Potsdam: „So tanzt die Renaissance / Tanzwut“, Musikfestspiele Sanssouci

Allerorten wird getanzt

Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci zeichnen sich seit Jahren durch originelle Programmkonzeptionen aus. In diesem Jahr war „Tanz“ das Motto, was eine Fülle von attraktiven Aufführungen versprach. Im Schlosstheater des Neuen Palais gab es Grauns Oper Adriano in Siria, welche erstmals 1746 an der Königlichen Oper in Berlin erklang, seither aber nicht mehr gespielt wurde.

Wie stets wurden die Aufführungen im Schlosstheater begleitet von hochkarätigen Konzerten und interessanten Veranstaltungen an verschiedenen Spielorten. So gab es am 14. Juni 2024 in der Pflanzenhalle der Orangerie einen Abend mit dem Titel So tanzt die Renaissance. Der renommierte Tänzer und Choreograf Hubert Hazebroucq, der sich auch als Tanzforscher einen Namen gemacht hat, offerierte mit dem Ensemble DOULCE MÉMOIRE ein faszinierendes Programm mit Pavanen, Balli, Gaillarden, Morescas, Spagnolettas und weiteren Tänzen von den Höfen in Burgund, Italien und Frankreich.

Neben ihm traten Irene Feste und Antonin Pinget in prachtvollen historischen Kostümen auf. Dieses Tanz Trio zeigte in seinen abwechslungsreichen Auftritten galante höfische Schreittänze, lebhafte Saltarelli, graziöse Courantes mit Girlanden und turbulente Spagnoletts der Commedia dell´ arte. Die Gruppe von Sängern und Musikern mit ihrem Leiter, der selbst verschiedene Blasinstrumente spielt, hatte im ersten Programmteil Tänze des 15. Jahrhunderts aus Frankreich und Italien ausgewählt.

Schon die einleitende La Spagna von Heinrich Isaac versprach einen Abend voller faszinierender Klangwelten. Im 2. Teil waren die Programmschwerpunkte mit Pastorale, Commedia dell´arte und Mythologisches Intermedium überschrieben. Die historischen Blasinstrumente mit ihrem schnarrenden Ton und die wohllautenden Stimmen der Sopranistin Capucine Keller und des Altus Paulin Bündgen fügten sich zu wunderbaren Klanggebilden, lebhaft endend mit Giovanni Giacomos Gastoldis A lieta vita von 1602 – dem Titel gemäß einem wahrhaft fröhlichen Ausklang.

Am nächsten Abend konnte man in der Friedenskirche ein besonderes Konzert mit dem Titel Tanzwut: Straßburg 1518 erleben. Dieser bezieht sich auf ein historisches Ereignis von mysteriösem Zuschnitt, als 1518 in Straßburg die Bürger der Stadt monatelang in eine unerklärliche Tanzwut verfielen. Ursache für diesen „Veitstanz“ war möglicherweise eine Vergiftung mit Mutterkorn. Wie viele mittelalterliche Städte hatte Straßburg zudem eine eigene Stadtpfeiferei – nicht nur mit Turmbläsern, sondern auch Tanz- und Tafelmusikern. Zu den Instrumenten zählten Trompeten, Pommern, Schalmeien, Posaunen sowie Dudelsack, Einhandflöte, Drehleier, Tamburin und Harfe.

All diese waren auch im Konzert zu hören, gespielt vom Ensemble LES HAULZ ET LES BAS. Dessen Leiterin Gesine Bänfer spielt Schalmei, Pommer und Dudelsack. Auch die anderen sechs Musiker beherrschen virtuos mehrere Instrumente. Die Kompositionen stammten aus dem 15. bis zum 17. Jahrhundert. Bekannte Namen waren Michael Praetorius und Martin Luther, dessen Choral Verleih uns Frieden gnädiglich zu hören war.

Das Tanzpaar Emanuela Lodato und Cales Mas I Garcia allerdings enttäuschte mit seinen Auftritten. Vor allem der Franzose, mit seiner stattlichen Körperfülle in einen engen barocken Gehrock gezwängt, wirkte mit seinen harmlosen Schrittchen recht behäbig und dilettantisch, während sein Spiel auf der Einhandflöte untadelig war. Die Sizilianerin gefiel dagegen als Tänzerin mit raumgreifenden Bewegungen, während ihre Versuche als Sängerin bescheiden ausfielen. In jedem Fall entsprachen beider Darbietungen nicht dem Titel des Tanzkonzertes, denn unter „Tanzwut“ hatte der Besucher eine gänzlich andere Vorstellung.

Bernd Hoppe, 24. Juni 2024


Musikfestspiele Potsdam Sanssouci:
Pflanzenhalle der Orangerie
Friedenskirche

14. und 15. Juni 2024

Hubert Hazebroucq/Gesine Bänfer
Doulce Mémoire/Les Haulz et les Bas