Dresden: Gastkonzert des Pittsburgh Symphony Orchestra in Dresden

1. September 2022 Konzertsaal im Kulturpalast Dresden

Der Chefdirigent Manfred Honeck stellt sein Orchester mit Hélène Grimaud vor

Am 1. September 2022 eröffnete das Pittsburgh Symphony Orchestra mit einem Gastkonzert im Kulturpalast die Herbst-Saison der Dresdner Musikfestspiele. Der Leiter des Konzertes war der seit 2009 amtierende Chefdirigent des Orchesters Manfred Honeck.

Das Konzert wurde mit einer Bearbeitung der „Fünf Stücke für Streichquartett“ des deutsch-böhmischen Komponisten Erwin Schulhoff (1894-1942) aus dem Jahre 1923 eröffnet.

Schulhoff, Spross einer Prager deutsch-jüdischen Kaufmannsfamilie war lange vergessen. Erst in den letzten Jahren werden seine interessanten Vermittlungen zwischen Jazz und Klassik wieder entdeckt. Als bekennender Kommunist und sowjetischer Staatsbürger, er starb in einem Internierungslager, wird Schulhoff oft auf seine Berührungen mit dem Dresdner Dadaismus und dem Künstlerkreis um Otto Dix von 1919 bis 1922 verkürzt. Aber nur wenige Komponisten waren so breit aufgestellt und derart experimentierfreudig wie Erwin Schulhoff.

Schulhoff setzte große Erwartungen in das revolutionäre Potential moderner Musik und erhoffte eine Erneuerung des zur Dekadenz verkommenden bürgerlichen Musiklebens. In von ihm organisierten „Fortschrittskonzerten“ wurden Alban Berg, Schönberg, Webern und Skrjabin gespielt.

Andererseits fiel er sarkastisch und schonungslos über alle gesellschaftlichen Erwartungen her und schuf Persiflagen von enormer Musikalität, ohne seine eigenen Arbeiten zu schonen.

Die Bearbeitung der „Fünf Stücke für Streichquartett“ für Streichorchester und Schlagzeug Schulhoffs von Manfred Honeck und Tomáš Ille war natürlich neueren Datums. Honeck ließ die Pittsburgher die spannend mit dem Absolutum des Expressionismus verkreuzten Folklore-Bruchstücke „kontrolliert-entfesselt“ spielen und wärmte damit seine Zuhörer auf das Beste für Maurice RavelsKonzert G-Dur für Klavier und Orchester“ auf.

Ravel (1875-1937) hatte das wohl am aufregendsten instrumentierte Konzert für ein Soloinstrument und Orchester „heiter und brillant zwischen Mozart und Saint-Saens, Jazz und baskischer Folklore“ angeordnet, in den Jahren 1929 bis 1931 geschrieben.

Für das Dresdner Konzert war die Ausnahme-Pianistin Hélène Grimaud als Interpretin des elektrisierenden Werkes gewonnen worden. Sie spielte ihren Part gelockert, lebhaft und entwickelte elastische meditativ entspannte Gelöstheit. Beeindruckend die innige Gestaltung der lyrischen Passagen des Kopfsatzes. Die schier endlosen unmoralischen Schönheiten des zweiten Satzes präsentierte die Solistin zu einem farbenreichen Klangspektakel im Zusammenspiel mit den von Manfred Honeck entspannt eingebundenen Holzbläsern des Orchesters. Besonders eindrucksvoll waren die konzentriert musizierenden Streicher, die einen angenehmen, warmen Klang sicherten.

Als Zugabe erfreute Hélène Grimaud ihr Publikum mit einem Stück aus Sergej Rachmaninoffs Études Tableaux op. 39.

Im zweiten Konzert-Teil präsentierte uns Manfred Honeck das Orchester mit Peter Tschaikowskis (1840-1893) „Fünfter Symphonie e-Moll op. 64“, und damit seinen Klangkörper mit einem häufiger gehörten Werk. Auch kennen wir mehrere Einspielungen Honecks der Komposition mit deutschen und österreichischen Musikern, so dass unser Ohrenmerk auf der Qualität der „Pittsburgher“ gelegt werden konnte.

Die Amerikaner spielten die Symphonie wunderbar knackig, selbstbewusst, spritzig und mutvoll.

Es war eigentlich alles da: Musikalität, Spannung und Kraft. Im Spannungsfeld zarter Sanftheit bis zu machtvoller Gewalt spielten die Musiker präzise, auf den Punkt und setzten Honecks Vorstellungen von einem kaum hörbaren Piano hervorragend um. Das Schicksalsmotiv bot das Orchester mit einem komplex-begeisternden Klangbild. Herausragend kam auch das Horn-Solo zur Geltung. Aber als Staatskapellen-Verwöhnter, konnte ich nur konstatieren, was wir in den Dresdner Orchestern für hervorragende Solisten haben.

Die ersten Sätze spielte das Orchester noch zurückhaltend. Aber besonders im Finalsatz kam die amerikanische Herkunft des Klangkörpers richtig durch.

Das veranlasste das zwar gut gefüllte, aber nicht annähernd ausverkaufte Auditorium zu stürmischen, teils stehenden Ovationen.

© Oliver Killig

Thomas Thielemann, 2.9.22