Oberhausen: „Elisabeth“, Michael Kunze und Sylvester Levay

Seit seiner Uraufführung im September 1992 im Theater an der Wien feierte das Musical Elisabeth immer wieder große Erfolge und zählt heute zweifellos zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Musicals aller Zeiten. Zahlreiche Preise, CD-Veröffentlichungen und Tourneen folgten in den letzten drei Jahrzehnten. In mehr als elf Ländern wurde das Werk bisher in verschiedenen Sprachen aufgeführt. Im Sommer 2019 feierte Elisabeth vor dem Schloss Schönbrunn in einer konzertanten Fassung Premiere, die in den Folgejahren an der einen oder anderen Stelle weiter verbessert wurde. Als halbszenische Aufführung ist diese „Schönbrunn-Version“ seit Mitte Dezember auf großer Tournee in Deutschland und der Schweiz zu sehen. Nach Aufführungen in der Alten Oper Frankfurt und im Deutschen Theater München fand am 5. Februar die umjubelte NRW-Premiere statt. Das Metronom Theater Oberhausen ist dabei der einzige Spielort in Nordrhein-Westfalen, an dem die von Semmel Concerts und Limelight Live Entertainment veranstaltete Tour zu sehen sein wird.

© Zheng Tianra

Das Musical erzählt die Lebensgeschichte der österreichischen Kaiserin Elisabeth fernab vom Kitsch der bekannten Sissi-Verfilmungen. Autor Michael Kunze war es bei der Entwicklung des Stückes ein zentrales Anliegen, die wahre Geschichte der österreichischen Kaiserin zu erzählen und die Titelfigur als zutiefst unglückliche Frau zu gestalten. Die Handlung beginnt einige Jahre nach dem Tod der Monarchin in der Welt der Toten und Träumer, in der sich Elisabeths Mörder Luigi Lucheni vor einem unsichtbaren Richter für seine Tat verantworten muss. Dabei berichtet er, dass ihn keine Schuld treffe, sondern dass ihn der Tod höchstpersönlich zur Tat angestiftet habe. Hier liegt auch der Kniff der Geschichte, denn der Tod spielt als personifizierte Figur eine zentrale Rolle in diesem Musical und taucht immer wieder in Elisabeths Leben auf. Bereits als kleines Mädchen begegnet Elisabeth ihm zum ersten Mal, nachdem sie von einer Schaukel fällt und sich schwer verletzt. Seit diesem Moment sind die beiden Figuren untrennbar miteinander verbunden. So taucht der Tod auch bei der Hochzeit mit Kaiser Franz Joseph auf, dort noch als Gast, der das Geschehen mehr beobachtet als beeinflusst. Das ändert sich im Laufe des Abends zusehends. Nach dem Tod der Tochter Sophie wittert der Tod erneut seine Chance und umgarnt die von den Machtspielen der Erzherzogin frustrierte Elisabeth. Diese wehrt sich jedoch und beschließt, sich fortan nur noch um sich selbst zu kümmern. So bleibt auch ihr Sohn Rudolf auf der Strecke, eine leichte Beute für den Tod. Immer wieder taucht auch Lucheni auf der Bühne auf, der das Publikum als eine Art Erzähler durch die Geschichte führt und so auch die teilweise vorhandenen, etwas größeren Zeitsprünge deutlich macht.

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Sylvester Levay komponierte die Musik zu dieser Geschichte und schuf mit Songs wie Ich gehör nur mir, Der letzte Tanz oder Die Schatten werden länger einige der größten Musicalhits aller Zeiten. Aber auch abseits dieser bekannten Songs bietet die Partitur vom Anfang bis zum Ende viele weitere musikalische Highlights. Immer wieder geschickt eingefügte Reprisen sorgen für eine stimmige Gesamtkomposition. Wenn sich solch hervorragende Musik mit einer guten Geschichte paart, braucht es nicht mehr viel drumherum. Hier gelingt es Regisseur Gil Mehmert mit seiner Personenführung und der geschickten Konzentration auf wenige besondere Momente, selbst diese halbzensierende Aufführung so zu gestalten, dass man sich als Zuschauer über die gesamten zweieinhalb Stunden in die Geschichte hineinversetzt fühlt und ein großes Bühnenbild gar nicht vermisst. Zentrales Element der Bühne ist ein beleuchteter Rahmen auf einer großen Treppe, der als Bilderrahmen, Spiegel, aber auch als Halterung für eine Schaukel dient. Außerdem wird er von Zeit zu Zeit von den Solisten und dem Ensemble effektvoll bespielt. Rechts und links davon ist das Orchester (Musikalische Leitung: Bernd Steixner) auf der Bühne platziert, im Hintergrund sorgen stimmungsvolle Projektionen im Zusammenspiel mit einem gelungenen Lichtdesign für Abwechslung. Optisch ansprechend sind die Kostüme der Darsteller, hier muss der Zuschauer auf nichts verzichten.

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Das Highlight dieser Tournee ist jedoch – wie könnte es bei einer halbszenischen Inszenierung anders sein – die Besetzung, allen voran Lukas Mayer als Tod. Mit einer unglaublichen Ausstrahlung und einer stets treffenden Gestik verleiht er der Rolle etwas Mystisches, ganz so, wie es sich die Autoren damals vorgestellt haben. Mayer spielt den Tod mit einer ungeheuren Intensität, die ihresgleichen sucht. Dabei überzeugt er auch stimmlich auf ganzer Linie und trifft jeden Ton genau. Viele große Musicaldarsteller durften in den letzten 30 Jahren in dieser Rolle glänzen, Mayer fügt sich hier nicht nur nahtlos ein, sondern setzt eigene starke Akzente. Als Elisabeth stand am Premierenabend Bettina Mönch auf der Bühne, die sich die Rolle derzeit mit Roberta Valentini teilt. Auch hier kann man ohne Übertreibung von einer in allen Punkten passenden Besetzung sprechen. Stimmgewaltig wird sowohl die junge als auch die sichtlich gealterte Elisabeth von Bettina Mönch glaubhaft verkörpert. Großes schauspielerisches Talent beweist auch Robin Reitsma in der Rolle des Luigi Lucheni. Erstaunlich akzentfrei führt der Niederländer durch die Geschichte, genau in dem Theater, in dem er 2018 als Strat in Bat Out of Hell seine erste große Rolle in Deutschland spielte.

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Neben den drei Hauptrollen sind auch die anderen Figuren erstklassig besetzt. Masha Karell verleiht der Erzherzogin Sophie nicht nur stimmlich eine gewisse Stränge. Lander Van Nuffelen hat als Kaiser Franz Joseph die undankbare Rolle, im ganzen Stück keine wirklich große Rolle spielen zu dürfen. Dafür überzeugt er umso mehr im großen Duett Boote in der Nacht, in dem sich das Kaiserpaar eingestehen muss, dass sie wohl doch mehr nebeneinander als miteinander durchs Leben gleiten. Die weiteren Rollen bei der Premiere übernahmen Dennis Hupka als Erzherzog Rudolf, Sophie Bauer als Herzogin Ludovika sowie Frau Wolf und Claus Dam als Herzog Max in Bayern. Ein sechzehnköpfiges Ensemble übernimmt weitere kleinere Rollen und sorgt vor allem in den Ensemblestücken Milch und Kitsch für kleine Gänsehautmomente.

Kaum ist der letzte Ton verklungen, springen fast alle Besucher im ausverkauften Theater begeistert auf und spenden den Darstellern und Musikern lang anhaltenden Applaus, den sie sich redlich verdient haben. Eine umjubelte Produktion, die dem schönen Metronom-Theater sicher noch viele begeisterte Besucher bescheren wird. Nicht umsonst gibt es inzwischen eine zweite Spielzeit von Mitte April bis Mitte Mai, die kürzlich sogar um eine Woche verlängert wurde.

Markus Lamers, 7. Februar 2025


Elisabeth
Musical von Michael Kunze und Sylvester Levay

Premiere Oberhausen: 5. Februar 2025

Inszenierung: Gil Mehmert
Musikalische Leitung: Bernd Steixner

Trailer

Aufführungen in Oberhausen: 6. Februar bis 2. März sowie 15. April bis 11. Mai
Weitere Spielorte: Berlin, Zürich, Basel, Baden-Baden, Bremen, Hannover, Dresden, Füssen