Einen bunten Streifzug durch die Welt der Barockmusik und der frühen Klassik offerierte die Neue Philharmonie Frankfurt ihren Zuhörern unter der Leitung ihres Gast-Dirigenten Bernhard Forck. Bernhard Forck ist Dirigent und Geiger, u.a. Konzertmeister der Akademie für Alte Musik Berlin. Als Solist ist er oft als Mitglied der Berliner Barock Solisten zu erleben. CD-Produktionen, internationale Gastspiele und pädagogisches Wirken an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin prägen seine Karriere.
Zu Beginn war die Suite D-Dur, TWV 55:D 21 von Georg Philipp Telemann zu erleben. Der deutsche Komponist war einer der maßgeblichsten Musikschaffenden seiner Zeit. Unendlicher Fleiß, immense Schaffenskraft und ein großes, zukunftsorientiertes Denken prägten seine Persönlichkeit. Mit weit mehr als 3.600 dokumentierten Werken zählt Telemann zu den produktivsten Komponisten der Musikgeschichte. Er bediente dabei alle Genres der damaligen Musik. Zudem war es ihm wichtig, seine Musik jedem Bürger zugänglich zu machen, was in der Barockzeit alles andere als selbstverständlich war. Telemann und Johann Sebastian Bach schätzten sich sehr. Telemann war der Taufpate von Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel.
Im Jahr 1721 erarbeitete Johann Sebastian Bach seine Sammlung der sechs Brandenburgischen Konzerte. Die einzelnen Werke unterscheiden sich deutlich in Besetzung, Umfang und Charakter. Eine besondere Herausforderung liegt in der Ausbalancierung der einzelnen Stimmen. Im Zentrum sollte dabei der konzertierende Dialogcharakter stehen. Dieser Dialog zwischen den Streichern ist vor allem im ersten Satz zu hören. Ungewöhnlich in der Konzeption ist hier der fehlende langsame Satz. Als Überleitung gibt es eine Kadenz. Nach dieser beginnt dann der eigentliche zweite Satz des Konzerts, der durch schnelle Streicherläufe geprägt ist.
Johann Christian Bach, ein Sohn von Johann Sebastian, hatte musikgeschichtlich eine große Bedeutung. Er gilt als Vorreiter der sog. „Wiener Klassik“ und war zudem der einzige Komponist aus der Bach Familie, der sich auch Ruhm als Opernkomponist erwarb. Seine Opernerfahrungen, vor allem mit dem Belcanto übertrug er auf seine Instrumentalwerke. Daraus resultierte eine ganz eigene kompositorische Handschrift. Die schwungvoll-elegante Melodik der Eröffnungssätze seiner Sinfonien wurden nicht selten als „singendes Allegro“ empfunden. Sie wurden zu seinem Markenzeichen. Bachs Sinfonien bestehen meist aus drei Sätzen: einem schnellen Satz, einem langsamen Satz als lyrischem Ruhepunkt und einem tänzerisch bewegten Finale.
Eine besondere Stellung in der Reihe von Bachs Sinfonien nimmt seine sechste Sinfonie g-Moll op. 6 ein. Sie ist die einzige in einer Molltonart. Erkennbar ist in ihr bereits der für diese Zeit charakteristische „Sturm und Drang“. Es sollte gerade diese sechste Sinfonie sein, die bis heute als sein persönlichstes Werk betrachtet wird.
Georg Friedrich Händel stellte seine sechs Concerti grossi zu einem Satz zusammen. Als diese 1734 von John Walsh veröffentlicht wurden, witterte dieser eine große kommerzielle Chance. Er kombinierte einfach mehrere von Händels bereits existierenden Werken und gruppierte sie zu sechs „Konzerten“ um. Seither zählen sie zu den beliebtesten Orchesterwerken ihres Genres.
Das dritte Konzert in G-Dur ist in der Anlage dreisätzig (das Eröffnungs-Largo ist zu kurz, um als Satz gezählt zu werden). Es besteht kein Zweifel, dass dieses Konzert von Walsh aus einer Reihe von Stücken von Händel zusammengestellt wurde.
Carl Philipp Emanuel Bach, ein weiterer Sohn von Johann Sebastian, war bereits zu Lebzeiten ein erfolgreicher Musiker. Große Bewunderung erwarb er sich zudem als herausragender Lehrer für Tasteninstrumente. Über eintausend Werke hinterließ der Meister aus Hamburg, der stilistisch zwischen Barock und Vorklassik einzuordnen ist.
Die C-Dur Sinfonie ist ein typisches Beispiel für die Periode „Sturm und Drang“. Besonders auffallend sind die vielen Unisono-Anteile der Streicher, die im raschen Tempo realisiert werden müssen.
Der Abschluss dieses vielschichtigen Konzertes war zugleich der Höhepunkt des Abends. Etwa in der Zeit um 1723 schrieb Johann Sebastian Bach seine Orchestersuiten. Es handelt sich jeweils um eine Folge von Tanzsätzen mit einer vorangestellten Ouvertüre. Dieser erste Satz nimmt oft mehr als die Hälfte des Raums ein, was seine Bedeutung unterstreicht. Auf den umfangreichen ersten Satz folgt jeweils eine freie Folge von Tänzen. Während die Einleitungssätze deutlich durch konzertante Elemente geprägt sind, stellen die Tanzsätze dann die Instrumentalgruppen meist in eher schlichter Weise einander gegenüber.
In der dritten Suite schrieb Bach mit seiner „Air“ eine der schönsten und innigsten Melodien der Musikgeschichte. Der intensive Trost und die sensible Anmut verzaubern bis heute die Menschen in der Welt.
Vielfältige Anforderungen also für die Neue Philharmonie Frankfurt, die diesmal mit dem Gast-Dirigenten Bernhard Forck zusammen musizierten. Und dies im ganz sprichwörtlichen Sinne, denn Forck übernahm auch an diesem Abend die Funktion des Konzertmeisters. Der Spezialist für Alte Musik hatte das Orchester präzise einstudiert, so dass es in den unterschiedlichen stilistischen Ansprüchen voll überzeugte.
Die Suite D-Dur von Telemann ist ein hoch dynamisches Werk voller Lebensfreude und markanter Effekte. Hier gefiel das gut ausbalancierte Tuttispiel. Die sauber intonierenden Hörner fühlten sich hörbar gut aufgehoben und sorgten im Wechselspiel mit den einfühlsamen Holzbläsern für feine Klangfarben.
Das dritte Brandenburgische Konzert von Johann Sebastian Bach wurde als intensiver Dialog zwischen den Streichern zupackend gestaltet. Die Gruppe der Celli und der Kontrabass sorgten für offensive Kontraste, was dem Gesamteindruck viel Spannung beitrug.
Eine packend dargebotene Interpretation der leidenschaftlichen sechsten Sinfonie von Johann Cristian Bach geriet als zukunftsweisende Erzählung, die zuweilen den Opernkomponisten in seiner theatralischen Wirkung erkennen ließ. Ganz „Sturm und Drang“ in wilden Streicher Tremoli pulsierte und stürmte die Musik nach vorne. Das beruhigende Andante war nur ein kurzes Atemholen, ehe die hoch engagierten Musiker der Neuen Philharmonie Frankfurt in das beschließende Allegro molto stürmten, welches urplötzlich in der Komposition ein abruptes Ende findet.
Händels zweites Concerto grosso bündelte wieder die Tuttiklänge des Orchesters homogen zusammen. Wiederum verzauberte ein innig vorgetragenes Solo der Oboe und zeigte die kantable Stärke der Interpretin.
Ähnlich wie die Komposition seines Bruders, so vermochte die C-Dur Sinfonie von Carl Philipp Emanuel Bach in ihrem engagiert vorgetragenem Vorwärtsdrang zu erfreuen. Spannende Tremoli in den Streichern und eine packende Dynamik bis ins kaum hörbar zurückgenommene Pianissimo, sorgten für musikalische Kurzweil. Ausgezeichnet geriet das Zusammenspiel der Streicher in den Unisono Abschnitten.
Mit der beschließenden dritten Orchester-Suite von Johann Sebastian Bach kam die große Stunde der drei Solotrompeter des Orchesters, sekundiert von der knackig mit Holzschlägeln gespielten Pauke. Ein prachtvolles Leuchten wusste die Neue Philharmonie Frankfurt zu entfalten, welches besondere Wonnemomente erzeugte. Die Trompeter intonierten souverän und im Zusammenspiel fein abgestimmt. Ungewöhnlich zügig, sehr diesseitig und vital im Ausdruck, geriet die berühmte Air. Bernhard Forck war in dieser Suite auch intensiv solistisch gefordert, was ihm meisterlich gelang. Dabei agierte er im gesamten Konzert stets als Primus inter pares!
Bernhard Forck ließ die Streicher vibratolos spielen und gewährleistete eine gute Durchhörbarkeit, die immer die Struktur der Werke offenlegte. Den diversen Soli gab er hinreichend Raum für individuelle Entfaltung, so dass die pulsierende Musik stets kontrastreich zu erleben war. Die Gruppe im Basso Continuo mit dem präzisen Cembalisten war eine wichtige Stütze im Zusammenspiel.
Das zahlreich erschienene Auditorium zeigte sich hoch erfreut und zollte begeisternden Beifall. Orchester und Bernhard Forck wiederholten zum Dank einen Satz aus der beschließenden Bach Suite.
Dirk Schauß, 18. Dezember 2022
Besuchtes Konzert am 17. Dezember 2022
Congress Park Hanau
Georg Philipp Telemann (1681-1767)
„Suite D-Dur, TWV 55:D 21“
Johann Sebastian Bach (1685-1750)
„Brandenburgisches Konzert Nr. 3 G-Dur, BWV 1048„
Johann Christian Bach (1735-1782)
„Sinfonie op. 6, Nr. 6 g-moll„
Georg Friedrich Händel (1685-1759)
„Concerto grosso op. 3, Nr. 2 B-Dur“
Carl Philipp Emanuel Bach „Sinfonie C-Dur, WQ 182/3“
Johann Sebastian Bach
„Suite Nr. 3 D-Dur, BWV 1068„
Neue Philharmonie Frankfurt
Dirigent: Bernhard Forck