Linz: „Das Rheingold“

8.5. (Premiere: 26.10.2013)

Orient trifft auf klassische Antike

Dem Programmheft war zu entnehmen, dass das Landestheater Linz als weltweit erstes Theater Das Rheingold mit dem neu edierten Orchestermaterial des Schott-Verlags nach der Richard Wagner-Gesamtausgabe herausbringt. In erwartungsvoller Spannung ließ sich der Rezensent daher auf seinen Sitz nieder. Am Pult des Bruckner-Orchesters Linz stand Dennis Russell Davies. Es ist seine letzte Saison in Linz. Und unendlich getragen hebt das Orchester im berühmten Es-Dur Dreiklang zum sich steigernden Rauschen des Rheins an, der zunächst als Videoprojektion von Falk Sternberg in einem schmalen Band in der Bühnenmitte horizontal verläuft. Ein überdimensionales Auge (Bühnenbild: Gisbert Jäkel) lässt dann den Blick auf die Rheintöchter frei, die in silbernen Trikots (Kostüme: Antje Sternberg) über den felsigen Boden des Rheins umhertollen, was einer gewissen unfreiwilligen Komik nicht entbehrte. Mari Moriya als Woglinde, Gotho Griesmeier als Wellgunde sowie Valentina Kutzarova als Flosshilde bildeten dabei ein gesanglich ausgewogenes stimmiges Terzett, das mit dem armen Nachtalben Alberich ihr böses Spiel trieb. Genau genommen verflucht ja Alberich erst dann die Liebe, die er auf Grund seines Äußeren von den schönen Rheintöchtern nicht erlangen kann, nachdem sie ihn, was im Grunde genommen auch besonders sadistisch ist, verspotten und quälen. Dem Lieblosen bleibt daher nur ein Ausweg: das Gold zu rauben, um sich damit Liebe zu erzwingen. Und als Gold dient den Rheintöchtern auf dem Bühnenboden befindliche Plättchen, die sie in die Luft wirbeln und dann umher fliegen lassen, was ebenfalls unfreiwillig komisch wirkte…

In der Rolle von Alberich glänzte mit hervorragender Diktion und ausdrucksstarkem Spiel Oskar Hillebrandt, der im vierten Bild dann in einem Käfig vorgeführt wird, ähnlich jenem des Zwergs in der Inszenierung von Zemlinskys Der Geburtstag der Infantin von Adolf Dresen an der Staatsoper Hamburg 1983. Und wenn ihm dann Wotan gleich den Finger mit seinem Speer abtrennt, um den Ring zu raffen, dann weckt das Erinnerungen an die ähnlich, aber ungleich brutaler, gestaltete Szene bei Kasper Bech Holten im Kopenhagener Ring von 2006 wach, wo Wotan Alberich gleich den ganzen Unterarm abtrennt, um den „Armreif“ an sich zu reißen. Matthäus Schmidlechner war stimmlich ein sehr guter Mime, der mit seiner Brille die Attitüde eines neuzeitlichen Forschers ausstrahlte.

Die Götterszenerie stellt ein orientalisches Zelt dar, in welchem Kisten verstreut umher stehen, welche die Ménage der Götter enthalten und am Ende der Oper von livrierten Dienern in das Innere der Götterburg Walhall verschafft werden. Karen Robertson als Fricka weckte gleich zu Beginn mit alles durchdringendem Ruf ihren Göttergatten Wotan aus seinem eher unwissenden Schlaf auf. Dieser noch junge Wotan wurde von Gerd Grochowski mit angenehmer bassbaritonaler Eleganz äußerst solide, aber unspektakulär, präsentiert. Er tritt in typisch orientalischer Gewandung mit einem Fes auf dem Kopf auf. Auffallend war die überlaut aus dem Souffleurkasten agierende Souffleuse, die scheinbar des Guten oft zu viel tat, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die Sänger und Sängerinnen derartige Textunkenntnisse hatten.

Bei Dominik Nekel als Fasolt hatte ich allerdings auf Grund der oft verspäteten Einsätze schon den Eindruck, dass er zwar nicht mit der Melodei, doch aber mit dem Text ziemlich frei umging. Nikolai Galkin hat als Fafner viel weniger zu singen, das tat er aber dafür mit Prägnanz.

Seho Chang stattete den Donner mit sonoren Bassqualitäten aus und Pedro Velázquez Díaz bereitete den Göttern als Froh einen würdevollen Einzug in ein hellenistisch gestaltetes Walhall.

Positiv angemerkt muss auch die Freia von Sonja Gornik werden. Als Göttin der Fruchtbarkeit, des Frühling, der Liebe und als Lehrerin des Zaubers, tritt sie gleich mit einigen Kindern, Symbol ewiger Jugend und des immerwährend Neuen, auf. Beim Einzug nach Walhall streuen die Kleinen dann noch Blüten, womit der häufig gesehene Madama Butterfly Kitsch schon Einzug in Wagners hehre Götterwelt hält. Ungeschickt von Regisseur Uwe Eric Laufenberg gelöst ist auch die Verhüllung Freias mit dem Rheingold. Sie wird dabei wie an einen indianischen Marterpfahl mit den Armen über dem Haupt gebunden und genau diese beiden Arme werden vom Gold dann auch nicht verdeckt. Man fragt sich also unwillkürlich, ob denn der liebestrunkene Fasolt lediglich Freias holdes Auge sehrend erblickt und in seinem letztlich todbringenden Liebesrausch die nackten Arme völlig übersieht?

Michael Bedjai war als Loge leider stimmlich indisponiert, was eine völlig verquollene Höhe zur Folge hatte. Diesen Fehler machte er aber durch seine überragende schauspielerische Gestaltung der Rolle dieses ungestümen wie listigen Halbgottes einigermaßen wett.

Bernadett Fodor musste sich als Erda auch wenig spektakulär aus dem Bühnenhintergrund zwischen die Götterschar mischen, bewies aber mit ihrem gewaltigen Mezzo wahre mahnende Walaqualitäten, die keinen Widerspruch dulden!

Eine optische Herausforderung jeder Rheingoldinszenierung ist die zweimalige Verwandlung Alberichs im dritten Bild. Bei der Wandlung zum wilden Wurm, wird uns zunächst einmal eine Koloskopie vorgeführt, die sich schließlich zum Auge eines Reptils und im zweiten Verwandlungsdurchgang endlich in die klitzekleine Kröte umformt.

Dennis Russel Davies war am Pult des Linzer Bruckner-Orchesters ein unterstützender Begleiter der Stimmen, was natürlich auf Kosten der dramatischen Struktur der Partitur ging. Er vermied ausladende sinfonische Bögen und setzte vielmehr auf einen zurückhaltenden Wagner-Sound, der ihm auch am Ende der Vorstellung einen Buhruf aus dem Auditorium eintrug.

Mit den Sängern und Sängerinnen gab sich das Publikum am Ende der Vorstellung zufrieden, Beatrix Fodor erhielt sogar Blumen auf offener Bühne und sie war ja auch, neben Oskar Hillebrandt, der gesangliche Höhepunkt an diesem Abend.

Harald Lacina, 10.5.
Fotocredits: Karl Forster