Aktuell werden allerorten – zumindest in vielen deutschen Opernstätten – die Besucher kundenfreundlicher weise darauf hingewiesen, dass sie sich auf 19 Grad Raumtemperatur vorbereiten sollten. Beispiel:
„Sehr geehrter Herr/Frau, wir freuen uns, Sie demnächst bei uns begrüßen zu dürfen und hoffen, dass Sie genauso wie wir voller Vorfreude auf die kommende Veranstaltung sind … Auf Grund der Energiesparverordnung, die seit 01.09.2022 in Kraft ist, sind wir als städtische Einrichtung dazu verpflichtet, mit Beginn der Heizperiode die Temperatur unserer Räumlichkeiten (/Nutzräume) auf 19° C zu halten. Wir hoffen, dass dies Ihren Besuch bei uns trotzdem nicht weniger charmant als gewohnt gestaltet und der uneingeschränkte Theaterzauber auf der Bühne über die Unannehmlichkeiten der aktuellen Situation hinwegtrösten kann.“
Die Frage muss erlaubt sein in dieser Zeit: Fühlt man sich da als Diverser überhaupt angesprochen? und „welcher Theaterzauber?“
Nichtsdestotrotz denke ich, dass man das überleben kann, bevor die Lichter ganz ausgehen, weil sich die Windräder eben doch nicht das ganze Jahr drehen. Ärgerlicher ist das mit meinem Elektroauto, welches ich wohl demnächst bei drohendem Blackout auch nicht mehr benutzen darf – was sich aus dem dann auch folgendem Ladeverbot ja logisch ableitet. Mein gehässiger Nachbar, eine alte Umweltsau, der seit 20 Jahren („Nachhaltig“, wie er immer wieder betont) einen Diesel fährt, und mich ohnehin hohnlachend für blöd erklärt hat, weil ich seitdem meine Urlaubsreise immer nur in 200 Km-Etappen zurücklege, wird sich freuen bzw. mich weiter runterputzen.
Doch zurück zu den Opernhäusern (Brauchen wir die eigentlich überhaupt noch? Es gibt doch DVD Player und genügend offerierte Gratis-Streams) Ich krame mal in meiner Vergangenheit. Schon in den späten 60ern habe ich in London Wagner-Konzerte mit Hut, Handschuhen und Pelzmantel in 9 Grad kalten historischen Klangsälen genossen, von denen es ja viele gab und immer noch gibt. Es störten sich wenige daran, denn Wagner Musik erwärmte ja unsere jungen Herzen, und die zumindest optisch 180 Kg schwer geschätzte Sopranistin (Weltstar Rita Hunter, wenn ich mich richtig erinnere) fror ohnehin nicht; die hatte sogar kurze schulterfreie Ärmel. Und im Gegensatz zu heutigen Wagner-Heroinen bewegte sie sich gar nicht. Sie machte nur den Mund auf und die heilige Halle drohte realiter im gesungenen Götterdämmerungsfinale zusammenzustürzen…
Nun denn: was machen wir heute? Also erstmal, liebe Jammerlappen, Sauna-Untensitzer, Nationalspieler und dekadente Heizungsnutzer-Perverse: Hört endlich auf zu Jammern. Was war denn nach dem Krieg? Bisken frieren für den Frieden und die Weiterexistenz unseres Planeten darf man doch wohl erwarten, oder?
Das gelegentliche Aufstehen im Opernhaus, ein paar Kniebeugen und Hüpfer (wie bei Borussia) bringen den Kreislauf sofort in Gang. Und ihr verpasst ja auch nichts von dem modernen Kappes auf der sich fünf Stunden ohnehin nicht verändernden Einheitsbühne. Nehmt Euch ein Beispiel am Rocky-Horror-Publikum – da stehen wir schon seit den 60er Jahren beim Timewarp auf und tanzten mit. Und wenn es Draußen nur zwei Grad sind, geht raus an die frische Luft in den vielen Wagnerpausen, dann wirkt es drinnen später richtig warm.
Nicht schlecht ist es auch sich vorher ordentlich einen zu bechern und den alten Flachmann mal wieder rauszuholen. Methode Fußballstadion – ich habe da früher bei Fortuna nie gefroren. Ein Geheimtipp wäre noch Skiunterwäsche – die trägt nicht auf unter dem Sakko! Für warme Ohren reicht öfters Reiben. (Da kommt mir doch sofort die alte stets wirkende pädagogische Formel vom „Satz warme Ohren“ die sich der Gegenüber gleich einhandelt, in den Sinn ?).
Vielleicht wäre ja irgendwie auch nicht schlecht mal etwas kürzere Opern, als die aktuell überall en vogue scheinenden Post-Corona-Wiederentdeckungen, wie Tristan, Rosenkavalier, Götterdämmung… etc. pp zu spielen. Wie wäre es mit Gianni Schicchi, Florentinische Tragödie, Der Zwerg und Co? Muss es immer das ganze Trittico sein? Und Hand aufs Herz, liebe Opernfreunde: Wagners Ring geht doch auch in 7 Stunden, wenn man alle Wiederholungen und das Was-bisher-Passierte weg lässt, oder? Vorbildlich und höchst lobenswert arbeitet da die Hamburger Opernloft mit ihren maximal 90 Minuten (Opera Breve) Bearbeitungen schon längst. https://www.opernloft.de/ So kriegt man übrigens junge Menschen in die Oper, falls das noch einen Intendanten überhaupt interessiert.
Also nicht verzagen: „Auf in den Krampf“ oder heißt es „Kampf“ ?
„Hoh jotto hoh“ Ihr/Euer Peter Bilsing (Hrg.)