Linz: „Götterdämmerung“

7.2. Premiere, besuchte Vorstellung am 25.4.

Szenisch nicht stringent, musikalisch unausgewogen

Der Abschluss der Tetralogie in der umstrittenen Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg hatte bereits am 7.2. seine Premiere im Neuen Opernhaus in Linz gefeiert. Eine zeitliche Distanz zur Premiere kann gewinnbringend sein, denn die Mitwirkenden haben dann bereits einen Großteil der Nervosität abgelegt. Dafür schleichen sich andere Mängel ein, so vor allem die Beherrschung des Textes. Das war an diesem Abend bei Elena Nebera als Brünnhilde zu bemerken, die, um den Gesangsfluss nicht zu bremsen, einfach passende Lautschöpfungen kreierte. Aber auch bei den Rheintöchtern fehlte plötzlich eine ganze Zeile!

Dieser Gefahr ging Lars Cleveman als Siegfried gleich von vornherein aus dem Weg, indem er sich bei Bedarf in der Nähe des Soufleurkastens – lauschenden Ohres – aufhielt. Das ist eben der Vor- aber auch der Nachteil einer Übertitelung. Man liest zwangsläufig mit und entdeckt dann manchmal überraschende textliche Abweichungen vom Gelesenen, obwohl die Übertitel wiederum auch nicht immer den genauen Text des Librettos wiedergeben. Ich wünschte für mich, es nur einmal bei Wagner zu schaffen, nicht mitzulesen. Aber dafür eignet sich wohl nur Bayreuth und Erl.

Die drei Nornen agieren zu Beginn rund um einen gläsernen Kubus im Bauhausstil, dem Heim des trauten Paares Brünnhilde und Siegfried. Von den drei wesensgemäß schwarz mit grau gesteiftem Oberteil gekleideten Nornen (Kostüme: Antje Sternberg) empfahl sich die Ungarin Bernadett Fodor, die später noch als Waltraute auftrat, mit ihrem einprägsamen, voluminösen Mezzosopran als erste Norn. Karen Robertson und Brit-Tone Müllertz als zweite und dritte Norn traten ihr gegenüber gesanglich etwas in den Hintergrund. Und als stummer Zeuge, teils als bloßer Schatten, teils realiter, erscheint Gerd Grochowski als Göttervater Wotan, wodurch die Szene zwar göttlich, aber doch entbehrlich, aufgepeppt wurde.

In der gleichfalls von Bauhausstilelementen durchwachsenen Gibichungenhalle mit langer Tafel und bequemen Chefsesseln (Bühnenbild: Gisbert Jäkel) reicht ein alle Mitwirkenden an stimmlicher wie körperlicher Größe haushoch überragender Albert Pesendorfer als Hagen den bar jeglicher guter Umgangsformen ungestüm auftretenden Siegfried den Trank des Vergessens, um diesen Rowdy willfährig für die eigenen Pläne zu formen. Aber dieser Longinus ist nicht der Größte auf der Bühne. Grane erscheint und Hagen reicht ihm trotz stattlicher Figur gerade einmal bis zum Knie! Das inzestuöse Verhältnis von Siegmund und Sieglinde scheint sich übrigens hier zwischen Gunther und Gutrune scheinbar zu wiederholen, derart innig sind sie einander zugetan.

Während Hagen auf einem Stuhl auf der geräumigen Tafel der Halle Wacht hält, erscheinen Alberich und Hagens Mutter Grimhild als Obdachlose gekleidet und bewachen seinen Schlaf. Björn Waag als Alberich hat gleich eine Videokamera mitgebracht um sein vergrößertes Konterfei vom Hintergrundprospekt aus drohend über dem Sohn wachend auszubreiten und ihn für seinen Machtanspruch als Herr des Ringes zu missbrauchen. Aber Söhne widersetzen sich ja bekanntlich zumeist den Zukunftsplänen ihrer Väter…

Siegfried wiederum lässt an den Designer-Walkürenfelsen zurückgekehrt keinen Zweifel mehr über seine wahre Natur aufkommen. Der Inzestspross will nach dem kurzen Intermezzo mit seiner Tante Brünnhilde nur mehr eines: ohne Rücksicht Karriere machen und so schreckt er auch nicht davor zurück, die ohnmächtige Brünnhilde am Ende des ersten Aufzugs in eigener Gestalt (und nicht der von Gunther) zu missbrauchen.

Der zweite Akt spielte wieder in der bekannten Gibichungenhalle und der sichtlich leicht angeheiterte Hagen lässt sich von seinen Mannen zunächst willfährig auf einem Drehsessel hin- und herschieben. Die im Vorspiel und im ersten Akt noch in Designerkleidung aufgetretene Brünnhilde erscheint nun in einem züchtigen altmodischen weißen Hochzeitskleid. Nach Siegfrieds und Brünnhildens Eid auf die Spitze des Speeres und dem vom Triumvirat Hagen, Gunther und Brünnhilde vereinbarten Todesurteil über Siegfried ging der szenisch wenig spektakuläre zweite Aufzug zu Ende.

Im dritten Aufzug erscheinen die drei Rheintöchter als lockere Animierdamen in der Bar „Zum Rheingold“. Danach gibt dann Siegfried den Mannen einige Jugendschwänke über Fafner, den Waldvogel und schließlich Brünnhilde zum Besten. Auffallend dabei war, dass er diese Stellen nicht mit Kopfstimme vortrug! Bravo!

Zurück in die Gibichungenhalle gekehrt, präsentiert Hagen Gutrune ihren auf der Jagd getöteten Gatten Siegfried. Als Gunther dessen Ring für sich beansprucht, schneidet ihm sein Halbbruder Hagen in IS-Manier die Kehle durch. Brünnhilde schreitet zu ihrem letzten Gang ins Feuer, das den Weltenbrand entzündet und stimmt ihren bewegenden, einige Worte übergehenden Schwanengesang an.

Eine Videoprojektion von Falko Sternberg zeigt den Untergang der Zivilisation durch Naturkatastrophen und atomare Zerstörungen. Gutrune erscheint als einzige Überlebende mit einem Fernrohr auf der Bühne und sucht den Horizont nach einer besseren Welt ab…

Von der gesanglichen Seite waren der Hagen von Alfred Pesendorfer mit gewaltigem Bass und die Waltraute / erste Norn von Beatrix Fodor die stimmlichen Höhepunkte an diesem Abend, dicht gefolgt von Seho Chang als Gunther und Björn Waag als Alberich. Elena Nebera als Brünnhilde verfügt zwar über eine strahlende Höhe, in der mittleren, vor allem aber in der tiefen Lage schwächelte sie hörbar. Eine gute gesangliche Leistung bot Brit-Tone Müllertz als Gutrune, die sich auch als dritte Norne stimmlich wacker hielt.

Die drei Rheintöchter waren mit Claudia Braun-Tietje als Woglinde, Gotho Griesmeier als Wellgunde und Valentina Kutzarová als Flosshilde, abgesehen von textlichen Unsicherheiten, gesanglich ausgewogen besetzt.

Ingo Ingensand sorgte am Pult des Bruckner Orchesters Linz dafür, dass der Abend ohne größere Intonationsprobleme verlief. Man hat freilich schon bessere Götterdämmerungen gehört, allerdings auch viele weitaus schlechtere! Und auch der Chor und Extrachor des Landestheaters Linz unter seinem Leiter Georg Leopold war für den vom Applaus des Publikums als Erfolg eingestuften Abend mitverantwortlich. Ein zaghaftes Buh für Elena Nebera ging im starken Applaus unter.

Harald Lacina, 26.4.

Fotocredits: Karl Forster