Dresden, Konzert: „Sinopoli-Akademie der Staatskapelle“

Nach dem erfolgreichen Auftritt der Akademie im Februar waren die Besucher am Sonntag, dem 12. Mai 2024 ins Lingnerschloss eingeladen. In Dresden lässt sich kaum ein schöneres Zusammenspiel denken als das Musizieren von jungen hochbegabten, engagierten Musikerinnen und Musikern in diesem Dresdner architektonischen Juwel, diesem Schloss oben am Elbhang in Dresden – Loschwitz, mit einer herrlichen Aussicht, eingebettet in eine wunderbare Natur, offen für jedermann. Auch dieses Konzert der Orchesterakademie weckte das Interesse der zahlreich erschienenen Gäste durch eine interessante Vielseitigkeit der Programmgestaltung. Neben Mozart und Rossini standen Werke von Nelhýbel, Perruchon und Cras auf dem Programm, Komponisten die auch Musikkennern kaum geläufig sein dürften.

© Oliver Killig

Eröffnet wurde die Matinee mit dem Oboenquartett von Wolfgang Amadeus Mozart. Mozarts einziges kammermusikalisches Werk für Oboe entstand in München im Winter 1780 / 81 für den ihm freundschaftlich verbundenen Friedrich Ramm, den Solo – Oboisten der weithin berühmten Mannheimer Hofkapelle. Der Mannheimer Hof musste 1778, samt Kapelle, infolge der bayerisch – pfälzischen Thronfolge nach München umziehen. Mozart hielt sich in München auf und arbeitete im Auftrag des Kurfürsten an seiner Oper Idomeneo. Quasi nebenbei schrieb er das Oboen Quartett für seinen Freund Ramm. Die Absicht war, mit diesem Werk sowohl die hohe Virtuosität und die klangliche Schönheit des Spiels seines Freundes als auch die instrumententechnischen Verbesserungen jener Zeit zu zeigen. Als musikalischen Spaß schrieb Mozart in den virtuosen dritten Satz einen kurzen Abschnitt, Viervierteltakt des Soloinstruments gegen Sechsachteltakt der Streicher, wenn man will, ein Vorgriff auf die in der Gegenwartsmusik häufig angewendete Polyrhythmik.

Estelle Akta – Oboe, Franziska Stemmer – Violine, Zheng Yang – Viola, Andrei Mikriukov – Violoncello sorgten mit ihrer Interpretation für einen gelungenen Auftakt, eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen dynamisch, in Artikulation und Zusammenspiel fein abgestimmten Streichern und einer dem virtuosen Anspruch gerecht werdenden Zweites Werk des Konzertes: Duetto per Violoncello e Contrabasso von Gioachino Rossini Rossini, den meisten nur bekannt als Komponist von seinen Bühnenwerken, allerdings oft nur von deren Ouvertüren, schrieb auch eine Vielzahl von Kammermusiken. Dazu gehören Streichquartette, sechs Bläserquartette und die Streichersonaten, die er bereits im Alter von zwölf Jahren komponierte, anlässlich einer Reise nach London, wo fürstliche Honorare winkten.

Für die Teilnahme an Soireen, Unterricht und Kompositionen, schrieb er das Duo für Violoncello und Kontrabass für den Bankier und Amateurcellisten David Salomons. Dessen größter Wunsch war es, einmal mit dem zu seiner Zeit berühmtesten Kontrabassisten Domenico Dragonetti, auch „Il Drago“oder „Paganini des Kontrabasses“ genannt, zu spielen. Es entstand ein Werk, das beiden Spielern gnadenlos alles abverlangt. Violoncello und Kontrabasswerden zu gleichwertigen Partnern, lebendig virtuos und gesanglich. Oft schimmert der Opernkomponist Rossini hervor.

Sebastian Mirow – Violoncello und Ión López Leal – Kontrabass waren hervorragend aufeinander eingestimmt. Sie gestalteten das Werk mit großerSpielfreude und Bravour.

© Oliver Killig

Es folgte das Trio for brass von Václav Nelhýbel. Der Komponist wurde in der Tschechoslowakei geboren. Er studierte in Prag Komposition, Dirigieren und Musikwissenschaft, ging 1942 in die Schweiz und setzte in Fribourg seine Studien fort. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Komponist und Dirigent beim Schweizer Radio und unterrichtete in Fribourg. Von 1950 bis 1957, dem Jahr seiner Übersiedlung in die USA war er Musikdirektor bei Radio Free Europe in München. In den USA, er bekam 1962 die US – amerikanische Staatsbürgerschaft, lehrte er an verschiedenen Schulen. Vier Universitäten verliehen ihm die Ehrendoktorwürde. Bis zu seinem Tod war er „Composer in Residence“ an der Universität Scranton. Nelhýbel veröffentlichte rund 400 Werke, viele davon für Bläser in unterschiedlichsten Besetzungen, oft für Studienzwecke gedacht, drei Ballette, drei Opern und eine Symphonie. Das Trio for Brass, 1965 komponiert, ist eine faszinierende Komposition in drei Sätzen. Einem lebhaften ersten Satz mit einem markanten Thema folgen ein langsamer melodischer zweiter Satz und ein lebhaft virtuoser Abschluss. Die Musik beweist die immense Kenntnis der spieltechnischen Möglichkeiten der Blechblasinstrumente.

Aljoscha Schlesier – Trompete, Daniel Wassermann – Horn und Theodor Hentges – Posaune, wurden den Anforderungen des Werks voll gerecht und sorgten für seine differenzierte klangvolle Darstellung.

Die zweite Konzerthälfte begann mit Cinq Danses Dogoriennes pour 5 Timbales, 3 Temple-blocks et Violoncelle von Ếtienne Perru chonPerruchon war ein sehr vielseitiger Komponist, der neben mehrfach ausgezeichneten Film – und Schauspielmusiken, auch Chansons und symphonische Musik schrieb, Die imaginäre Sprache einer fiktiven Ethnie wurde zu einem wichtigen Thema seines Schaffens. Zu dieser „Dogora“ – Gruppe gehören auch die im Jahr 2000 veröffentlichten Tänze. Die instrumentale Kombination von 5 Pauken, 3 Temple-blocks und Violoncello verleiht dem Stück eine einzigartige Klanglichkeit. Das Werk, gewidmet Adrien Perruchon, damals Solo-Paukist des Orchestre Philharmonique de Radio France, heute Chefdirigent des Orchestre Lamoureux, ist für die Interpreten eine aufregende Herausforderung bezüglich rhythmischer und klanglicher Vielfalt.Huon Bourne Blue an den Pauken und die Cellistin Dawoon Kim, die schon ein Kapell-Probejahr absolviert, boten eine perfekte, hervorragend korrespondierende, alle Möglichkeiten des Stückes ausreizende Leistung. Ein Höhepunkt des musikalischen Vormittags!

© Oliver Killig

Als Konzertausklang stand das Quintette pour Harpe, Flûte, Violon, Alto et Violoncellevon Jean Cras auf dem Programm. Der Vater, Chefarzt der französischen Marine und die Mutter, beide leidenschaftliche Musikliebhaber, weckten früh in Jean Cras das Interesse für Musik. Bereits im Alter von dreizehn Jahren trug er seine erste Komposition vor. Mit dem siebzehnten Lebensjahr begann der zweite Karriereweg, er ging auf die Marineschule, erfand einen allgemein für die Navigation genutzten Winkelmesser, war Kommandeur eines Torpedobootes im Ersten Weltkrieg und beendete seine Laufbahn als Konteradmiral.

All das hinderte Cras nicht, Musik und Komponieren weiterhin intensiv zu betreiben. Er lernte den Komponisten Henri Duparc kennen, der zu einem freundschaftlichen Helfer und Berater wurde. Cras komponierte eine Oper, Chor- und Orchesterwerke. Die Kammermusik bekam ein besonderes Gewicht. Das Quintett, 1928 veröffentlicht, ist ein charmantes, gefälliges Werk, das eine sensible Klanglichkeit mit ungewöhnlicher Instrumentation verbindet. Dabei sind Einflüsse von Debussy und Franck unüberhörbar. Margot Gélie – Harfe, Marta Cabañero Filguera – Flöte, Michail Kanatidis -Violine, Anna Helgert – Viola und Sebastian Mirow – Violoncello, sorgten für den stimmungsvollen, sorgfältig differenzierten Ausklang dieser Matinee. Großer, herzlicher Applaus für die Mitglieder der Akademie und Dank für diesen anregenden Sonntagvormittag!

Bernd Runge, 15. Mail 2024


Kammerkonzert
Giuseppe-Sinopoli-Akademie der Sächsischen Staatskapelle Dresden
Villa Stockhausen des Vereins Lingnerschloss e.V.

Dresden
12. Mai 2024