Die Oper „Das schlaue Füchslein“ von Leoš Janáček wird derzeit neu inszeniert. Premiere ist am 21. September 2024 am Slowakischen Nationaltheater Bratislawa. Dieses Stück ist für seine komplexe Verschmelzung von Naturmotiven und menschlichen Emotionen bekannt. Unter der Leitung der sehr gefragten und auch im deutschsprachigen Raum bekannten slowakischen Regisseurin Sláva Daubnerová und der musikalischen Leitung von Juraj Valčuha, der derzeit Musikdirektor des Houston Symphony Orchestra in den USA ist und ursprünglich aus der Slowakei stammt und für seine vielseitigen Interpretationen und seine starke Bühnenpräsenz weltweit bekannt ist, wird die Inszenierung die philosophischen Themen und die typisch charakteristische Musik Janáčeks in den Vordergrund rücken. Die Premiere wird mit Spannung erwartet und das besonders in dieser kulturellen angespannten Situation. – Im Vorfeld der Premiere sprach DAS OPERNMAGAZIN mit der international tätigen Mezzosopranistin Jana Kurucová, die in dieser Neuinszenierung die Partei des Fuchses übernehmen wird. Aber wir nutzten auch die Gelegenheit über die aktuelle politisch-kulturelle Situation in ihrer Heimat zu sprechen.
DAS OPERNMAGAZIN: „Frau Kurucová, Sie werden in Bratislava die Partie des Fuchses übernehmen. Wie sehen Sie diese Rolle und welche Bedeutung hat sie für Sie?
Jana Kurucová: „In der Oper Das schlaue Füchslein verkörpere ich die Rolle des Fuchses. Unsere Begegnung mit der Füchsin Schlaukopf scheint zunächst nur zufällig zu sein, doch offenbart sie sich schnell als schicksalhaftes Aufeinandertreffen. Der Fuchs ist von beeindruckender animalischer Eleganz, tief erfahren, weise und von einer einnehmenden Reife. Er spricht: „Nicht deinen Körper, deine Seele liebe ich.“ Oft habe ich das Gefühl, dass Janáček selbst in der Gestalt des Fuchses steckt. Bei seiner Arbeit konnte er mithilfe eines Försters Füchse im Wildgehege beobachten. Als Fuchs singe ich: „Du wirst sehen, meine Schlaukopf, über dich wird man Romane und Opern schreiben.“ Ist das nicht Janáček selbst, der hier spricht? Wie zauberhaft und voller Wahrheit diese Worte doch klingen! Diese Rolle ist für mich mehr als nur ein Part in einem Stück; sie ist ein Ausdruck jener Freiheit, nach der meine Seele unentwegt strebt. Die Musik, die mich dabei umgibt, ist wie ein Sphäre zwischen dem Irdischen und dem Himmlischen. Nach dieser großartigen musikalischen Arbeit von Janáček konnte nur seine Oper Die Sache Makropulos folgen – der Beweis dafür, warum es so wichtig ist, dass unser Leben endlich ist. Andernfalls würde ihm der Sinn des Lebens genommen.“
DAS OPERNMAGAZIN: „Welche Pläne haben Sie nach Bratislava? Was steht für die kommende Zeit auf Ihrem Terminplan?“
Jana Kurucová: „Nach der Produktion von Das schlaue Füchslein geht es für mich mit einem Debüt in der nächsten Oper von Janáček weiter: Káťa Kabanová, die am 18.10. in der Wallonischen Royal Oper in Lüttich Premiere haben wird. In diesem Stück übernehme ich die Rolle der Varvara, worauf ich mich schon sehr freue. Danach werde ich wieder auf unserer heimischen Bühne, der Staatsoper Hamburg, zu sehen sein, und zwar in der Produktion von Elektra als 3. Magd. Vor Weihnachten darf natürlich auch mein Hänsel in der berühmten Inszenierung von Peter Beauvais nicht fehlen. Das Jahr der tschechischen Musik wird erneut von Janáček gekrönt. Ich übernehme wieder die Rolle des Fuchses in einer bereits bestehenden Produktion von Ondřej Havelka im Nationaltheater in Prag, am Pult der auch im deutschsprachigen Raum bekannte Dirigent Robert Jindra.“
DAS OPERNMAGAZIN: „Aktuell wird darüber berichtet, dass die Kulturszene der Slowakei Sturm läuft gegen die Kulturpolitik der Regierung von Premier Robert Fico. Können Sie die derzeitige Stimmung und die Ängste der Künstler und Künstlerinnen in der Slowakei für die Leser des OPERNMAGAZINs einordnen?“
Jana Kurucová: „In den letzten Monaten hat sich die politische Lage in der Slowakei, insbesondere im Kulturbereich, dramatisch zugespitzt. Unter der neuen Regierung von Robert Fico, der nach den Wahlen im Oktober 2023 wieder an die Macht kam, hat sich die Kulturpolitik stark verändert. Fico, der sich in einer Koalition mit der sozialdemokratischen Partei Hlas-SD und der rechtsextremen Slowakischen Nationalpartei (SNS) befindet, setzt auf eine restriktive und kontrollierende Kulturpolitik, die von vielen als autoritär empfunden wird. Die Kulturministerin Martina Šimkovičova, die der SNS angehört, steht dabei im Zentrum der Kritik.“
DAS OPERNMAGAZIN: „Der Name der Ministerin Šimkovičova fällt in diesem Zusammenhang oft. Welche Rolle spielt sie dabei?“
Jana Kurucová: „Šimkovičova hat in den letzten Wochen eine Reihe von Entscheidungen getroffen, die weitreichende Auswirkungen auf die Kulturinstitutionen des Landes haben. Unter anderem entließ sie mehrere hochrangige Kulturmanager, darunter Matej Drlička, den Generaldirektor des Slowakischen Nationaltheaters, und Alexandra Kusá, die Leiterin der Nationalgalerie. Diese Entlassungen werden als Teil eines umfassenden Umbaus der Kulturinstitutionen gewertet, der darauf abzielt, regierungsfreundliches Personal in Führungspositionen zu installieren.“
DAS OPERNMAGAZIN: „Welche Ängste treibt die Kulturschaffenden, aber auch die Opposition in der Slowakei um? Es ist davon zu lesen, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk vor den Regierungsmaßnahmen betroffen ist. Was spielt sich da in Ihrem Heimatland zurzeit ab?“
Jana Kurucová: „Die Regierung hat auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk RTVS aufgelöst und in eine neue Institution namens STVR umgewandelt, die unter direkter Kontrolle der Regierung steht. Dies wird als Versuch gesehen, die Medienlandschaft zu kontrollieren und kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Diese Maßnahmen haben zu heftigen Protesten in der Slowakei geführt, bei denen tausende Menschen auf die Straße gingen, um gegen die autoritäre Kulturpolitik zu demonstrieren. Ein weiterer Aspekt der aktuellen Kulturpolitik ist die offene Feindseligkeit gegenüber liberalen Werten und Minderheiten. Die Kulturministerin hat in öffentlichen Äußerungen die LGBTQ+-Gemeinschaft angegriffen gesprochen, der die „weiße Rasse“ bedrohe. Diese Rhetorik sowie die Entlassungen und die Umgestaltung der Medienlandschaft haben die kulturelle und politische Landschaft in der Slowakei stark polarisiert. Die Opposition und Teile der Zivilgesellschaft werfen der Regierung vor, die Kulturpolitik zur Machtsicherung zu nutzen und die Meinungsfreiheit zu unterdrücken. Es gibt zunehmende Bedenken, dass sich die Slowakei unter Fico und Simkovicova in Richtung eines autoritären Staates entwickelt, ähnlich wie in Ungarn unter Viktor Orbán, mit dem Fico enge Beziehungen pflegt. Kritiker warnen davor, dass diese Entwicklung die Demokratie in der Slowakei gefährden könnte und die kulturelle Freiheit verbieten möchte. Die Zukunft der Kultur in der Slowakei bleibt ungewiss, doch der Widerstand gegen die aktuelle Regierung wächst, und es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation weiterentwickeln wird.“
DAS OPERNMAGAZIN: Wir danken für Ihre offenen und klärenden Worte zur Lage der Kultur in der Slowakei und wünschen Ihnen und dem gesamten Team vom „Das Schlaue Füchslein“ eine erfolgreiche Premiere.
Detlef Obens, 20. September 2024 (Herausgeber DAS OPERNMAGAZIN)