Nach wie vor ist Mozarts „Entführung“ ein fester Bestandteil des Opernrepertoires großer, vor allem auch mittlerer und kleinerer Häuser – und das mit Recht, enthält das Singspiel doch alles, was zum menschlichen Leben gehört. Dass sich in dem im Orient verorteten Märchen am Schluss alles zum Guten wendet, ist eine schöne, hoffnungsvolle Utopie eines friedlichen Zusammenlebens unterschiedlicher Kulturen, die das Publikum immer irgendwie zufrieden das Theater verlassen lässt. Und dass das gegen alle Vernunft möglich sein könnte, haben Mozart und sein Librettist Johann Gottlieb Stephanie d. J. in die Worte gefasst, die Belmonte in seiner schönen Arie „Ich baue ganz auf deine Stärke“ singt: „Was aller Welt unmöglich erscheint, wird durch die Liebe doch vereint“ – und das braucht es gerade heute

In der Neuinszenierung von der Schauspiel-Hausregisseurin Rosmarie Vogtenhuber-Freitag wird diesmit allerlei Scherzen, die nun einmal zu einem Singspiel gehören, auf die Bühne gebracht. Dazu gehören zwei stumme Theaterfiguren, der ganz in weiß gekleidete Chorist Se Jun Park undimschwarzen Hosenanzug Charlotte Brauer, die die Handlung mit nicht immer verständlichen Aktionen begleiten und die vielen längeren Arien auflockern. Dabei verwenden sie vier die beiden Liebespaare darstellenden, holzgeschnitzte Handpuppen, was allerdings den Fortgang der Geschichte nicht weiter fördert. Die einfache, mit Klinker-Podesten und schleierähnlichen Vorhängen gestaltete Bühne eignet sich gut für das muntere Spiel des Ensembles, wobei auf orientalische Ausstattung weitgehend verzichtet wird, wenn man von der Bekleidung Osmins und der Choristen sowie den Teppich-Läufern einmal absieht (Bühne und Kostüme: Bianca Fladerer).

In der im Theater Quedlinburg besuchten Vorstellung war die ausgezeichnete Personenführung auffällig, die die Akteure zu stets lebendigem Spiel anhielt. Die musikalische Verwirklichung war insgesamt zufriedenstellend: Souverän leitete der Intendant und Musikdirektor des Hauses Johannes Rieger den ganzen Apparat, dabei die Harzer Sinfoniker, die auch mit besten Instrumentensoli zur Einleitung von Konstanzes Bravourarie „Martern aller Arten“ positive Eindrücke hinterließen. Von den Sängerinnen und Sängern ist als erstes der Gast Karola Sophia Schmid als in jeder Beziehung beeindruckende Konstanze zu nennen. Ihren charaktervollen Sopran führte sie abgerundet durch alle Lagen der Partie, in den Höhen intonationsrein und schön aufblühend sowie mit klangvollen Tiefen. Die „Traurigkeit“-Arie gelang ihr unmittelbar anrührend, während in der berühmten „Martern“-Arie die glasklaren Koloraturen imponierten. Ihr Belmontewar der Chilene Francisco Huerta, der seine Arien kraftvoll präsentierte, wobei er leider oft zu stark forcierte.

Mit ihrem klaren, flexiblen Sopran und ausgesprochen munterem Spiel füllte die beliebte Bénédicte Hilbert die dankbare Partie der Blonde aus, während Tobias Amadeus Schöner bewährt die Komik des Pedrillo ausspielte; in der Arie „Frisch zum Kampfe“ geriet sein eigen timbrierter Tenor an seine Grenzen. Mit überraschend kultiviertem Bass gab Gijs Nijkamp den gewalttätigen Osmin. Glaubwürdig war Samuel Berlad der letztlich gütige Bassa Selim. Der Chor erfüllte seine wenigen Aufgaben klangvoll (Einstudierung: Julija Domaseva).
Das Publikum war sehr angetan und spendete allen Mitwirkenden starken und lang anhaltenden Beifall.
Gerhard Eckels, 22. März 2025
Die Entführung aus dem Serail
Singspiel von Wolfgang Amadeus Mozart
Harztheater
Premiere am 14. März 2025
Besuchte Vorstellung in Quedlinburg am 21. März 2025
Inszenierung: Rosmarie Vogtenhuber-Freitag
Musikalische Leitung: Johannes Rieger
Harzer Sinfoniker
Weitere Vorstellungen: 6. April (Bernburg), 13. April (Halberstadt), 11. Mai (Stendal), 18. Mai (Halberstadt) und 25. Mai 2025 (Quedlinburg)