den Baumanns nach einem erfüllten Leben, ihre letzte Reise gut versorgt und liebevoll behütet, antreten können.

All das ist eine Komposition, die mich jedes Jahr aufs Neue schwärmen lässt, und die mich auch veranlasst, wo ich es kann, für diese einmaligen Festspiele zu werben. Immer wieder Höchstleistung zu bieten und oftmals an die finanziellen Grenzen zu stoßen und nicht immer zu wissen, ob es im nächsten Jahr genügend Sponsoren gibt, ist auch nicht unbedingt ein erstrebenswertes Lebensziel. Bei den Baumanns scheint es aber so zu sein, denn sie haben bisher alle noch so schwierigen Untiefen bravourös umschifft und ich wünsche Ihnen von Herzen, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Wie habe ich im letzten Jahr geschrieben: „Jeder Opernliebhaber sollte mindestens einmal in seinem Leben nach Gut Immling gefahren sein (wobei, wenn er einmal dort war, er immer wieder kommen dürfte).“ In diesem Jahr hatten wir in der Pause zu „Tosca“ wieder einen wunderschönen Sonnenuntergang (auch das gehört zu Gut Immling), den ich Ihnen nicht vorenthalten will. So, jetzt wenden wir uns aber der ersten Oper in diesem Jahr, der „Tosca“ zu.

Am ersten Abend „Tosca“ von Giacomo Puccini. Der Regisseur Karsten Bohn verlegt das Stück vom Jahr 1800 in das Jahr 1940 und erzählt von einer Frau, die in die große Politik gerät und dort aufgerieben wird. Das Böse breitet sich überall aus und ist fast nicht aufzuhalten. Ledermantel, ein imaginärer Polizeistaat,

überall sitzt der Schrecken und der Tod, die Menschen können dem nicht entfliehen. Schlicht und einfach gehalten, ebenso wie die Bühne von Claus Hipp. Acht große verschiebbare Säulen, rechteckig und den jeweiligen Verhältnissen angepasst, bestimmen das Bühnengeschehen. Eine stimmige Lichtregie (verantwortlich Arndt Sellentin) , die alles in die entsprechenden Farben taucht, düster und hoffnungslos. Die Kostüme von Bettina Richter passen sich dem an. Florian Maier ist für die Dramaturgie zuständig. Man hat hier mit geringem Einsatz der entsprechenden Mittel den optimalen Effekt erzeugt. Man muss dabei ja auch immer die Gegebenheiten der Bühne von Gut Immling in Betracht ziehen. Ich bin ja ein Verfechter der „alten“ Inszenierungen, nicht desto trotz ist diese Tosca durchaus ansehenswert. Die Münchner Symphoniker haben einen guten Tag unter der energischen und zielstrebigen Leitung von Cornelia von Kerssenbrock. Ohne große Gestik kann sie das Orchester führen, die Schicksale der einzelnen Handelnden herausarbeiten und zum Höhepunkt hinarbeiten.

Sie ist auch eine gefühlvolle Begleiterin der Sänger, die nicht unter den Klangwogen zugedeckt werden, obgleich das Orchester in den rein orchestralen Passagen wohl zu zeigen weiß, was alles in ihm steckt. Eine beeindruckende Leistung von Dirigentin und Orchester. Ebenso beeindruckend wie in jedem Jahr der Festivalchor Gut Immling. Dieser Laienchor, in dem jeder Sänger sich in die Rolle wirft, als wenn er den Hauptpart der Oper singt, ist schon sehr beeindruckend, die Leidenschaft und die Gefühlsaufwallungen der Chormitglieder sind sicherlich beispielhaft. Für die Einstudierung des Chores zeichnet auch Cornelia von Kerssenbrock verantwortlich.

Als Tosca brilliert die junge russische Sopranistin Elena Stikhina. Sie tritt zum ersten Mal in Gut Immling auf und ich kann nur hoffen, dass es nicht zum letzten Mal sein wird. Ihr kräftiger wohltönender Sopran, der darüber hinaus mit beeindruckenden leuchtenden Höhen brillieren kann, reißt das Publikum zu Beifallstürmen hin. Ein sicheres Piano, welches in den Raum zu schweben scheint, kann ebenfalls äußerst beeindrucken. Auch darstellerisch kann sie einen überzeugenden Part bieten, obwohl sich hier sicher noch einiges feilen lässt. Der innige Zusammenhalt fehlt ein ganz klein bisschen, aber dies ist nur ein beckmesserischer Einwand, insgesamt eine überdurchschnittlich gute Tosca, die auch zu Recht den Beifall auf sich ziehen kann. Ebenso wie ihr Cavaradossi, der von Mario Zhang gegeben wird. Zu ihm ist nicht allzu viel zu sagen. Er hat in Gut Immling schon als Radames, Rodolfo und Don Carlos begeistert und auch diesmal kann er sein Publikum begeistern. Sein metallischer hoher Tenor ist in jeder Position steuerbar. Eine bombensichere gewaltige Höhe und ein entsprechendes Durchhaltevermögen zeichnen ihn auch diesmal wieder aus, eine exzellente Leistung.

Darstellerisch könnte er noch etwas intensiver werden, aber Mario Zhang ist in Gut Immling einfach eine Bank, welche auch vom Publikum mit begeistertem Applaus gefeiert wird. Der edle Bariton Vladimir Chmelo, der ebenfalls aus Russland stammt, gestaltet den finsteren durch und durch bösen Baron Scarpia. Und da bin ich jetzt etwas hin- und hergerissen. Er besitzt einen wohlklingenden vollmundigen und ausdrucksstarken schönen Bariton, aber das gefährliche und grausame an Baron Scarpia kann er nur in Ansätzen verkörpern. Der chinesische Bariton Yang Li weiß in seiner kleinen Rolle als Cesare Angelotti durchaus mit weichem wohlklingendem Bariton zu überzeugen. Überzeugend sind auch zwei der Urgesteine von Gut Immling, der mit profundem wohlklingendem und durchsetzungsfähigem Bass versehene Kirill Borchaninov als Mesner und der Tenor Alik Ibrahimov mit schönen kleinen und trotzdem durchschlagskräftigem Tenor (was er und Borchaninov später im Zelt bei den Arien eindrucksvoll unterstreichen) als Spoletta. Insgesamt unter den vielen „Tosca´s“, die ich schon erleben durfte eine, die im vordersten Bereich anzusiedeln ist.

Am nächsten Abend steht die phantastische Oper von Jaques Offenbach „Hoffmanns Erzählungen“ auf dem Programm. Die Geschichte des Dichter Hoffmanns, der Stella, eine berühmte Opernsängerin liebt und mit ihr zusammenkommen möchte, sich trotzdem mit Studenten und seiner Muse betrinkt und während des Theaterauftritts Stellas die drei Geschichten seiner drei geliebten Frauen, der Puppe Olympia, der Sängerin Antonia und der Kurtisane Giuletta erzählt, endet im Rausch und in der Abkehr von Stella von ihm. Der Stadtrat Lindorf, der auch in den drei Frauengeschichten als der Bösewicht auftritt, verlässt mit ihr den Weinkeller Luthers und lässt Hoffmann verzweifelt und gebrochen zurück. Dies die unvollkommene Kurzfassung der recht verworrenen Gesamthandlung. Die Inszenierung von Verena von Kerssenbrock besticht mit ihrer Einfachheit und der damit verbundenen Transparenz. Alles ist nachvollziehbar, mit wenigen Verschiebungen auf der Bühne wird hier ein optimales – für die entsprechenden Bühnenverhältnisse Gut Immlings – Bild hergestellt. Gerade die drei „Frauenak

te“ sind farblich aufgebrochen, die Einlagen erinnern an die alten Charlie Chaplin Filme, die Masken sind bunt, teilweise knallig bunt, die Kostüme vollkommend passend, wenn auch bisweilen bis an die Grenze der Übertreibung gehend. Hier ist ausgezeichnete Arbeit geleistet worden. Einmal von Verena von Kerssenbrock, die für die Inszenierung und das Bühnenbild verantwortlich zeichnet als auch von Judith Seifert, zuständig für die Choreographie, Wiebke Horn, die sich bei den Kostümen austoben kann, bei Arndt Sellentin für das Lichtdesign und für die Dramaturgie zeichnet wieder Florian Maier verantwortlich. Das Festivalorchester Gut Immling, welches aus jungen Musikern aus über 14 Nationen besteht, u.a. von Georgien über Holland, Mazedonien, Rumänien, Frankreich, Österreich bis Australien und Bayern wird, souverän wie immer, von Cornelia von Kerssenbrock geleitet. Und wie sie es leitet, traut man dieser zarten Hand gar nicht zu. Leidenschaftlich, straff, die Tempi forsch nehmend, in den reinen Orchesterpassagen lässt sie dieses auch einmal „aus sich herausgehen“ um es bei der Begleitung ihrer Sänger wieder entsprechend zurückzunehmen. Sie ist eine sensible und vollkommen sichere Begleiterin und Lenkerin des Orchesters und des Festivalchores Gut Immling, der auch im Hoffmann glänzen kann und dies zur Genüge tut. Ein Aktivposten wie in jedem Jahr – einstudiert natürlich auch von Verena von Kerssenbrock.

Hoffmann wird von Niclas Oettermann gegeben und obwohl ich anfangs etwas skeptisch war, hat er mich mit seiner Interpretation voll überzeugt. Sein nobler, weicher, aber auch zum metallischen Strahlen gelangender Tenor ist in jedem Moment präsent, ebenso wie sein differenziertes und überzeugendes Spiel. Er bringt den zerrissenen taumelnden und sich selbst zerfleischenden Dichter eindrucksvoll auf die Bretter. Eindrucksvoll ist auch sein weiblicher Gegenpart, die Sopranistin Tatiana Larina, die alle vier Frauenpartien, die sehr unterschiedlich angelegt sind, verkörpert. Und dies tut sie mit Bravour. Die junge Russin stellt sich stimmlich überzeugend auf die Puppe ohne Seele Olympia ein, ebenso wie auf die lenkbare und sensible Sängerin Antonia, auch die Kurtisane Giuletta, die kühl und männermordend bzw. seelenstehlend auftritt, kann sie glänzend verkörpern. Ihr schöner geschmeidiger und ausdrucksstarker Sopran passt sich den unterschiedlichen Rollen optimal an, insgesamt gesehen ein total gelungener Auftritt. In der Rolle der Bösewichte Lindorf, Coppelius, Dapertutto und Dr. Miracle weiß Rhys Jenkins zu überzeugen. Vor allem mit seiner Spiegelarie kann er beim Publikum punkten. Der Waliser bringt eine überzeugende Leistung in allen Rollen Sein durchschlagskräftiger vollmundiger Bariton weiß zu überzeugen und das Publikum zu begeistern. Als Muse/Niklausse ist Antonela Barnat eine überzeugende Besetzung. Die Mezzosopranistin, die den vergeblichen Kampf kämpft Hoffmann vor sich selbst zu schützen bietet eine gute Vorstellung, sowohl vom stimmlichen als auch vom darstellerischen her. Der junge Tenor Bonko Karadjov weiß das Publikum als Andrés, Spanlanzi und Frantz zu überzeugen und teilweise auch zu Lachstürmen hinzureißen. Seine kleinen Auftritte macht er zu kleinen Paradestückchen und kann auf der ganzen Linie punkten. In den weiteren Rollen überzeugen Yang Li als Hermann und Schlemihl, Kirill Borchaninov als Crespel und Luther und Petri Vesa als Pitichinaccio.

Auch in diesem Jahr war ich wieder beeindruckt von Gut Immling, dem Ambiente und den Aufführungen – und irgendwie hat man das Gefühl, dass sich die Leistungen von Jahr zu Jahr noch steigern, obwohl dies kaum möglich sein kann. Das Geheimnis des Jubiläumsjahres 2016 hat Ludwig Baumann nur ein kleines bisschen geöffnet. Zum 20jährigen Jubiläum wird auf jeden Fall „Die Zauberflöte“ auf dem Programm stehen, das Stück, mit dem der Erfolg von Gut Immling begonnen hatte. Ich kann wie jedes Jahr nur empfehlen sich einmal hier im Chiemgau umzusehen und einen Blick auf die Festspiele zu werfen – es wird dann mit Sicherheit nicht der letzte gewesen sein.

Manfred Drescher 02.08.15

Bild 1 Opernfestival, Bild 2 Eigenaufnahme, Bild 1-3,4 und 6 Nicole Richter; Bild 5 Verena von Kerssenbrock

 

BAJAZZO / DER MANTEL

OTELLO

Besuchte Vorstellungen 26. Juli 2014 und 27. Juli 2014

(Premieren 5. Juli 2014 und 21. Juni 2014)

Es macht einfach Spaß in Gut Immling Oper zu erleben

Auch in diesem Jahr pilgerte ich mit meinen Freunden nach Gut Immling, in der Erwartung, dass es auch einmal schwächere Aufführungen gibt, weit gefehlt, auch in diesem Jahr fuhren wir wieder hochbefriedigt nach Hause. Nicht nur, dass wir eine exzellente Aufführung von „Bajazzo“ und „Der Mantel“ sahen, eine Kombination, die eher ungewöhnlich ist, aber hier durchaus stimmig zwei Dramen auf der Bühne aufzeigte, nein wir konnten auch einen hervorragenden „Otello“ in einer Aufführung für behinderte Menschen erleben. Dies war auch für uns ein ganz besonderes Erlebnis, ich werde später darauf noch etwas genauer eingehen. Vor der ersten Aufführung wurden wir vom Opernfestival-Intendant und Opernsänger Ludwig Baumann empfangen und in einer ausgesprochen lockeren Atmosphäre wurde uns eine Einführung in die Opern gegeben. Ludwig Baumann, der jetzt ja bereits über ein Jahr mit der musikalischen Leiterin Cornelia Gräfin von Kerssenbrock verheiratet ist, merkt man in jeder Sekunde an, mit welcher Hingabe und welchem Herzblut er zu diesem seinem Festival steht. Es ist jedes Jahr wieder ein enormer Kraftakt, dies alles auf die Beine zu stellen, dafür zu sorgen, dass entsprechende Sponsoren im Boot sitzen, das eindrucksvolle Künstler verpflichtet werden und dass ein Ambiente geschaffen wird, welches man so in keinem Opernhaus der Welt erleben dürfte. Ich gebe ganz offen zu, ich liebe Gut Immling und bei den beiden Hauptakteuren, Ludwig Baumann und Cornelia von Kerssenbrock ist es mit Sicherheit noch viel ausgeprägter. Das Festival steht und fällt – nach meiner unmaßgeblichen Ansicht – mit diesen beiden herausragenden Persönlichkeiten, die das Glück haben, ein engagiertes und arbeitsfreudiges Team um sich geschart zu haben. Wollen wir hoffen, dass diese Schaffenskraft noch viele Jahre bestehen bleibt, die Sponsoren nicht ausgehen und deshalb immer wieder teilweise Sternstunden für Opernfreund zu erleben sind. Jeder Opernliebhaber sollte mindestens einmal in seinem Leben nach Gut Immling gefahren sein (wobei, wenn er einmal dort war, er immer wieder kommen dürfte). So, aber kommen wir jetzt zum ersten Abend, zur Aufführung von „Bajazzo“ von Ruggero Leoncavallo und „Der Mantel“ von Giacomo Puccini.

Begonnen wird mit „Bajazzo“ von Ruggero Leoncavallo und nach der Pause kommt „Il Tabarro“ – „Der Mantel“ von Giacomo Puccini. Die Inszenierung hat Verena von Kerssenbrock übernommen und sie baut eine schlichte einfache Bühne, die für beide Stücke mit wenigen Handgriffen umgestaltet werden kann. Zusammen mit Wiebke Horn zeichnet sie auch für die Kostüme verantwortlich und auch hier können sie beim mitgehenden Publikum punkten. Schnörkellos, dafür umso beeindruckender läuft die Mär um Liebe und Eifersucht ab und zieht die Zuhörer in ihren Bann. Der „Bajazzo“ beginnt mit einem Paukenschlag, dem kraftvoll und leidenschaftlich gesungenen Prolog, mit welchem sich Jacek Strauch stimmgewaltig einführt und diese Leistung kann er in der Verkörperung des liebestrunkenen, schmierigen und zuletzt hasssüchtigen Tonios, dem Tölpel, der das tragische Ende einläutet, halten. Sein kräftiger voller und stimmschöner Bariton weiß zu überzeugen. Er, der in Nedda, der Frau Canios, des Bajazzos verliebt ist und von ihr zurückgestoßen wird, sinnt auf Rache. Er schürt die Eifersucht Canios, der nicht weiß, dass der junge Silvio der heimliche Geliebte Neddas ist. Im komödiantischen Spiel vor versammeltem Publikum verschwimmen Wirklichkeit, Realität und Spiel. Canio kann nicht mehr dazwischen unterscheiden und ermordet vor der entsetzten Menge sowohl seine Frau Nedda als auch den jungen Silvio. „Geht heim – das Spiel ist zu Ende“ setzt den Schlusspunkt über ein tatsächlich geschehenes Verbrechen, welches von Leoncavallo vertont worden war.

Canio wird von Alexander Schulz verkörpert und er tut dies ausgezeichnet. Sein strahlender, nicht müde werdender hoher Tenor, der sich in leidenschaftliche Töne aufschwingt, beeindruckt die Zuhörer. Sein „Lache, Bajazzo“ wird zum Höhepunkt, der jedes Lachen im Keim ersticken lässt. Seine Mitspieler erstarren während seiner großen Arie, was diesem leidenschaftlichen Stück noch mehr Intensität verleiht. Stimmgewaltig verkörpert Alexander Schulz den zerrissenen Canio, der am Ende nicht mehr zwischen Schein und Wirklichkeit unterscheiden kann und das Stück zum tragischen Ende führt. Neben ihm durchaus ebenbürtig Liine Carlsson als seine Frau Nedda. Die junge Schwedin, die kurzfristig für die erkrankte ursprüngliche Besetzung eingesprungen ist, ist mit absoluter Sicherheit kein Lückenbüßer. Leidenschaftlich mit leuchtend hellem, alles überstrahlendem Sopran verkörpert sie ihre Rolle. Natürlich, effektvoll, stimmgewaltig und stimmschön ist sie eine ausgezeichnete Nedda. Das Publikum hat sie von der ersten Sekunde an auf ihre Seite gezogen. Beide Hauptakteure werden mit tosendem Beifall - und dies völlig zu Recht - bedacht. Yang Li singt den jungen Bauern Silvio, der Nedda leidenschaftlich liebt und schließlich, weil er sich bei ihrem Tod zu erkennen gibt, auch sterben muss. Er beeindruckt mit seinem weichen, jedoch durchaus tragfähigen und durchsetzungsfähigem Bariton, besonders im Liebeduett mit Nedda. Bei den vielen weiteren Protagonisten gibt es keinen Ausfall, sie fügen sich nahtlos in das Geschehen ein. Das große Festivalorchester Gut Immling, junge Musiker aus etwa 14 Nationen, u.a. von Georgien über Rumänien, Frankreich, Holland, Mazedonien bis Australien, Österreich und Bayern wird, wie sollte es anders sein, von der Immlingerprobten Cornelia von Kerssenbrock geleitet. Und sie leitete es nicht nur, sie lässt es aufblühen, sich zu leidenschaftlichen Ausbrüchen emporschwingen, sich in den leisen Passagen selbstlos zurücknehmen, um dann wieder mit brausender Leidenschaft voll zu erblühen. Dieser zarten Hand traut man fast diese geballte Leidenschaft nicht zu, aber sie exerziert sie jedes Jahr aufs Neue. So wie Ludwig Baumann ein Glücksfall für den Chiemgau ist, ist seine Ehefrau ein Glücksfall für die Orchester, ob es das Festivalorchester oder auch die Münchner Symphoniker sind. Sie lebt und atmet mit ihren Musikern und treibt sie so zu einer ausgezeichneten Leistung. Das auch der immer wieder – zu Recht – lobend erwähnte Laienchor seinen Teil zum Gelingen beiträgt, ist in Gut Immling schon selbstverständlich. Es ist auch immer wieder eine Freude, dem Chor zuzusehen, mit welcher Leidenschaft und welchen Gefühlsbewegungen er sich in das Geschehen einbringt. Man merkt den Frauen und Männern aus dem Chiemgau an, dass sie sich jedes Jahr auf diesen Auftritt freuen und auch sehr hart dafür arbeiten.

Dann kommt die Pause, Zeit zum Erholen und zum Verschnaufen und dann geht es weiter. Die zweite schauerliche Mär beginnt, „Il Tabarro – Der Mantel“ von Giacomo Puccini. Die drei Hauptfiguren in Bajazzo, Canio, Nedda und Tonio werden hier praktisch als Michele, Giorgetta und Luigi neu aufgestellt. Und auch diese Oper endet wieder tragisch, nur sind diejenigen, die auf der Bühne ihr Leben aushauchen andere. Michelle und Giorgetta, einst innigst ineinander verliebt, haben sich durch den Tod ihres Kindes auseinandergelebt und leben mehr oder weniger nur noch nebeneinander her. Michelle versucht die alte Liebe und Leidenschaft bei Giorgetta wieder zu entfachen, diese aber landet auf der verzweifelten Suche nach Glück und einem besseren Leben in den Armen Luigis. Alle in diesem Stück tragen ein Päckchen mit sich herum und sehnen sich nach einer besseren Welt. Luigi will Giorgetta nicht mehr mit Michelle teilen und sie verabreden sich, um vielleicht gemeinsam in ein besseres Leben zu fliehen. Giorgetta soll ein Zündholz, zum Zeichen dass Luigi kommen kann, anzünden. Michelle, der über sein Leben und seine Beziehung grübelt, vor allem an die Zeit zurückdenkt, an welcher sein Sohn und Giorgetta unter seinem Mantel Zuflucht fanden, zündet sich eine Pfeife an, dies verwechselt Luigi mit dem vereinbarten Zeichen und kommt worauf ihn Michelle erdrosselt. Giorgetta kehrt zurück und fragt ihren Mann, ob sie noch einmal unter dem Mantel Zuflucht finden kann. Michelle öffnet den Mantel, sie bricht an Luigis Leiche zusammen, während wie in „Bajazzo“ auch hier die letzten Worte sind „Die Komödie ist beendet“. Jacek Strauch überzeugt auch hier erneut mit einer Stimmgewalt, mit Ausbrüchen, die aus ihm herausbrechen, ebenso wie Alexander Schulz, der seinen exzellenten Tenor leidenschaftlich in der Partie des Luigi auskosten kann. Daneben zart, stimmgewaltig, leidenschaftlich, Liine Carlsson als Giorgette, die am Ende keine Perspektiven mehr für sich hat. Die musikalische Gestaltungskraft von Cornelia von Kerssenbrock ist ungeschmälert, sie macht weiter, wo sie im „Bajazzo“ aufgehört hat und bringt das Drama mit einer ungeheureren Intensität im Orchester zum entsetzlichen Höhepunkt. Alle Beteiligten, bei welchem ich – ohne die anderen abwerten zu wollen – nur einmal das Gut Immlinger Urgestein Alik Ibrahimov hervorheben möchte, sind ohne Fehl und Tadel, es gibt keinen Ausfall im Ensemble. Fast nicht endend wollender Applaus für zwei leidenschaftliche Stücke, leidenschaftlich gesungen und dargeboten und orchestral leidenschaftlich begleitet. Gut Immling bleibt Gut Immling. Im Anschluss ging man, noch beeindruckt von dem gehörten und gesehenen ins große Festzelt zurück um sich auch noch lukullisch etwas zu stärken. Ja, und da gab es dann auch wieder den hautnahen Kontakt mit den Opernstars des Abend und der kommenden Aufführungen. Über zwei Stunden lang wurde nach dem Opernereignis noch ein Konzert der großen Stimmen geboten – und dies gibt es nirgendswo, in keinem mir bekannten Opernhaus der Welt. Man kann es fast nicht fassen wie Alik Ibrahimov und viele andere eine Arie nach der anderen am Flügel zu Gehör bringen und der Applaus will fast nicht enden. Und auch das gehört zur Einzigartigkeit von Gut Immling.

Am nächsten Tag haben wir die Freude die Aufführung von Giuseppe Verdis „Otello“ in einer geschlossenen Veranstaltung für behinderte Menschen zu erleben. Fast 60 Rollstuhlfahrer mit ihrer Begleitung und 350 Behinderte sind die Gäste bei diesem Ereignis. Seit vielen Jahren wird dies von Ludwig Baumann und einer Vielzahl von Helfern und vor allem auch Sponsoren (ohne die das nicht ginge) durchgeführt. Es müssen viele Sitzreihen herausgenommen werden, damit die Rollstühle Platz finden, es ist auch eine organisatorische Meisterleistung, dies zu bewerkstelligen. Aber der Aufwand lohnt sich. Ich habe selten so begeisterungsfähige Menschen wie an diesem Tag erlebt. Sie gehen mit der Musik mit, sie freuen sich, sind aber in den stillen Passagen mucksmäuschenstill und lauschen voller Inbrunst der herrlichen Musik von Giuseppe Verdi. Diese Menschen gehen mit, wie man es in normalen Vorstellungen praktisch nicht so oft erleben dürfte. Eine Auszeichnung für diese einmalige Idee und die exzellente Ausführung. Dieser „Otello“ beeindruckt als Oper, aber auch mit der Einmaligkeit und tiefer Verwurzelung des besonderen Publikums. Ein ganz großes Lob für diese einmalige Idee.

Die Geschichte von Otello, dem Mohren von Venedig, dem Befehlshaber der venezianischen Truppen auf Zypern, ist schnell erzählt. Er liebt seine junge, schöne und treue Frau Desdemona. Jago, ein Fähnrich Otellos sinnt auf Rache, da er sich durch die Beförderung Cassios zurückgesetzt fühlt und zusammen mit Rodrigo, den Desdemona, als er zudringlich werden wollte, in seine Schranken gewiesen hatte, führt er einen fürchterlichen Plan durch. Er verwickelt Cassio in eine Schlägerei und dieser wird degradiert. Jago bittet Desdemona bei Otello für Cassio einzutreten und weckt gleichzeitig bei Otello Zweifel in die Treue Desdemonas. Ein entwendetes Taschentuch von Desdemona spielt er Cassio zu, und gleichzeitig spiegelt er dies als Erhärtung der Untreue Desdemonas vor. Otello wird immer verzweifelter und seine Eifersucht wird immer mehr geschürt. Er fasst den Plan Desdemona zu töten. Er schenkt ihren Unschuldsbeteuerungen keinen Glauben und erwürgt sie. Emilia deckt die Intrigen Jagos auf, doch für Desdemona ist es zu spät. Magdalena Fuchsberger hat dieses Drama inszeniert. Sie zeigt Otello als hilflosen, unentschlossenen, schwachen Menschen. Frau Fuchsberger legt Wert auf eine Personenführung, die verschiedene Interpretationen zulässt und dies ist ihr vorzüglich gelungen, auch im Zusammenspiel mit der wieder einmal hervorragenden Erarbeitung des Bühnenbildes durch Claus Hipp. Es ist schon eine Riesenleistung an und für sich, für diese, doch etwas problematische Bühne, die kaum Gestaltungsmöglichkeiten zulässt, etwas Ordentliches zu schaffen. Claus Hipp gelingt dies seit vielen Jahren bravourös.

Cornelia von Kerssenbrock ist auch an diesem Nachmittag eine beeindruckende Begleiterin. Sie fordert die Musiker der Münchner Symphoniker und diese folgen ihr willig. Mit einer Urgewalt, einem rollendem Gewitter gleich, beginnt sie und sie lässt von Anfang an keinerlei Zweifel, dass sie das Sagen hat bei der orchestralen Urgewalt. Die Münchner Symphoniker, kompetent wie eh und jeh, gestalten einen gewaltigen Verdi und sie tun dies mit Bravour. Bravourös auch Cornelia von Kerssenbrock und man fragt sich manchmal wirklich, wo sie all diese Leidenschaft und Beherrschung der orchestralen Urgewalt herbringt. Eine ganz beeindruckende Leistung von Dirigentin und Orchester. Ebenso beeindruckend wie eh und je der Festivalchor Gut Immling bei welchem fast jeder ein kleiner Individualsolist ist (mit solcher Leidenschaft werfen sie sich in die Partitur).

Der Otello von Efe Kislali, ein junger türkischer Tenor, ist eine Ausnahmeerscheinung. Vom körperlichen her ein „Riese“ ist sein beweglicher, baritonal gefärbter Tenor, der jedoch auch alle leidenschaftlichen Höhen problemlos auskosten kann eine rollendeckende Besetzung. Teilweise gewaltig und den Raum füllend bringt er eine Gestaltung auf die Bühne, die man so nicht allzu oft zu hören bekommen wird. Dunkel gefärbt, dennoch leuchtende Spitzentöne, ein Otello, von dem man sicher noch viel hören dürfte. Ihm zur Seite eine Desdemona, die zart und gleichzeitig durchschlagskräftig mit einer leuchtenden klangvollen farbigen Stimme ausgestattet, eine restlos überzeugende Leistung auf die Bühne bringt. Die junge Sopranistin, Deniz Yetim kommt ebenfalls aus der Türkei, ist ein wahrer Glücksgriff. Unglaublich zart und anrührend gestaltet sie ihre Partie mit einem innigen Piano, zart im Raum des Theaterrundes verfliegend ihr letztes „Ave Maria“. Sie ist, auch nach dem Willen von Magdalena Fuchsberger eine gleichwertige Partnerin Otellos. Beide können tosenden Applaus des Publikums einheimsen. Dies kann auch Rhys Jenkins als Jago. Der Waliser bringt eine tolle Leistung auf die Bühne. Sein Erscheinungsbild, des etwas übergewichtigen blondschopfigen Jagos, passt eigentlich überhaupt nicht zum gängigen Klischee dieser Figur, die von einem dunklen, hasszerfressenen Intriganten ausgeht. Hinter seiner Fassade, die Freundlichkeit verspricht, versteckt sich jedoch die ganze zügellose Leidenschaft eines durch und durch bösen Menschen. Beeindruckend sein leidenschaftlich herausgeschleudertes „Credo“, welches einem Schauer über den Rücken laufen lässt. Auch hier wieder bei der übrigen Besetzung ausgesprochen rollendeckende Leistungen, so Joska Lehtinen als Cassio, Jacek Janszewski als Ludovico, Marius Zaharia als Rodrigo, Irakli Gorgoshidze als Montano, Antonela Barnat als Emilia und Bogdan Ilisie als Herold.

Um es kurz zusammenzufassen, ich war wieder einmal beeindruckt von Gut Immling, den Aufführungen und dem ganzen Ambiente. Das Geheimnis, was im nächsten Jahr gespielt werden wird, wird Ludwig Baumann irgendwann Ende September lüften. Ich kann jedem, der noch nicht hier war, raten einmal die Reise in den Chiemgau anzutreten, ich jedenfalls wäre gerne noch länger geblieben.

Manfred Drescher    9.8.14

Bilder Nicole Richter und Verena von Kerssenbrock

 

 

Immling 2013  -  Gut Immling steigert sich von Jahr zu Jahr

LA TRAVIATA

LUCIA DI LAMMERMOOR

 „La Traviata“ am 03.08.2013 und „Lucia di Lammermoor“ am 04.08.2013

 

Aufführungen wie aus einem Guss und Überraschungen zu Hauf

Jedes Jahr habe ich mehr von Gut Immling geschwärmt und immer wieder betont, dass es nun keine Steigerung mehr gibt. Dies werde ich jetzt einfach nicht mehr schreiben, weil ich mich sonst von Jahr zu Jahr unglaubwürdig mache. In diesem Jahr erlebten wir eine ganz tolle „La Traviata“ und eine sensationelle „Lucia di Lammermoor“ – doch für einen weiteren Paukenschlag hatte der rührige

Opernfestival-Intendant und Opernsänger Ludwig Baumann und die musikalische Leiterin Cornelia Gräfin von Kerssenbrock selbst gesorgt. Sicher, man wusste schon lange, dass die beiden ein Paar sind, aber jetzt haben beide Nägel mit Köpfen gemacht. Am 31.05.2013 heirateten beide und strahlten zu Recht, obwohl der Himmel weinte und es in Strömen goss. Der Rezensent geht davon aus, dass es Freudentränen waren, die der Himmel weinte. Es sei erlaubt, den beiden alles erdenklich Gute und alles Glück dieser Welt zu wünschen und beiden weiterhin ein so gutes Händchen beim Opernfestival Gut Immling zu besitzen.

Als erste Aufführung waren wir in „La Traviata“ und man konnte sehen, mit welchen einfachen Mitteln man auf die nicht unbedingt leicht zu bestückende Gut Immlinger Opernbühne, Leben vermitteln konnte. Die Regisseurin Waltraud Lehner aus München arbeitet mit übergroßen Türelementen und grau gehaltenen Polstern – aufgelockert von gut verteiltem modernen Zubehör. Violettas Krankheit wird in unsere Zeit transportiert, sie hat statt Tuberkulose Krebs, sie muss keine Hustenanfälle durchstehen, am Ende der Oper zieht sie sich langsam die Perücke vom Kopf, barfüßig und barhäuptig steht sie da, ein zartes Tuch, einen Schleier um den Hals, in einem hauchzarten Sommerkleidchen.

Es ist erschütternd, wenn sie diesen Tod stirbt, inmitten der Gesellschaft, an genau dieser Gesellschaft. Sonia Ciani, die glutvolle Römerin, ist hinreißend schön, mit ihrer roten Mähne und ihrem engagiertem Spiel, fast zu vital für die Figur der Violetta. Aber sie sieht nicht nur hinreißend aus, sie singt auch so. Zart und zurückhaltend, jedoch gleichzeitig leidenschaftlich und furios, die Koloraturen perlend hintereinander gesetzt und mit wunderschönem Piano. Ihr zur Seite ein leidenschaftlicher Alfredo. Fulvio Oberto prunkt mit einer bombensicheren glänzenden Höhe, mit viel emotionaler Leidenschaft, manchmal fast zu leidenschaftlich. Das große Liebesduett im letzten Akt treibt vielen der Zuschauer Tränen in die Augen. Was kann man sich von einem Opernabend mehr erwarten. Als Vater Germont glänzt der rumänische Bariton Adrian Marcan

Mit großem raumfüllendem Bariton zeichnet er den Vater zu Beginn als einen verabscheuungswürdigen Lustgreis. Er versucht Violetta zu begrabschen, während er ihr einen Moralvortrag hält. Er spielt einen gegen den anderen aus, bis er am Schluss doch etwas geläutert erkennt, dass Violettas Liebe zu seinem Sohn einzigartig ist. Keine Ausfälle gab es bei den weiteren Besetzungen mit Julia Stein als Flora, Katherina Wittmann als Annina und dem Gut Immling erprobten und gestählten „alten Haudegen“ Alik Ibrahimov als Gastone. Die Münchner Symphoniker werden von Cornelia von Kerssenbrock schnörkellos und direkt geleitet. Sie macht keine großen Mätzchen, sie lässt Verdi erschallen und erblühen. Das Orchester ist auch der geeignete Klangteppich für den immer wieder zu Recht zitierten Laienchor, der wie stets grandios eingestellt ist und die Szenerie belebt. Insgesamt eine stimmige Aufführung, die viel Szenenapplaus und einen langanhaltenden Schlussapplaus – völlig zu Recht – einheimsen kann.

Ja – und nach einer ganz tollen „La Traviata“ kam erneut eine Steigerung zum Vorjahr. Gaetano Donizettis Meisterwerk „Lucia di Lammermoor“ stand auf dem Spielplan und ich nehme es vorweg, das Publikum war restlos begeistert, ich habe selten so intensive Zwischenapplause und einen so fulminanten Schlussapplaus gehört, wie an diesem Abend. Und alles zu Recht. Es gab bei der kompletten Inszenierung keinen Ausfall und einen strahlenden Stern, aber der Reihe nach. Zu aller erst einmal einen großen Applausstern an die Regisseurin Verena von Kerssenbrock und ihren kongenialen Bühnenbildner Claus Hipp. Sie machen nicht nur das Beste sondern das Optimalste aus der Bühne in Gut Immling. Eine Bühne mit einer umlaufenden Empore, die durchgehend genutzt wird. Aufplatzende Wände, eine goldgerahmte alles erdrückende Ahnengalerie, die immer fordernder wird, sich letztendlich zu einem Totenfeld formiert und auf eine ganz einfache, dadurch umso beeindruckendere Art das Geschehen dem Publikum näherbringt. Ein tolles Bühnenbild, zu dem man dem Gespann Kerssenbrock/Hipp nur gratuliert werden kann (und das schon über die vergangenen Jahre hinweg).

Cornelia von Kerssenbrock              ist auch an diesem Abend eine imponierende Begleiterin. Sie bringt die Musiker des Immlinger Festivalorchesters zur Höchstform, junge Musiker aus ca. 14 Nationen, u.a. von Georgien über Rumänien, Frankreich, Holland, Mazedonien bis Australien, Österreich und Bayern. Sie dirigiert zupackend und fordernd, ist aber, gerade in den Szenen mit Lucia filigran, zurückhaltend und die Sänger umschmeichelnd. Wie immer eine ganz ausgezeichnete Leistung, ebenso wie der Laienchor, den man sich kaum noch wagt so zu bezeichnen.

Und nun zur Besetzung. Und hier als erstes ein einmaliger Glücksfall für Gut Immling. Ludwig Baumann ist mit der blutjungen georgischen Sopranistin Tatiana Larina ein großes Wagnis in dieser Partie eingegangen und hat alles gewonnen. Zart und zerbrechlich steht sie auf der Bühne, verängstigt durch die Ahnen, deren Porträts ständig präsent sind und sie zu erdrücken drohen. Und wenn sie den Mund öffnet um zu singen, läuft einem ein Schauder über den Rücken. Glasklare Koloraturen, wie gestochen, Höhen, die sie ohne jegliche erkennbare Anstrengungen meistert, grandiose Spitzentöne, die das ganze über einen normalen Opernabend hinausheben. Das Publikum rast und geizt nicht mit Zwischenbeifall, nicht nur bei der berühmten Wahnsinnsarie, in welcher sie viele ihrer bekannten Vorgängerinnen fast vergessen lässt. Von dieser Tatiana Larina wird man mit Sicherheit noch viel hören.

Dank an Ludwig Baumann, der diese großartige Stimme, aber auch Person auf die Bühne in Gut Immling geholt hat. Und das tolle an dieser Aufführung ist, dass es keine Ausfälle bei den Protagonisten gibt. Der Sir Edgardo von Xavier Moreno ist ein „Hoppla hier bin ich“ Liebhaber erster Güte. Unbekümmert mit kräftigem strahlendem Tenor ist er ein kongenialer Partner von Tatiana Larina. In Barcelona geboren stellt der junge Spanier einen Liebhaber auf die Bühne, der seine Leidenschaften nicht zügelt – und das ist gut so. Im letzten Jahr hoffte ich, dass der exzellente Bass Kirill Borchaninov einmal eine größere Rolle bekommt. Ja – und dieses Jahr war es so weit. Überzeugend gab er den Raimondi, bass gewaltig, die Stimme schwarz und fulminant, dem Outfit und seiner Seele entsprechend. Eine ganz ausgezeichnete Leistung – auch vom darstellerischen her. Lucias Bruder Enrico wurde von dem amerikanischen Bariton Victor Benedetti gegeben. Mit kräftigem, durchschlagskräftigem Bariton wird er seiner Rolle ebenso gerecht wie der kraftvolle, helle Tenor von Max An als Lord Arturo und der in vielen Jahren bewährte bewegliche und sehr schöne Tenor von Alik Ibrahimov als Normanno (in der anschließenden hautnahen Begegnung mit den Opernstars im großen Festzelt sangen dann Xavier Moreno, Max An, Kirill Borchaninov, Alik Ibrahimov und viele andere dann noch eine Arie nach der anderen und so toll, dass man nicht glaubte, dass sie alle schon einen anstrengenden Opernabend mit Bravour hinter sich gebracht haben. Und auch das ist Gut Immling, einfach einzigartig!).

Zwei tolle Inszenierungen, bei welcher die „Lucia di Lammermoor“ die Nase noch ein wenig vorne hatte, machen wieder Lust auf das nächste Jahr. Im Gespräch sind „Othello“, oder auch „Der Bajazzo“. Genau wissen werden wir es voraussichtlich wieder erst Ende September bis Anfang Oktober, wenn Ludwig Baumann die Karten lüftet. Die Reise in den Chiemgau war wieder ein Erlebnis – und das werden wir mit Sicherheit auch im nächsten Jahr nicht versäumen.

Manfred Drescher, 15.08.2013               Fotos Julia Binder, Gut Immling

 

 

 

Immling 2012 - In Gut Immling ist das Bessere der Feind des Guten, der Geheimtipp,der bald keiner mehr sein wird

FIGAROS HOCHZEIT

DER TROUBADOUR

Besuchte Aufführungen „Figaros Hochzeit“ am 20.07.2012 und „Der Troubadour“ am 22.07.2012

Im letzten Jahr habe ich erneut von Gut Immling geschwärmt und versucht die Philosophie zu erklären. Und ich habe festgestellt, dass ich noch nie eine so hervorragende „Aida“ gesehen habe wie 2011. Ja – und ich war überzeugt davon, dass dies nicht mehr zu toppen ist. Ja – und auch hier wieder habe ich mich völlig geirrt. Doch der Reihe nach. Nachdem ich mit meiner Gruppe (von denen die meisten schon zum dritten Mal dabei waren – und auch das zeugt von der Einzigartigkeit Gut Immlings) angekommen war, machten wir uns bereit zur ersten Aufführung „Die Hochzeit des Figaro“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Ich muss zugeben, dass ich kein so großer Mozart-Fan bin und dass ich auch moderne Inszenierungen nicht besonders mag, vor allem, wenn sie das ganze Stück ad absurdum führen. Ja, auch diese Inszenierung von Waltraud Lehner war sehr modern inszeniert, ja, man musste bei den Bühnenbildern manchmal schlucken – aber – und das war auch wieder das Einzigartige an Gut Immling, es passte alles irgendwie zusammen. Man konnte sich in diese Inszenierung hineinversetzen und sie bis zum Schluss genießen. 

Ob der Graf mit einer Kettensäge statt mit dem Degen kämpfte, ob Hasenohren dem Zuschauer um die Ohren wackelten – all das wahr hinnehmbar, nein, es war auch überwiegend amüsant und stimmig. Das lag natürlich vor allem auch an den – wie fast immer in Gut Immling - hervorragenden Interpreten. An erster Stelle sei die zupackende, zu jedem Zeitpunkt das Geschehen vollkommen im Griff habende Dirigentin Cornelia von Kerssenbrock genannt. Unbeschwert, locker, luftig, manchmal einem Sommernachtstraum gleichend, führte sie das hervorragende Festivalorchester Gut Immlings zu Höchstleistungen. Über den Festivalchor, der sich fast ausschließlich aus Sängern der Gegend zusammensetzt, braucht nicht mehr viel gesagt zu werden, er war wie immer brillant. Die Sänger wurden richtig mitgerissen und waren nicht nur äußerst spielfreudig sondern brachten auch überdurchschnittliche Leistungen, das Niveau, auf welchem praktisch alle sangen war sehr hoch angesiedelt. Der Figaro von Adam Kim ist sehr beweglich, der Stimmansatz füllig und warm, eine gute Leistung, ebenso wie die quirlige, kokette und gleichzeitig liebreizende Susanna von Debra Stanley. Mit ihrem leuchtenden Sopran, der geschmeidig und vollblühend ist, macht sie verständlich – auch vom optischen her – warum sich so viel um sie reißen. Eine tolle Leistung auch von Tijana Grujicic als Cherubino. Darstellerisch gibt sie eine hervorragende Leistung ab, aber auch mit ihrem Timbre, welches schmelzend und verführerisch viele Nuancen auskostet, kann sie punkten. Den Graf als liebestollen frauenmordenden Liebhaber, stellt mit einem sehr beweglichen Bariton Adrian Marcan dar, dem man seine Eskapaden nur zu gern glaubt. Lang anhaltender Beifall des amüsierten Publikum, welches einen unbeschwerten Opernabend erlebt hat.

Vor dem „Troubadour“ waren wir am Vormittag des Aufführungstages auf dem „Gnadenhof von Ludwig Baumann“. Er selbst und die charmante Dirigentin Cornelia von Kerssenbrock führten uns durch das Gelände. Pferde, Hasen, Hängebauch-schweine, ja selbst Kamele (von einem Zirkus, der sie nicht mehr finanzieren konnten), leben hier mit- und nebeneinander und es ist beeindruckend, wie sehr sich die beiden Künstler mit Helfern um die Tiere kümmern, die sonst keine Chance des Überlebens hätten. Man erzählt uns auch von den immensen Kosten (neben Futter vor allem die Tierarztkosten), die hier auf einen zukommen, man bringt aber auch zum Ausdruck, dass es etliche Gönner gibt, die ihr Scherflein beitragen und ohne die ein Überleben für die Tiere unmöglich wäre. Jeder Gut Immling Besucher sollte sich auch einmal den Gnadenhof anschauen und auch ein paar Kreuzer in die Spendenbox werfen – die Tiere verdienen es.

Am Abend kam das das Highlight unseres Aufenthalts. Ja, die „Aida“ des Vorjahres wurde getoppt. Diese Aufführung war optisch und akustisch ein Erlebnis. Immer auch unter der Kenntnis der begrenzten Möglichkeit der Bühne in Gut Immling. Und wir erlebten einen überwiegend konventionellen Troubadour. Die Inszenierung von Verena von Kerssenbrock, der Schwester der Dirigentin, war voller Emotionen, voller Leidenschaft, die sie auch auf der Bühne zeigte, ohne Umdeutungen, nein klar und die nicht unbedingt leichte Oper verständlich inszeniert – und das ist eine ganze Menge. Gemeinsam mit Claus Hipp war sie auch für das stimmige Bühnenbild zuständig. Vorzüglich erneut Cornelia von Kerssenbrock. Sie hatte am Vortag des „Troubadour“ einen Unfall erlitten und sich die linke Hand, die stark bandagiert war, verletzt. Davon merkte man nichts mehr. Sie leitete die Münchner Symphoniker mit zarter aber harter Hand, ließ es erblühen, nahm es aber in den Gesangspassagen erfreulich zurück um es dann wieder zupackend jubilieren zu lassen. Eine tolle Leistung – auch von den Münchner Symphonikern . Man sagt immer, dass eine Aufführung des Troubadour nur dann funktioniert, wenn man die vier besten Sänger, die es gibt, für die Hauptrollen aufbieten kann. Und in Gut Immling waren die Sänger „bombig“. Mario Zhang gab den Manrico und seine Stimme überstrahlte glasklar das Orchester. Die Töne standen wie zementiert und er gab bis zum letzten Ton sein bestes – und das war grandios (in der anschließenden hautnahen Begegnung mit den Opernstars im großen Festzelt sang er dann noch die Arie des Bajazzo und so unnachahmlich, dass man nicht glauben konnte, dass er bereits eine mörderische Partie „in den Knochen“ hatte. Bravo Zhang). Jana Dolezilkova als Leonora wurde vom Publikum ebenfalls verdientermaßen gefeiert, auch wenn ich mich über noch etwas mehr Durchsetzungsfähigkeit der Stimme gefreut hätte. Sensationell dann wieder die Azucena von Mirouslava Yordanova. Die Mezzosopranistin beherrscht die Szene, darstellerisch aber vor allem musikalisch. Die Stimme sitzt bombensicher, leuchtend, trägt in allen Lagen und vermittelt uneingeschränkte Beherrschung der Rolle. Zu Recht wurde sie am Ende der Vorstellung umjubelt. Ebenso wie Graf Luna von Kyung Chun Kim, dessen durchschlagskräftiger markanter Bariton ebenfalls großen Beifall fand. Erwähnt auch Kirill Brochaninov als Ferrando, dessen finsterer, den Raum füllender Bass aufhorchen ließ und für den man sich eine größere Rolle wünschen würde. Dass der Festspielchor wieder zu den Meriten des Abends zählte, braucht wohl nicht extra erwähnt zu werden. Eine ausgezeichnete Inszenierung, die Lust auf nächstes Jahr macht, wo u.a. die Aufführung von „Turandot“ im Gespräch ist. Nächstes Jahr gehen die Festspiele vom 22.06.2013 bis zum 11.08.2013, ich freue mich schon darauf und kann jedem erneut einen Besuch im Chiemgau nur wärmstens ans Herz legen.

Manfred Drescher                                                  Fotos : Julia Binder

 

 

 

LE NOZZE DI FIGARO

Vorstellung am 29.07.12 (Premiere am 30.06.2012)

(Häschen-)Jagdszenen aus Oberbayern: Figaros Hochzeit einmal anders als freche italo-bajuwarische Komödie

Im Programm ist vermerkt: Spieldauer zweieinhalb Stunden, 30 Minuten Pause. Zum Glück zählt die Pause extra, denn schon bei zweieinhalb Stunden reiner Spielzeit ist das Stück ungewohnt kurz, wodurch es dramaturgisch nicht ganz stringent wirkt. So ist etwa die Auftrittsarie des Don Bartolo im ersten Akt gestrichen, wodurch der Auftritt der Marcellina etwas in der Luft hängt, obwohl die Regie sie als dralle offenherzig kostümierte, manns- (genauer: Figaro)-tolle Figur mit einigen stummen Extraauftritten profiliert. Auch die Duettszene Gräfin-Susanna im dritten Akt ist beim Briefchenschreiben gekürzt, weshalb man sich später wundert, wo dieses Briefchen mit der bedeutsamen Nadel herkommt. Auch hier ist Ausgleich durch die riesige Größe dieses Objekts als Hutnadel geschaffen, so dass die dann nicht mehr übersehen werden kann. Ansonsten ist im dritten und vierten Akt an den Rezitativen gekürzt worden, teilweise werden diese zur Straffung des Geschehens simultan vorgetragen, was zwar ebenfalls nicht zur Verklarung des Geschehens beiträgt, aber in dem einen Falle einer Überlagerung von sogar drei Duett-Rezitativen eine enorme Wirkung erzielt. Die Rosenarie ist umgestellt und wohl wegen ihrer Berühmtheit aus dem dramaturgischen Konzept herausgenommen. Im Ganzen aber geht das Spiel dramaturgisch auf, besonders im vierten Akt, in welchem das Verkleidungsspiel so in Grenzen gehalten wird, dass auch die weniger gewieften Figarokenner immer wissen, wer hier wer ist.

Waltraud Lehner zeichnet für die Regie verantwortlich und lässt ein frech-witziges Spiel aufführen, in welchem man mit einer Spaßgesellschaft der Jetztzeit konfrontiert wird. Wie in der Originalfassung ist es auch in dieser Inszenierung nur der Gärtner Antonio, der einer sinnvollen Beschäftigung nachgeht. Alle sind allen zugetan ; besonders die Gräfin in fast schon peinlicher Weise em Cherubino. Drei große Bretterverschläge bilden das gekonnte Bühnenbild von Elisabeth Pedross. Die Darsteller bringen während der Ouvertüre auf den Bretterverschlägen den Nebentitel der Oper an: « Der tolle Tag ». Bei der letzten Szene im vierten Akt steht « Wald » darauf. Da weiß man, wo man ist. Der Graf fühlt sich so wichtig, dass er schon während der Ouvertüre über die Bühne läuft und sich stolz vorstellt: « sono il conte Almaviva ». Wie bei Theaterbühnen der Vorhang geöffnet wird, werden die drei Verschläge bei Spielbeginn nacheinander in Position, d.h. ihre offenen Seiten nach vorne gedreht, so dass sie einzeln oder kombiniert die verschiedenen Spielorte der Komödie glaubhaft machen. Obwohl er in den ersten Szenen noch gar nichts darzustellen hat, sieht man den Grafen aber schon in einem Raum neben einem Fernsehsessel mit allem Komfort, wie er sich fit macht für die Abenteuer, die er sich verspricht : kein Alkohol, sondern ein isotonisches Getränk. Später wird dieser Sessel teilweise für die Stuhlszene gebraucht. Cherubino ist ein Tunichtgut in schwarzer Flatterhose, blauer Nylon-Weste und blauer Strickmütze; Susanna und die Gräfin in leicht bunter Sommerkleidchen kostümiert; Figaro in rotem Hemd und ärmelloser gestreifter Weste wie eben ein Gehilfe. Die hübschen Kostüme stammen von Yvonne Forster.

Vor einem der Bretterverschläge sitzt ununterbrochen ein altes Mütterchen und strickt. Die Gräfin hat sich viele Schuhe bestellt. Ein Kommis, der sich später als Don Curzio herausstellt, schleppt unermüdlich weitere Schuhkartons an und nimmt auch wieder welche mit: bei Nichtgefallen Rückgaberecht innerhalb von 365 Tagen. Die Kartons stapeln sich so hoch, dass man dahinter den Cherubino verstecken kann. Der Chor trägt Häschenkostüme und Hasenmasken. Bei Figaros « non più andrai » kommt eine lokale Bewegungstruppe in Häschenmasken und weißen Zielscheibenringen auf den schwarzen Oberteilen zum Einsatz: auf die wird mit Schießwerkzeugen eine Jagd simuliert, wobei die Häschen über die gesamte Bühnentiefe und -breite toben. Etliche, schon viel gesehene Regie-Stereotypen der Nozze mischt die Regisseurin neu auf und erzielt damit gute Wirkungen. Dazu kommen viele gelungene Regieeinfälle. Der Graf kommt nicht von der Jagd zurück, sondern hat seinen « Ausritt » auf einem modernen Sportfahrrad unterbrochen und kommt damit gerade zum Gemach der Gräfin geradelt. Zum Öffnen der Tür zum Cabinetto holt er sich eine lächerlich winzige Kettensäge aus der Bastelstube und tritt zu einer frisch komponierten dumpfen Schreckensmusik an die Schranktür. Die geht plötzlich von allein auf; dem Grafen fällt die Kinnlade hinunter; aber nicht Susanna tritt hervor, sondern der Graf zurück. Zu jeder Zeit hält Waltraud Lehner in ihrer Personenführung eine kleine Überraschung bereit und hat die Lacher immer auf ihrer Seite. Die meist jungen Sängerdarsteller bringen das alles durchweg gekonnt rüber.

Mit der Spritzigkeit des Geschehens auf der Bühne konnte das etwas über dreißigköpfige Festivalorchester 2012 nicht mithalten. Es setzt sich aus Musikern der Georgian Sinfonietta und Studenten der deds Mozarteums Salzburg zusammen. Es wurde zwar engagiert und auch inspiriert aufgespielt; aber es kam kein filigran-transparenter Mozart heraus, sondern ein breiter, teilweise breiiger Klang, noch dazu von vielen Unschärfen durchzogen. Auch im Zusammenwirken zwischen Sängern und Orchester herrschte vielfach diffuse Unschärfe, so als ob die Sänger nicht auf den Stab der Dirigentin Cornelia von Kerssenbrock schauten, sondern sich nach den Einsätzen des Konzertmeisters richteten. Warum unterbricht eine gewaltige Generalpause den Fluss des genial konzipierten und komponierten Finales des zweiten Akts? --- Gut eingebunden und hinreichend präzise erschien der Festivalchor Gut Immling, ebenfalls von Frau von Kerssenbrock einstudiert. Die Secco-Rezitative sind größtenteils uminstrumentiert, teilweise auch anders komponiert, um Verfremdungseffekte zu erzielen. Dazu gibt es von der Gräfin noch eine Sprecheinlage in Landessprache (ohne Übertitelung).

Das Sängerensemble erfreute das Publikum mit homogener Qualität auf hohem Niveau. Adam Kim gab die Titelrolle mit kernig-kräftigem Bariton in bester Textverständlichkeit und sehr bewegtem Spiel. Kontrastierend dazu der wesentlich heller timbrierte kultivierte Bassbariton von Adrian Marcan als Graf Alamaviva. Don Basilio (von der Regie in ein modernes Türkenkostüm gesteckt) wurde von Alik Ibrahimov mit klarem, hellem Tenor gesungen. Debra Stanley überzeugte mit schlankem Sopran und schlanker Statur als Susanna. Sieglinde Zehethauser, auch sie superschlank, war in ihrer Kavatine zu Beginn des zweiten Akts noch nicht ganz präsent. Aber ihr « dove sono i bei momenti » gestaltete sie so überzeugend, dass sie das Publikum völlig auf ihre Seite brachte. Tijana Grujic gab den pubertierenden Cherubino sauber und klar mit schön nuancierter Färbung. Das Nebenpersonal sei hier einfach nur aufgezählt, denn es wurde ja weitgehend seiner solistischen Einsätze enthoben: Antonela Barnat als Marcellina hatte neben ihren Ensembles noch den größten szenischen Einsatz als Marcellina; Jacek Janiszewski wirkte als Bartolo, Jenisbeck Piyazov als Gärtner Antonio, Andreas Smettan als Curzo, und Jennifer Riedel gefiel als Barbarina.

Alles in allem ein vergnüglicher und unterhaltsamer Abend, für den das Publikum aus dem fast ausverkauften Saal anhaltenden herzlichen Beifall spendete. Die letzte der insgesamt sechs Vorstellungen findet am 10.08. statt.

Manfred Langer, 03.08.2012

Fotos : Julia Binder

 

P.S.

Die Atmosphäre auf dem Gut Immling ist freundlich, locker und ländlich. Das Publikum von ganz leger bis hin zu gepflegtem Chique. Der Blick gleitet über Felder und Wäldchen über den weiten Chiemgau, nach Süden zu den dazugehörigen Alpen. Kuhglocken laden zum Einnehmen der Plätze ein. Wenn man mit dem PKW anreist, sollte man das Navigationsgerät nicht auf Immling einstellen, sondern am nördlich Ortsrand von Bad Endorf nach unscheinbaren Schildern Ausschau halten, die auf die Parkplätze in einem Gewerbegebiet hinweisen, von wo aus Pendelbusse über abenteuerlich schmale Feldwege das Publikum zum Spielort bringen.

 

 

 

 

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