Opernfreund- Schnuppe: „Siegfried“, Bern

Alle Stücke in Wagners 4-sätzigem opus summum Der Ring des Nibelungen haben verdammt viel Personalia. Alle? Nein, der Siegfried ist ein Kammerspiel mit nur sechs Protagonisten. Daher ist das Werk für mich nach gut 50 Ringen auch das mit Abstand beste. In meinen jungen Wanderjahren war es die Walküre. Da gibt es dann immer wieder Regieteams, die meinen, das wäre langweilig und man müsse noch einige Figuren dazu erfinden… Quod erat demonstandum heuer in Bern.

Auf unserer Spezial-Seite für den Negativpreis des OPERNFRENDs heißt es „Diese Aufführung sollte Ihnen schnuppe sein. Gehen Sie stattdessen lieber lecker Essen“. Selten traf das so perfekt zu wie bei dieser Produktion. Als konzertante Aufführung sicherlich noch akzeptabel und erträglich, aber wir haben hier eine szenische Produktion vorliegen: Musiktheater!!

„Affentheater“ schrieben mir einige Freunde – üblere Worte, die in den Fäkalbereich abgleiten, möchte ich hier nicht wiedergeben – alles reife Menschen, die sehr sehr viel Ahnung von Wagner haben. Einer ist der wahrscheinlich beste Wagnerkenner Europas. Regie und Personenführung von Ewelina Maciniak bezeichnet unser Bernkritiker Peter Heuberger, der stets ein freundlicher und modernen Inszenierungen immer aufgeschlossener Mensch ist, als „unbeholfen“. Weiter:

„Die Inszenierung entspricht in keiner Weise dem Werk Wagners. Nur spastisches Gefuchtel, Herumhampeln der Solistinnen und Solisten, reicht nicht aus, um eine sinnvolle Charakterisierung der Rollen auf die Bühne zu bringen. Da hilft auch der Einsatz eines Tanzensembles, von Wagner nie vorgesehen (!) ja nicht einmal angedacht, kaum über die Regiemängel hinweg. Dazu kommt, dass dieses Tanzensemble immer auf der Bühne agiert, wenn Wagner Zwischenmusik ohne Handlung komponiert hat. Und dies stört ungemein und lässt dem Publikum keine Zeit die Komposition des Meisters ohne visuelle, dramaturgisch unnötige Ablenkung zu genießen.“ Weiter:

„Wanderer ohne Speer, sein Wahrzeichen und Machtsymbol, welches am Schwert Siegfrieds versagt. So auch die Stimme des Waldvogels: Anstelle der Stimme des Waldvogels aus dem Off, auch in der Partitur (Partitur Anmerkung: „Aus den Zweigen der Linde über Siegfried.“) nur als Vogelstimme notiert. Übernimmt dies eine Sängerin auf der Bühne, ist das Geheimnisvolle, die Subtilität weg. Das Schmieden von Nothung verkommt in der Regie von Marciniak zu einer Spielerei mit Messer. Dies im Gegensatz zu der Wucht der Musik, welche Hammer und Amboss dramaturgisch darstellt, unterstreicht.“

Ob die Tänzer auch – frei nach Waldorf – ihren oder anderer Namen tanzen, ist nicht direkt sichtbar, würde für mich als alten Waldorf-Indianer ja ggf. sogar noch Sinn ergeben – wenn auch nicht bei Wagner.

Schauen Sie sich den Trailer an, denn diese Bilder sagen ja mehr als Worte.

Guten Appetit! Bern hat fantastische Restaurants. Nirgendwo habe ich in den letzten 70 Jahren besser schweizerisch gegessen.

Peter Bilsing (Hrg.)