Wiesbaden, Konzert: „Prague Philharmonia“, Eugene Tzigane / Midori

Am Abend des 7. März 2024 versammelte sich das Publikum im Kurhaus Wiesbaden, um ein Konzert der Extraklasse zu erleben, das von der berühmten Geigerin Midori und der Prague Philharmonia unter der Leitung von Eugene Tzigane gestaltet wurde. Die Prague Philharmonia ist ein feines Orchester mit Sitz in Prag. Es wurde 1994 von dem tschechischen Dirigenten Jiří Bělohlávek gegründet, der auch eine der führenden Persönlichkeiten in der tschechischen Musikszene war. Das Orchester besteht aus erstklassigen Musikern und hat sich einen internationalen Ruf für herausragende Aufführungen erarbeitet. Seit seiner Gründung hat die Prague Philharmonia zahlreiche bedeutende Konzerte gegeben und mit renommierten Dirigenten und Solisten zusammengearbeitet.

© Ansgar Klostermann

Das Repertoire des Orchesters umfasst eine breite Palette von Stilen und Epochen, von klassischer Musik bis hin zu zeitgenössischen Werken. Das Programm in Wiesbaden versprach einen Abend voller mitreißender Musik, darunter die Ouvertüre zur Oper „Die verkaufte Braut“ von Bedřich Smetana, das Violinkonzert a-Moll Op. 53 und die Sinfonie Nr. 8 G-Dur Op. 88 von Antonín Dvořák. Der Abend begann mit einer energiegeladenen Interpretation der Ouvertüre zur „Verkauften Braut“ von Smetana. Der wunderbare Melodiker, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr am 02. März zum 200. Mal jährte, schrieb mit seiner Oper einen Welterfolg. Die zündende Ouvertüre ist mit ihrem flotten Fugato-Teil ein Prüfstein für jedes Orchester. Die Prague Philharmonia zeigte von Anfang an seine außergewöhnliche Virtuosität, wobei Dirigent Eugene Tzigane mit seinem temperamentvollen Einsatz das Orchester zu Höchstleistungen antrieb. Deutliche Akzente wurden erfreulich derb und zupackend, ebenso fein phrasiert. Die beeindruckende Dynamik und Präzision in der Darbietung verdienen uneingeschränktes Lob und schufen einen herrlichen Beginn für den Abend. Ein besonderer Moment war zweifellos Midoris Auftritt im Violinkonzert a-Moll Op. 53 von Dvořák. Schon die Entstehungsgeschichte dieses Werks, das auf Anregung des Geigers Joseph Joachim entstand, deutet auf die außergewöhnliche musikalische Qualität hin. Es wurde zwischen 1879 und 1882 komponiert und ist durchdrungen von der slawischen Melodik und Rhythmen, die charakteristisch für Dvořáks Musik sind. Der erste Satz folgt nicht ganz der traditionellen Sonatenform, sondern weist eine freiere Struktur auf. Er beginnt mit einer kraftvollen Orchesterexposition, gefolgt von dem Eintritt der Solovioline mit einem markanten, rhapsodischen Thema. Daraufhin entfaltet sich ein Dialog zwischen Solistin und Orchester, der von virtuosen Passagen und lyrischen Abschnitten geprägt ist. Die Dramatik und die emotionale Spannung steigern sich kontinuierlich bis zum dramatischen Höhepunkt des Satzes.

© Ansgar Klostermann

Der langsame zweite Satz ist das Herzstück des Konzerts. Hier offenbart Dvořák seine melodische Meisterschaft und schafft eine Atmosphäre der Innigkeit und Emotionalität. Die Solovioline trägt hier die Hauptmelodie vor, während das Orchester sie einfühlsam begleitet. Der Satz ist durchflochten von lyrischen Phrasierungen und expressiven Ausdrucksmöglichkeiten, die von der Solistin mit großer Sensibilität interpretiert wurden. Das lebhafte und fröhliche Finale begeistert mit seiner mitreißenden Energie. Es kombiniert Elemente eines Sonatensatzes mit einem Rondo und ist von einem überschwänglichen Charakter geprägt. Hier gibt es für die Violine schnelle Läufe, brillante Passagen und lebendige Themen. Die legendäre Midori spielte mit stupender technischer Sicherheit auf ihrer kostbaren Guarneri-Violine (1734). Ihre Interpretation zeichnete sich durch eine bemerkenswerte Klarheit in der Artikulation aus, während sie gleichzeitig die gesanglichen Abschnitte mit einer tiefen Innigkeit gestaltete. Midori verstand es, die dynamischen Kontraste des ersten Satzes effektvoll herauszuarbeiten, von den dramatischen Höhepunkten bis zu den lyrischen Momenten. Der langsame Satz, als eigentlicher Hauptteil des Konzerts, wurde von Midori und dem Prague Philharmonia mit einer außergewöhnlichen Sensibilität dargeboten. Midoris Geigenspiel war hier von einer berührenden Schönheit durchdrungen, während sie die melodischen Linien mit einer tiefen emotionalen Intensität ausgestaltete. Die Zusammenarbeit zwischen Solistin und Orchester war dabei von einer harmonischen Einheit. Der dritte Satz zeigte Midoris brillante Virtuosität in strahlendem A-Dur. Hier präsentierte sie mitreißende Passagen voller Lebendigkeit und Energie, die von einem festlichen Charakter geprägt waren. Das Orchester begleitete sie dabei mit einer kraftvollen Dynamik, volltönend, mit pulsierendem Rhythmus. Midoris konzentrierter Vortrag des Konzertes begeisterte mit technischer Brillanz und einem hingebungsvollen Spiel, dass das Publikum ausdauernd applaudieren ließ. Natürlich gab es eine Zugabe mit dem Preludio aus der Partita Nr. 3 E-Dur von J.S. Bach. Noch einmal genussreiche Minuten der besonderen Künstlerin. Die Sinfonie Nr. 8 G-Dur Op. 88 von Antonín Dvořák ist eines seiner beliebtesten Orchesterwerke und ein Meisterwerk der spätromantischen Sinfonik. Komponiert im Jahr 1889, zeigt die Sinfonie die reifen melodischen Einfälle und die meisterhafte Orchestrierung Dvořáks. Der erste Satz eröffnet die Sinfonie mit einem kraftvollen Thema, das von den Streichern vorgestellt wird und sich dann im ganzen Orchester entfaltet. Es folgen verschiedene thematische Entwicklungen und Kontraste, die von Dvořáks unverkennbarer slawischer Melodik geprägt sind. Der Satz endet mit einer triumphalen Wiederholung des Hauptthemas und einem kraftvollen Schlussakkord. Das Adagio ist ein ruhiges und lyrisches Intermezzo, das von einer zarten und innigen Atmosphäre geprägt ist. Die Melodie wird zunächst von den Streichern vorgestellt und dann vom gesamten Orchester weiterentwickelt. Der Satz zeichnet sich durch seine melodische Schönheit und seine subtile Harmonik aus, die von einer warmen und beruhigenden Stimmung durchdrungen ist. Das folgende heitere Scherzo ist von einem charmanten und tänzerischen Charakter bestimmt. Es beginnt mit einem verspielten Walzer-Thema, das sich durch das gesamte Orchester windet und von lebhaften Rhythmen und kontrastierenden Motiven begleitet wird. Der Satz strahlt eine fröhliche und beschwingte Atmosphäre aus, die das Publikum mitreißen und zum Schwelgen bringen kann. Der vierte Satz ist ein kraftvolles Finale, das die Sinfonie mit einer stürmischen Energie abschließt. Es beginnt mit einem energiegeladenen Thema, das von den Blechbläsern vorgestellt wird und sich dann im gesamten Orchester entfaltet. Der Satz zeichnet sich durch seine dramatischen Kontraste und seine mitreißenden Melodien aus, die von einem kraftvollen und triumphalen Schlussakkord abgerundet werden. Eugene Tzigane ist ein japanischer Dirigent, der für seine energiegeladenen und expressiven Interpretationen bekannt ist. Geboren in Japan, studierte Tzigane Musik und Dirigieren in Europa und arbeitete mit verschiedenen Orchestern in Europa und Asien zusammen, bevor er internationale Anerkennung erlangte. Sein Repertoire umfasst Werke aus verschiedenen Genres, darunter klassische Meisterwerke, zeitgenössische Kompositionen und auch Werke aus der Weltmusik. Zu seinen prägenden Mentoren gehören James DePreist und Jorma Panula. Eugene Tzigane und die Prague Philharmonia boten eine faszinierende Interpretation dieses Werkes dar, welche durch eine ausgeprägte Lebensfreude und Musizierfreude gekennzeichnet war. Die thematischen Elemente wurden mit großem Enthusiasmus und einer starken Kantabilität vorgetragen, wobei die Soli der unterschiedlichen Instrumentengruppen durch bemerkenswerte Klangfülle und Präzision bestimmt waren. Tzigane demonstrierte ein deutliches intuitives Verständnis für die Kraft und Eleganz der Musik, was ihr einen unverkennbaren Charakter verlieh, der voller Dramatik und Spannung pulsierte, jedoch stets in angemessener Maße blieb und sich zu beeindruckenden Dimensionen entfaltete.

© Ansgar Klostermann

Dabei gelang es ihm mühelos, zwischen lebhaften Melodien und sanften, farbenfrohen Soli zu wechseln. Sein Ausdrucksstil ist gekennzeichnet durch klare Vorgaben und einem zugrunde liegenden Streben nach künstlerischer Innovation, als ob jede Phrase und Passage ein neues Juwel wäre, das darauf wartet, geschliffen und glanzvoll poliert zu werden. Die Prague Philharmonia vermochte es, die vielfältigen Stimmungen und Nuancen der Sinfonie geschickt auszuarbeiten, von strahlender Heiterkeit bis hin zu melancholischer Melancholie, und bot dem Publikum ein musikalisches Erlebnis von höchster Qualität dar. Herrlich transparent erklangen die Streicher, warm und kantabel die Holzbläser, die Blechbläser mit knarziger Tuba strahlten um die Wette, dazu eine herrlich selbstbewusst auftrumpfende Pauke. Ein motiviertes Orchester mit erkennbar eigenem Klang und Charakter. Dazu war mit Eugene Tzigane ein fabelhafter Dirigent aufgeboten, der diesen schönen Konzertabend nachhaltig prägte.

Dirk Schauß, 9. März 2024


Besuchtes Konzert im Kurhaus Wiesbaden
am 7. Februar 2024

Midori, Violine
Prague Philharmonia
Eugene Tzigane, Leitung