Oldenburg: „Die Entführung aus dem Serail“

Premiere am 14.10.2017, besuchte Aufführung am 21.10.2017

Nur noch eine triviale Liebesgeschichte

Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ wurde in Oldenburg zuletzt 2004 gespielt. Die neue Opernpremiere trägt zwar den gleichen Namen, aber im Grunde ist es ein Stück der Regisseurin Kateryna Solokova mit der Musik von Mozart. Sie hat die Geschichte komplett umgeschrieben und im Programmheft eine Inhaltsangabe geliefert, die mit „Entführung“ und „Serail“ nichts mehr zu tun hat. Konstanze und Bassa Selim sind hier ein turtelndes Liebespaar. Der Bassa will sich mit Konstanze im Rahmen einer von Blonde vorbereiteten Party verloben. Auch Pedrillo und Osmin gehören zum Personal des Bassa. Pedrillo ist eine Art Kammerdiener und Osmin ein psychisch gestörter Mann, der sich in Bücher flüchtet und in seinen Henkers-Phantasien verirrt. Als Belmonte auftaucht (hier ist er der ehemalige Liebhaber Konstanzes) und bei Konstanze Zweifel über ihre Gefühle für den Bassa auslöst, wird die Verlobung gekippt.

Solokova hat sich völlig neue Dialoge ausgedacht, damit ihre Sicht der Dinge einigermaßen mit den Arien harmoniert. Das klappt aber nicht immer wirklich. Ein „psychologisches Kammerspiel“ hat sie angestrebt, es bleibt aber eine triviale Liebesgeschichte, an der Rosamunde Pilcher sicher ihre Freude gehabt hätte. Dazu passend ist das Bühnenbild von Christian Andre Tabakoff, das ein schickes Landhaus mit Ausblick auf eine liebliche Landschaft zeigt. Konflikt der Kulturen? Humanistischer Großmut? Alles Fehlanzeige. Statt dessen fuchtelt Bassa Selim am Ende nur hilflos mit einer Pistole herum und bleibt frustriert zurück.

Vollkommen überzeugend ist die Leistung des Oldenburgischen Staatsorchesters unter Vito Cristofaro, der (schon bei der mit schnellem Tempo genommenen Ouvertüre) mit geschärftem und oft dramatisch zugespitztem Mozart-Klang überzeugt. Bei den Solisten steht Sooyeon Lee als Konstanze im Mittelpunkt, die ihren Arien emotionalen Tiefgang gibt und ihre Koloraturen virtuos bewältigt. Philipp Kapeller singt den Belmonte, der hier mit seiner Brille eher wie ein Beamter wirkt; mit bemerkenswerter Kultur und sicher ansprechendem Tenor.

Alexandra Schermann gibt mit ihrem agilen und aufstrahlenden Sopran eine beherzte Blonde, während Timo Schabel als Pedrillo in der Höhe kleine Probleme hat. Ill-Hoon Choung gibt den Osmin im Sinne der Regie rollendeckend, aber mitunter fehlt es ihm an Volumen. Auch Johannes Sima folgt als Bassa Selim dem Konzept der Regie und gibt ihn als smarten Jüngling.

Wolfgang Denker, 22.10.2017

Fotos von Stephan Walzl