Premiere am 6.06.2014
in Zirzensik erstickt
Es ist wie im Zirkus: Clowns, Muskelmänner, siamesische Zwillinge, Jongleure und Messerwerfer, Indianer, sogar Conchita Wurst ist dabei (gute Maskenbildung, phantasievoll und amüsant). Und doch ist es ein Klischee vom Zirkusleben – diese Zirkustruppe scheint die ganze Zeit ausgelassen zu feiern. Wo gibt es denn einen solchen Betrieb, in dem dies möglich ist? Meiner Kenntnis (und Erfahrung) nach ist Zirkus ein sehr hartes Geschäft, eine ununterbrochene Knochenarbeit. Zum Feiern hat es das Publikum. Und dieses bejubelt frenetisch die Premiere von „L’eilsir d’amore“ in Detmold.
Der Regisseur Christian Poewe hat sich für eine etwas abgeflachte Darstellung der aufkeimenden Liebesbeziehung Adina – Nemorino entschieden. Statt eines grotesk romantischen Spiels, geht es hier bunt und schrill zu. So wird die Annäherung der beiden Protagonisten mehr eine verständliche Folge des launischen und ausgelassenen Treibens, als eine emotional tiefere Neigung. Sonst könnte man sich nicht erklären, warum die schöne und reiche Adina ausgerechnet den unattraktiven einfältigen Hilfsarbeiter Nemorino zum Lebenspartner wählt.
Unter der Regie von Poewe wird Nemorino zu einem Clown wider Willen. Er, gesungen und gespielt von Ewandro Stenzowski, ist der einzige, der nicht zu der spielenden Truppe gehört, ein Faktotum, das dann und wann mit der Schubkarre ratlos hantiert. Also einer, der auch von der Manege ausgeschlossen bleibt. So agiert er auch, einer, der hinein will aber nicht kann, auch nicht in das Herz der zirkusschönen Adina. Schwer nachzuvollziehen, warum die Schöne & Reiche sich dann doch von dem Trottel verführen lässt.
Nur wenn Stenzowski zu Una furtiva lagrima ansetzt, zeigt er den scheuen, verletzlichen, unsicheren, verzweifelt liebenden, für alle Opfer bereiten Jungen. In Gedanken sieht man vor seinem Gesicht die Maske eines Clowns und die Traurigkeit eines Spaßmachers, der eigentlich nur ein Handlanger ist.
Katharina Ajyba als Adina agiert spontan, ihre manchmal hell aufbrausende Stimme korrespondiert mit der Rolle einer Frau, die sich ihrer Sonderstellung in der Truppe bewusst ist. Bereits nach der Premiere von West Side Story habe ich geschrieben: Katharina Ajyba glänzte als Maria-Darstellerin… Ich meine, (sie) würde in einer Opernrolle noch mehr glänzen; in West Side Story kontrastiert Ihre kraftvolle, reife Stimme zu deutlich mit dem Musical-Sound des Ensembles. Nun hat sie ihre Opernrolle, die meine Prognose bestätigt: Hier zeigt sie auf hohem professionellem Niveau ihre Stimmsicherheit und Gesangstechnik, und die Leichtigkeit des Schauspiels. Kurzum, eine junge Opernsängerin und -schauspielerin mit merklich guten weiteren Perspektiven.
Gute Chancen für weitere Erfolge hat auch die selbstbewusste, stimmsichere Nachwuchssängerin Franziska Ringe, hier in der Rolle der Gianetta.
Und der Quacksalber Dulcamara? Michael MacKinnon ist ein guter Sänger mit einem ungebremsten Hang zur Selbstdarstellung. Einverstanden, wenn er bewusst einen Berufsanfänger spielt, der mit einer kindlichen Freude auf die ersten Betrugserfolge reagiert – so ließe sich seine ununterbrochene Selbstbegeisterung erklären. Aber ob die Zirkusleute ihm das abnähmen? Hier passt etwas nicht zusammen: Der kindliche Quacksalber und die Leichtgläubigkeit der Zirkusleute, die ja von Berufs wegen Vollprofis in dem Truggewerbe sind.
Oder war das doch die Wirkung des Liebestranks? – Wer zweifelt an dessen magischen Kräften, sei eines Besseren belehrt. Der Zaubertrank ist zwar nur ein einfacher Wein. Aber sobald Nemorino ihn ausgetrunken hat und trunken über die Angebetete lästert, fällt diese auf ihn rein: Nein nein nein nein, so geht das nicht, mein Lieber, du wirst nicht über mich lachen, oh nein, du wirst mich lieben! – Also, wenn das kein Zauber ist.
Jan Ochalski 16.6.14
Fotonachweis: Landestheater/Lefebvre