Neuss: „I lamenti d’Orfeo“, Giovanni Alberto Ristori

Nach dem großen Erfolg im Vorjahr fand in der vergangenen Woche die zweite Auflage des Globe Baroque an der Neusser Rennbahn statt. Die Veranstaltung des Kulturamtes Neuss wurde hierbei erneut in Kooperation mit dem Festival Alte Musik Knechtsteden entwickelt, welches sich im Bereich der Alten Musik bei vielen Musikfreunden inzwischen einen hervorragenden Ruf erworben hat. Im Vergleich zur brühtenden Sommerhitze im Vorjahr waren bei der zweiten Auflagen auch die Temperaturen im nicht klimatisierten Globe Theater sehr angenehm und standen dem Kulturgenuss nicht im Wege. Da zur Einführung bei einem kleinen Picknick im Park eine Stunde vor Vorstellungsbeginn sogar die Sonne raus kam, kann man mit der Wettersituation wohl sehr zufrieden sein.

© Graca Darius Bijalojan

Viel wichtiger als das Wetter ist aber die eigentliche Vorstellung. Hier hat man sich in diesem Jahr für die Serenata I lamenti d’Orfeo von Giovanni Alberto Ristori entschieden, welche zu Ehren der Kronprinzessin am Karfreitag des Jahres 1749 am Dresdener Hof uraufgeführt wurde. Das Programmheft unterstützt den Zuschauer hier sehr schön bei der Reise in die Vergangenheit und gibt auf sieben Seiten ausführliche Informationen zur historischen Einordnung. Etwas kürzer ist diese Erläuterung auch auf der Homepage des Festival Alte Musik zu finden: „Mit der Hochzeit von Kronprinz Friedrich Christian von Sachsen und seiner Cousine Maria Antonia Walpurgis von Bayern beginnt im Musikleben der Residenzstadt Dresden ein neues goldenes Zeitalter. Maria Antonia genießt während ihrer Kindheit am Münchner Hof eine umfassende musische Ausbildung. Um ihre Talente weiter zu fördern, stellt der Dresdner Hof vier herausragende Komponisten und Musiker ein: Johann Adolph Hasse, Nicola Porpora, Silvius Leopold Weiss und Giovanni Alberto Ristori. Letzterer wird als Clavier-Lehrer dem Hofstaat des Kronprinzenpaares zugeteilt. Er muss sogar ins Kronprinzenpalais einziehen um sicherzustellen, dass Maria Antonia zu jeder Zeit Zugang zu dem italienischen Komponisten hat. Zwischen den beiden entwickelt sich eine fruchtbare musikalische Freundschaft, aus der zahlreiche Werke hervorgehen.

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Mit I lamenti d’Orfeo schuf Ristori seinerzeit zu Texten des Hofdichters Giovanni Claudio Pasquini eine eigene Version rund um den Orpheus-Stoff, in dem es nicht um Eurydike gehen sollte. Vielmehr ist Orpheus nach seinem Abstieg in die Unterwelt zurück bei seiner Mutter Calliope, noch immer aufgewühlt und voll der Klagen. Voller Selbstmitleid berichtet Orpheus von seinen Erlebnissen, bis Calliope genug davon hat und ihn liebevoll aber eindringlich auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Diskussion um die Rolle des Künstlers, an derem Ende Orpheus voller Zuversicht in die Zukunft schaut. Bei diesem Blick in die Zukunft bringt Ristori geschickt eine Huldigung an Maria Antonia Walpuris ein, indem Calliope ihrem Sohn prophezeit, dass die Götter seine Leier eines Tages ans Firmament versetzen werden und auf ihr der Name Ermelinda Talea glänzen wird. Unter diesem Künstlernamen war Maria Antonia seinerzeit bekannt.

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Musikalisch ist das rund 50 minütige Werk hochklassig besetzt. In der Rolle des Orpheus zeigt Valer Sabadus einmal mehr, warum er wohl zu den besten Countertenören weltweit gehört, der für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet wurde, u. a. zweimal mit dem ECHO Klassik oder dem Händel-Preis der Stadt Halle. Musikalisch sowie szenisch ausdrucksstark. Gleiches gilt für italienische Sopranistin Francesca Lombardi Mazzulli in der Rolle der Calliope. Zu Gute kommt ihnen, dass Regisseur Nils Niemann großen Wert auf die Personenzeichnung gelegt hat und die beiden bildlich in den Dialog treten lässt. Dazu bedraf  es dann auch keiner großen Bühne, die im Globe auch gar nicht gegeben wäre. Hier reicht ein kleines Barockes Bühnenbild mit wenigen Requisiten, dass den Zuschauer fast ein wenig an eine historische Aufführung erinnert, wären da nicht die passend eingesetzten Videoeinspielungen, die für optische Abwechslung  sorgen. Durchaus opulent spielt das Ensemble 1700 und sorgt für einen barockmusikalisch nachhaltigen Theaterabend.

© Graca Darius Bijalojan

Da die eigentliche Oper recht kurz ist, wird der Abend mit drei kurzen Werken eingeleutet, die zusammen rund 30 Minuten dauern und allesamt thematisch auf den Abend abgestimmt sind. Zu Beginn erklingt eine fröhliche Komposition von Maria Antonia Walpurgis aus der Sinfonia zur Oper Talestri. Es folgt ein Blockflötenkonzert von Johann Adolf Hasse, bei dem Dorothee Oberlinger eindrucksvoll demonstriert, welch wunderbaren Töne diesem Instrument zu entlocken sind. Abgerundet wird das „Vorprogramm“ mit Clara Blessing an der Oboe mit Auszügen aus einem Oboenkonzert von Ristori, welches dann zur eigentlichen Serenata überleitet. Wie im Vorjahr weiß das Globe Baroque in Neuss zu gefallen. Wer die beiden Aufführungen verpasst hat, hat am 29. Oktober 2023 gegen 20.04 Uhr noch die Möglichkeit einen Rundfunkmitschnitt der „Sommeroper“ auf WDR3 zu verfolgen, der in der letzten Woche in Neuss aufgezeichnet wurde.

Markus Lamers, 20. August 2023


I lamenti d’Orfeo
von Giovanni Alberto Ristori nach einem Libretto von Giovanni Claudio Pasquini

Aufführung im Rahmen des Globe Baroque 2023 – Sommeroper im Globe Neuss

Premiere: 17. August 2023

Inszenierung: Nils Niemann
Bühnenbild und Kostüme: Johannes Ritter
Musikalische Leitung: Dorothee Oberlinger
Ensemble 1700

Rundfunkmitschnitt: Sonntag, 29. Oktober 2023 um 20:04 Uhr in WDR3