Bern: „Siegfried“, Richard Wagner (zweite Besprechung)

© Rob Lewis

Siegfried in der Regie von Ewelina Marciniak und der musikalischen Leitung von Nicholas Carter gefällt vor allem durch die sängerische Leistung der Protagonistinnen und Protagonisten. Für dieses musikalische Highlight auch wesentlich: Die gekonnte Stabführung Carters und das hervorragend aufspielende Berner Symphonieorchester. Jonathan Stoughton als Siegfried überzeugt durch saubere Intonation und Diktion. Sein Siegfried sprüht vor Spiellust. Thomas Ebenstein als Mime, der Antagonist Siegfrieds, sein Ziehvater, interpretiert musikalisch sauber die Zwiespältigkeit der von Richard Wagner so angelegten Persönlichkeit. Wanderer, gespielt und gesungen von Claudio Otelli ist anscheinend etwas indisponiert und schont sich bis auf die Erda- Szene. In dieser Szene hört das zahlreich erschienene Publikum, mit welcher Stimme Otelli normalerweise auf der Bühne agiert. Hervorragend auch Matheus Franca als Fafner, Freya Apfelstaedt als Erda und Zoltan Nagy in der Rolle von Alberich. Die Stimme eines Waldvogels wird passabelinterpretiert von Patricia Westley.  Das gesamte künstlerische Team auf der Bühne gibt innerhalb des von der Regie vorgegebenen Rahmens sein Bestes.

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Die Regie und Personenführung von Ewelina Maciniak kann der Berichterstatter nur als unbeholfen bezeichnen. Die Inszenierung entspricht in keiner Weise dem Werk Wagners. Dazu ist folgendes anzumerken: Nur spastisches Gefuchtel, Herumhampeln der Solistinnen und Solisten, reicht nicht aus, um eine sinnvolle Charakterisierung der Rollen auf die Bühne zu bringen. Da hilft auch der Einsatz eines Tanzensembles, elf Tänzer, von Wagner nie vorgesehen, ja nicht einmal angedacht, nicht über die Regiemängel hinweg. Dazu kommt, dass dieses Tanzensemble immer auf der Bühne agiert, wenn Wagner Zwischenmusik ohne Handlung komponiert hat. Und dies stört ungemein und lässt dem Publikum keine Zeit die Komposition des Meisters ohne visuelle, dramaturgisch unnötige Ablenkung zu geniessen.

Regiemängel sind ohne Beispiel: Wanderer ohne Speer, sein Wahrzeichen und Machtsymbol, welches am Schwert Siegfrieds versagt. So auch die Stimme des Waldvogels: Anstelle der Stimme des Waldvogels aus dem Off, auch in der Partitur (Partitur Anmerkung: „Aus den Zweigen der Linde über Siegfried.“) nur als Vogelstimme notiert. Übernimmt dies eine Sängerin auf der Bühne, ist das Geheimnisvolle, die Subtilität weg. Das Schmieden von Nothung verkommt in der Regie von Marciniak zu einer Spielerei mit Messer. Dies im Gegensatz zu der Wucht der Musik, welche Hammer und Amboss dramaturgisch darstellt, unterstreicht. Es ist klar auszumachen, dass die Erfahrungen von Marciniak im Schauspiel und nicht in der Oper liegen.

© Rob Lewis

Der Berner Ring ist die erste Oper welche Frau Marciniak inszeniert. Nun ist der Ring nicht einfach auf die Bühne zu bringen und als Anfängeroper schlicht ungeeignet. Es gibt in der Literatur einfachere Werke und wenn es denn schon Wagner sein muss, wäre wahrscheinlich Rienzi, Der Fliegende Holländer oder Das Liebesverbot geeigneter gewesen. Das Liebesverbot würde Marciniak näher liegen, basiert es doch auf Shakespeares Schauspiel Mass für Mass.

Nun, alles oben Geschriebene ist meine persönliche Meinung, dies nach elf besuchten, sehr modernen Inszenierungen des Ringes in auf diversen Bühnen. Der Applaus des Publikums jedoch beweist, dass auch diese Aufführung in Bern wohl dennoch ankommt und Erfolg haben könnte.

Peter Heuberger, 21. April 2024


Siegfried
Richard Wagner

Stadttheater Bern

Premiere: 14. April 2024

Regie: Ewelina Marciniak
Musikalische Leitung: Nicolas Carter
Berner Symphonieorchester

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