Baden: „Frühjahrsparade“, Robert Stolz

Nach dem „Graf von Luxemburg“ steht in Baden „Frühjahrsparade“ von Robert Stolz auf dem Programm. Eine Operette, die leider kaum mehr auf den Spielplänen der Operettenhäuser auftaucht und das ist einfach schlimm. Der Intendant Michael Lakner hat in diesem Stück die Regie übernommen. Fast 33 Jahre hatte er den großen Traum, seitdem er von Hans Stolz die Unterlagen bekommen hatte, diese Operette zu inszenieren. Und immer, wenn er glaubte, kurz vor dem Ziel zu sein, wurde er an ein anderes Theater berufen. Hier in Baden erfüllt sich nun sein Traum und wir alle können darüber mehr als glücklich sein. Ich habe selten so ein Feuerwerk an schmissigen Melodien, gelungener Inszenierung, passender ausgezeichneter Stimmen und feuriger Aufführung erlebt, wie bei der Frühjahrsparade. Keine Sekunde ist langweilig, das Publikum tobt und die Zeit, die viel zu kurz ist, trotz der 137 Minuten die das Stück dauert, ist wie im Fluge vergangen. Es ist eine der schönsten Aufführungen, die ich in den letzten 40 Jahren erleben durfte. Gott sei Dank ist die Premiere vom ORF aufgezeichnet worden, so dass jeder, der sich einen Mitschnitt machen konnte, dieses einmalige Werk sich immer wieder zu Gemüte führen kann. Michael Lakner, der dankenswerterweise noch ein Jahr Intendanz draufgelegt hat und bis 2025 in Baden bleibt, hat hier einfach nur ein Meisterstück abgeliefert. Es fällt mir sehr schwer, hier neutraler zu bleiben, bei dem wirklich einmaligen Erlebnis, welches das Publikum bei dieser Frühjahrsparade hat.

Der Inhalt ist rasch erzählt, das Stück ist recht einfach und wer den wunderbaren Film „Die Deutschmeister“ mit Romy Schneider, Hans Moser, Josef Meinrad und Paul Hörbiger kennt, kennt auch den Inhalt. Die junge Marika kommt zu ihrer Tante, der Bäckermeisterin Therese Hübner, die die Salzstangen für den Kaiser herstellen darf, die dem Kaiser täglich durch den Hofrat Neuwirth überbracht werden. Sie verliebt sich unsterblich in den Korporal Willi Sedlmaier, der auch komponiert und einen wunderbaren Militärmarsch, besagte „Frühjahrsparade“ komponiert hat. Durch unglückliche Umstände kann dieser Walzer nicht aufgeführt werden und die junge Marika, backt die Noten davon in ein Salzstangerl, um den Kaiser, wenn er diese Noten findet, von dem Marsch zu überzeugen. Man vermutet nun einen Anschlag auf den Kaiser, die Bäckerin verliert den Lieferauftrag, der Hofrat seinen Posten, dem Korporal droht der Kerker. Da geht Marika zum Kaiser, der sie empfängt, erklärt ihm alles und der Kaiser verzeiht, er verzeiht alles. Die Marika bekommt ihren Willi, der Oberleutnant Gustl seine Sängerin Hansi und der Hofrat die verehrte Bäckermeisterin. Dazwischen gibt es noch allerlei Verwicklungen und einen riesigen Blumenstrauß der herrlichsten Melodien von Robert Stolz, Melodien, die längst Volksgut geworden sind und die jedermann kennt.

Verena Barth-Jurca / © Christian Husar

Die Inszenierung stammt von dem gebürtigen Wiener Michael Lakner, der alles auf der Bühne zu einem Potpourri verbindet, der die Drehbühne geschickt bis zum letzten ausreizt, der auch einige besinnliche Töne einstreut und der insgesamt eine völlig stimmige, vollkommen nachvollziehbare und wunderschöne Inszenierung auf die Bretter stellt. Fast möchte man sagen, die lange Wartezeit hat sich mehr als gelohnt. Standing Ovation schon bei der Premiere und bei der heutigen Vorstellung ist es nicht anders. Lakner hat Stolz geadelt und dessen herrlichen Melodien einen würdigen Rahmen gegeben. Erneut eine bemerkenswerte Leistung des leider bald scheidenden Intendanten.

Die Ausstattung, also die Bühnenbilder sind von Erich Uebellacker, in schneller wechselnder Folge auf die erstmalig verwendete Drehbühne gestellt, dadurch ziehen die Übergänge und Änderungen der Kulissen in schnellster Zeit an den Zuschauern vorbei. Wunderschön die Kostüme für welche die aus Innsbruck stammende Friederike Friedrich verantwortlich zeichnet. Die Kostüme sind wunderschön anzusehen, bunt, abwechslungsreich und schmeicheln den Augen. Die Choreografie ist wunderbar gelungen, die Balletteinlagen schmissig und vorbildlich choreographiert von der aus Neuss am Rhein stammenden Anna Vita. Auch die Chorauftritte sind stimmungs- und eindrucksvoll gelungen.

Oliver Baier – Kerstin Grotrian / © Christian Husar

Musikalisch wird alles geleitet vom oberösterreichischen Dirigent Michael Zehetner und er schöpft aus dem Vollen. Er führt das Orchester schmissig, leicht, feurig, so wie es die Situation gerade erfordert. Seine Musiker folgen ihm mit Leidenschaft und Spritzigkeit und bringen die wundervollen Märsche und Walzer des unvergessenen Robert Stolz so richtig zum Klingen und schwingen. Man merkt ihnen richtig an, wie sehr sie in die Musik des großen Meisters eintauchen und wie sehr sie diese Melodien auch lieben und schätzen. Zehetner lässt sie gewaltig aufspielen, aber nimmt auch gefühlvoll die Lautstärke zurück, um es den Sängern ein bisschen einfacher zu machen. Doch diese sind eigentlich alle in ihrem Element, die Bühne schwingt und singt. Fast wäre man gehalten mitzumachen, aber das ziemt sich nicht, nur ein bisschen mit den Fußspitzen wippen, das kann man nicht zurückhalten. Dazu kommt, dass die Seitenlogen rechts und links nur teilbesetzt sind und die Bläser von dort ins Geschehen eingreifen können. Ein einfacher, aber äußerst wirkungsvoller Einfall, der den musikalischen Gesamteindruck noch erweitert.

Miriam Portmann – Clemens Kerschbaumer / © Christian Husar

Doch nun zum wichtigsten bei einer Operette (jedenfalls für mich), den Sängern. Und hier schöpft man aus dem Vollen. Die Sängerin Hansi Gruber wird von einem wahrlich leuchtenden Stern der Operettenszene dargebracht und zwar von der in Wien geborenen Sopranistin Miriam Portmann. Sie ist aus dem Operettenmetier einfach nicht wegzudenken, hat herrliche Wiener Lieder von Meister Stolz zu singen und dies tut sie großartig. Ihre voluminöse, klangschöne, warme, volle und ausdrucksstarke Stimme füllt den Saal aus. Sie ist einfach eine Operettendiva vom Kopf bis zu den Zehen. Viel Beifall für eine bravouröse Leistung. Die junge Marika wird von der in Sibiu in Rumänien geborenen Verena Barth-Jurca gegeben. Ein quirliges Persönchen, der man eine solche kräftige Stimme gar nicht zutraut. Ihr Sopran ist stimmschön, flexibel und durchschlagskräftig und leuchtet in allen Lagen. Dazu kommen eine unbändige ungekünstelte Spiellaune und eine tänzerische Naturbegabung. Sie wirbelt über die Bühne, dass es einem fast ganz schwindelig wird. Dazu kommt, dass sicher so manches Männerherz im Publikum etwas schneller zu schlagen beginnt, wenn sie über die Bühne fegt und mit entzückendem ungarischen Akzent spricht. Der Applaus ist der zierlichen Künstlerin sicher und sie bekommt ihn reichlich. Verliebt ist sie in den jungen Korporal Willi Sedlmaier, der von dem in Düsseldorf geborenen Tenorbuffo Ricardo Frenzel Baudisch dargeboten wird. Sein weicher, schöner Tenor ist mehr als rollendeckend, dazu kommt ein liebenswertes natürliches Spiel des jungen Künstlers. Der Oberleutnant Gustl von Laudegg, der Geliebte der Sängerin Hansi Gruber wird dargestellt von dem in Wien geborenen Clemens Kerschbaumer. Er nennt einen kräftigen, robusten aber auch feinen Tenor sein eigen, ist in den Duetten überzeugend und kann mit tenoraler Strahlkraft Hansi und das Publikum vollauf zufriedenstellen. Die geborene Wienerin Kerstin Grotrian ist die Bäckermeisterin Therese Hübner. Mit einem gepflegtem, sicheren und stimmschönem Sopran und einer unbändigen Ausstrahlung verkörpert sie die Kaisersalzstangerlbäckerin und ist ein Dreh- und Angelpunkt auf der Bühne. Daneben steuert sie auch leise besinnliche Töne bei. Ihr Verehrer, der Hofrat Neuwirth wird von dem österreichischen Entertainer und Moderator Oliver Baier gespielt. Und er macht einfach ein herrliches Kabinettstückchen aus seiner Rolle des schüchternen, zurückhaltenden, stillen Liebenden, der bereit ist, seine eigene Karriere für seine Freunde zu opfern. Eine ausgezeichnete schauspielerische und komödiantische Rollengestaltung, die ebenfalls mit großem Applaus bedacht wird.

Ricardo Frenzel Baudisch – Verena Barth-Jurca / © Christian Husar

Der Bäckerlehrling Fritz wird von dem Badener Eigengewächs, dem gerade einmal 19 Jahre alten Jonas Zeiler dargestellt. Und er macht seine Sache mehr als gut. Ich bin sicher, dass da ein großes Talent der Bühne heranwächst. Pfiffig, schlagfertig, alles immer auf den Punkt bringend, eine sehr reife Leistung für einen so jungen Menschen. Der Oberhofmeister von Laudegg wird von dem in Bielso-Biala in Polen geborenen Schauspieler und Musicaldarsteller Roman Frankl völlig rollendeckend gespielt. Als seine Gattin Klothilde von Laudegg steht ein in Wien geborener Publikumsliebling, der österreichische Theater- und Filmschauspieler Gerald Pichowetz auf der Bühne. Und er gibt als Frau seinem Affen gehörig Zucker und dem Publikum gefällt es – und wie. Der Kaiser wird von dem österreichischen Schauspieler Günter Tolar gegeben mit viel Ausdruck und viel kaiserlicher Wärme, Verständnis und Güte. Ein mit viel Beifall bedachter Auftritt. Als Friseur Swoboda und als Kammerdiener Ketterl ist schließlich Beppo Binder humorvoll auf der Bühne und bringt das Publikum mehr als einmal zum Lachen. Mario Fancovic als Feldwebel Mittermeier, Branimir Agovi als Schmied, Wirt und Lakai, sowie Daniel Greabu als Losverkäufer und erster geheimer Staatspolizist vervollständigen ohne Fehl und Tadel das ausgezeichnete Ensemble. Eine Aufführung, die wie aus einem Guss ist, die von den Darstellern her auf höchstem Niveau steht und die einen musikalischen Reichtum an sein Publikum verschwendet, welcher seinesgleichen sucht. Eine der besten Operettenaufführungen für mich der letzten Jahrzehnte. So muss Operette sein, dem Alltag entfliehen, seine Sorgen vergessen und ein Lächeln auf das Gesicht zaubern. Dies ist heute mehr als gelungen.

Manfred Drescher, 11. August 2023


Frühjahrsparade
Operette von Robert Stolz

Premiere: 30. Juli 2023
Besuchte Vorstellung: 5. August 2023

Regie: Michael Lakner
Musikalische Leitung: Michael Zehetner
Orchester, Chor und Ballett der Bühne Baden