Linz: „Der fliegende Holländer“, Richard Wagner

Spagat zwischen Mythos und Realität!

© Reinhard Winkler

Seit nun schon vielen Jahren widmet sich das Landestheater Linz unter seinem Intendanten Hermann Schneider einer eindrucksvollen Pflege des Werkes von Richard Wagner. So war es nur konsequent, dass man nun nach dem Ring des Nibelungen, Tristan und Isolde sowie Parsifal mit dem Fliegenden Holländer, einem Frühwerk des Bayreuther Meisters, und zwar in der Regie des Intendanten selbst, herauskam. Und es wurde ein voller Erfolg, sowohl inszenatorisch wie musikalisch.

GMD Markus Poschner dirigierte das Bruckner Orchester Linz mit einem federnd leichten, aber permanent die Spannung der Bewegung des gerade dieser Produktion zugrunde liegenden Meeres manifestierend. Dazu die hervorragende Chöre, von Elena Pierini und David Barnard einstudiert, besonders in dem schockierenden Clash des Holländerchores mit den Norwegen im 3. Akt, „Steuermann lass die Wacht…“. Da war das ganze Landestheater am Beben, in der Tat aufregendes, unter die Haut gehendes Musiktheater! Aber auch der Damenchor im 2. Akt überzeugte vollkommen bei exzellenter Chorografie.

© Reinhard Winkler

Es begann im Bühnenbild von Dieter Richter in einer kleinen Seemanns-Kneipe, und dann kam auf einmal dieses riesige Holländerschiff heran, wie ein Supertanker namens Bernard Lokke. Der griechische Bassbariton Aris Argiris verkörperte einen hervorragenden Holländer. Man merkte, dass er genau weiß, was er singt, und zeigt es auch mit seiner Mimik. Und Argiris meint auch, was er singt, und hat das Stück damit praktisch getragen – ein Holländer der Extraklasse. Dorothea Herbert, die eingesprungen war, sang mit ihrem schönen Sopran die Senta äußerst engagiert und menschlich. Es war interessant, was der Regisseur hier beabsichtigte. Er kultiviert zwar den Holländer-Mythos, bringt ihn aber in Verbindung mit der Realität unserer Tage. So ist dieser Fliegende Holländer eigentlich ein Stück unserer Zeit, was man auch an den Kostümen von Meentje Nielsen aus dem Ambiente eines heutigen Fischerdorfes sieht. Senta kommt in einer Öljacke. Der Holländer trägt eine goldene Armbanduhr, Aperçus der Gegenwart.

Das war gelungene Realität im Kontext des Mythos und nicht nur Realität exklusiv wie beim Regisseurs-Theater – ein endlich einmal gelungener Spagat zwischen Mythos und Aktualität. Dieser wurde lediglich etwas gestört durch den als gewaltbereiten Polizisten mit zu oft gezogener Dienstpistole überzeichneten Erik, eigentlich ein Jäger, von Matjaz Stopinšek. Er wurde mit einem etwas gutturalen Timbre der Rolle stimmlich nicht ganz gerecht. Die Mary von Manuela Leonhartsberger hat vokal sicher bessere Zeiten hinter sich. Jonathan Hartzendorf sang hingegen einen hervorragenden und auch darstellerisch beeindruckenden Steuermann. Michael Wagner gab einen kraftvollen Daland mit profundem Bass und empfahl sich damit für größere Aufgaben.

© Reinhard Winkler

Gleich zu Beginn sah man die kleine Senta (Charlotte Barta), die in einer intelligenten Bespielung des Vorspiels das Herbeischaffen von ertrunkenen Matrosen in Leichensäcken beobachtet. Sie fixiert sich auf einen noch lebenden, aber langsam sterbenden Seemann und entdeckt auf diese Weise ihre Assoziation, ihr Mitleid, oder gar ihre Liebe bzw. eine Verbindung aus beidem, zu diesem fremden Holländer. Ihr Gefühl manifestiert sich das ganze Stück über und führt zu einem unerwarteten, aber vieldeutigen Ende. Da sitzt sie mit der „alten“ Senta am Meer, genüsslich ein Sandwich essend, während der Holländer fast gleichgültig die Tür in der Bordwand seines Tankers hinter sich zuschlägt und verschwindet. Es drängt sich in Linz der Eindruck auf, ob er überhaupt erlöst werden wollte – ein in der Tat interessanter Schluss!

Klaus Billand, 14. Februar 2025


Der fliegende Holländer
Richard Wagner

Landestheater Linz

Besuchte Aufführung am 30. Januar 2025
Premiere am 25. Januar 2025

Inszenierung: Hermann Schneider
Musikalische Leitung: Markus Poschner
Bruckner Orchester Linz