Chemnitz: „Siegfried“

Vorstellung vom 10.11.2018

Frauenpower für den gesamten Ring

TRAILER

Nachdem in der Staatsoper Stuttgart und im Badischen Staatstheater Karlsruhe der “Ring” von unterschiedlichen männlichen Regisseuren in Szene gesetzt wurde, war es an der Zeit, dieses Projekt in die Hände von Frauen zu geben. Nach der Götterdämmerung wird man erfahren, ob das Konzept ein erfolgreiches Ende gefunden hat.

Die gesellschaftskritische Thematisierung um Machtmissbrauch und Kapitalismus tritt im “Siegfried” in den Hintergrund, dafür wird dem Besucher eine Zeitreise der Titelfigur präsentiert. Im 1. Akt erlebt man den Wissensdrang des pubertierenden Helden um seine Herkunft und das Schmieden des Schwertes Nothung, das mit einem Fluch behaftet ist und man es demzufolge mit herkömmlichen Mitteln nicht zusammenfügen kann. Siegfried befreit das Schwert von dem Fluch, indem er es wieder in den Naturzustand versetzt.

Im 2. Akt räumt er mit diesem Schwert Nothung alle unliebsamen Genossen aus dem Weg und es werden mit Hilfe eines Naturwesen Gefühle für das ihm unbekannte weibliche Geschlecht geweckt. Im 3. Akt kommt es dann zu der erwarteten emotionalen Begegnung, die mit den bekannten Worten “Leuchtende Liebe, Lachender Tod” endet, sofern das in das Konzept der Regie passt.

Zum großen Teil wurden diese Vorgaben von der Regie erfolgreich umgesetzt, wobei die negativen Eigenschaften des männlichen Geschlechtes ein wenig übertrieben dargestellt werden.

Gleich zu Beginn im so genannten Vorspann wird auf der Bühne gezeigt, wie Mime zwar Sieglinde bei ihrer Geburt mittels Kaiserschnitt hilft, aber anschließend das Bündel mitsamt den Schwertstücken an sich reißt und zum Abschied die Sterbende mit Schlägen drangsaliert. Im zweiten Akt kommt es zu einer Art Vergewaltigungsszene zwischen Alberich und einem Nibelungenwesen, was allerdings verwunderlich ist, da er doch im Rheingold nach dem vergeblichen Werben um die Rheintöchter seinen Sexualtrieb in einen Machttrieb umgewandelt hat. Auch der Göttervater zeigt sich gewaltbereit, als er das Waldvöglein kurzerhand tötet, wobei kein ersichtlicher Grund vorlag. Das ist durchaus vertretbar, denn er hat ja seinen eigenen Sohn Siegmund geopfert, als dieser in seinen machtpolitischen Überlegungen keine Rolle mehr spielte. Während Wotan glaubt, mit Siegfried den freien Helden geschaffen zu haben, der eine neue Weltordnung herbeiführen kann, hat sein Pendant Alberich, Hagen gezeugt, der ihm den Ring, als Synonym für die Weltherrschaft, wieder beschaffen soll.

Der kleine Hagen soll hier Erfahrung für sein späteres Wirken in der Götterdämmerung sammeln. Übrigens hat auch aus dem selben Grund, Mime den kleinen Siegfried zu sich genommen. Obwohl Fafner eigentlich keine Funktion ausübt (Zitat: Ich lieg´ und besitz‘), hat er eine Schar von Statisten zwangsweise um sich gesammelt, die vermutlich seinen Schatz bewachen müssen und nach dem tödlichen Kampf von Fafner mit Siegfried, ihre wiedergewonnene Freiheit feiern.

Das einfach gehaltene Bühnenbild, das abgesehen von kleinen Veränderungen, über alle drei Akte besteht, ist funktional, dabei wird weitgehend auf Requisiten verzichtet. Ein großer Teil der Bühnenfläche wird für die abwechslungsreiche Personengestaltung freigehalten. Im 3. Akt beim Auftreten von Brünnhilde zeigt die Regie statt des Feuerzaubers Statisten, die mit brennenden Kerzen Brünnhilde bewachen. Insgesamt handelt es sich um eine transparente, textgetreue und verständliche Inszenierung, die von den Besuchern mit dementsprechenden Beifall belohnt wurde.

Die Verantwortung für die musikalische Leitung der Robert-Schumann-Philharmonie lag in den Händen des GMD Guillermo Garcia Calvo. Während bei den Schmiedeliedern das Forte manchmal zu ausgeprägt war, überzeugte das Orchester im zweiten Akt bei den dramatischen Szenen und konnte beim Waldweben mit ihren einfühlsamen Klängen eine erhebende Stimmung vermitteln, die einen nachhaltigen Eindruck hinterließ. Im 3. Akt gleich zu Beginn vor dem Auftritt der Erda, gilt es, mit den Tempisteigerungen vorsichtig zu hantieren, um die nötige Spannung zu erhalten, was hervorragend gelungen war. Insgesamt kann man von einer ausgewogenen und eher forschen Interpretation sprechen.

Ralf Lukas als Wanderer, ein bewährter Wagnerinterpret, konnte mit seiner kraftvollen Stimme ebenso überzeugen, wie sein Widersacher, Jukka Rasilainen als Alberich. Gerhard Siegel, stimmgewaltig und mit eigenartiger Interpretation (singt diese Partie auch an der Met) war einer der Höhepunkte. Das Ensemblemitglied Magnus Piontek sang den Fafner mit eher sanftem Bass.

Rebecca Teem, sang ihr Brünnhilde gefühlvoll, mit langem Atem (“Heil dir Sonne!”) und ausdruckstark. Simone Schröder als Erda glänzte mit ihrem voluminösen Alt und den Waldvogel sang Guibee Yang. Daniel Kirch war ein Siegfried mit großer heldenhafter Stimme

Diese Partie gehört zweifelsfrei stimmlich und darstellerisch zu den ganz großen Herausforderungen im Heldenfach. Daniel Kirch besitzt neben seiner guten Technik, eine heldenhafte Mittellage, ist zu einer strahlenden Höhe fähig und verfügt über die nötige Durchschlagskraft, um gegen große Orchester bestehen zu können. Dafür musste er erstmals die berühmte Ochsentour durchlaufen, beginnend mit kleineren Rollen in Oper und Operette, um sich langsam aber stetig für das schwierige Heldenfach hochzuarbeiten. Kein Wunder, wenn Brünnhilde’s Liebe zu dem Helden bis zum Ende der Götterdämmerung mit großer Leidenschaft anhält.

Franz Roos 13.11.2018

Dank für die tolle Fotos von Nasser Hashemi

und

Dank an unseren Kooperationspartner Merker-online (Wien)

Weitere Vorstellungen: 19.01.2019, 20.04.2019, 08.06.2019