Berlin: Das RSB in der Philharmonie

Frauen ans Pult!

Die amerikanische Dirigentin mit griechisch-russischen Wurzeln Karina Canellakis ist seit Beginn dieser Saison Erste Gastdirigentin des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Das Konzert unter ihrer Leitung am 20. 10. in der Berliner Philharmonie bewies überzeugend, dass die Orchesterdirektion mit der Wahl der Amerikanerin für dieses Amt eine richtige Entscheidung getroffen hat. Neben der anziehenden optischen Erscheinung ist ihr Dirigierstil geprägt von Energie und Vitalität, wie man es sogleich im ersten Werk des Programms, Beethovens Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92, erleben konnte. Der erste Satz (Poco sostenuto – Vivace) war bestimmt vom Wechsel kantabler mit vorwärts drängenden Passagen, der zweite (Allegretto) von großer Steigerung nach ganz verhaltenem, geradezu behutsam geformtem Beginn. Den dritten Satz (Presto) mit seinem tänzerischen Duktus ließ die Dirigentin vehement dahin fliegen, den vierten (Allegro con brio) formte sie mit nicht nachlassender Kraft zu einem Atem beraubenden Wirbelsturm.

Nicht minder wirkungsvoll gestaltete sich die Wiedergabe von Richard Strauss’ Tondichtung „Ein Heldenleben“ op. 40. Das Werk illustriert den streitbaren Auftritt eines Helden, was das Orchester schwungvoll formulierte, der im Kampf gegen seine Widersacher, die mit quäkenden, schrillen Bläserfiguren gezeichnet waren, schließlich resigniert. Canellakis ließ die Einwürfe der Philister mit grotesker Schärfe ertönen. Das nachfolgende Thema der Solo-Violine, welches die Begegnung des Helden mit einer Gefährtin beschreibt, war in seiner schwelgerisch-süßen Ausformung durch Erez Ofer dazu ein wirkungsvoller Kontrast. Im nächsten Abschnitt zieht der Held in die Schlacht, was aggressiv-militante Themen (mit Bläsern aus dem Off) begleiten. Es folgen „Des Helden Friedenswerke“, in denen der Komponist aus eigenen Schöpfungen zitiert, und „Des Helden Weltflucht und Vollendung“ mit seinem tröstlich-verklärenden Schluss. Die Dirigentin hatte den Riesenapparat, den Strauss vorschreibt, jederzeit souverän im Griff und sah sich am Ende von der begeisterten Zuhörerschaft anhaltend gefeiert. Sie wird in dieser Saison noch das Silvesterkonzert mit Beethovens Neunter sowie am 5. 4. 2020 ein Programm mit Werken von Strawinsky, Szymanowski, Webern und Skrjabin leiten.

Bernd Hoppe, 22.10.2019

(c) Matthias Bothor