Hamburg: „Die Zauberflöte“

Vorstellung 9.5.2018

Am Sonntagnachmittag verwandelte sich die Bühne der Staatsoper Hamburg einmal mehr in das LED – glitzernde Reich, in dem Regisseurin Jette Steckel und ihr Team Tamino (Dovlet Nurgeldiyev) nach vielen Prüfungen, mithilfe von drei Knaben, drei Damen und nicht zuletzt seinem Freund Papageno (Zak Kariithi), seine Liebe Pamina (Olga Kulchynska) finden lässt. Steckel macht daraus eine Art Retrospektive, eine Erinnerung des gealterten Taminos.

Wir erleben ihn als Jungen, der von den drei Damen (Iulia Maria Dan, Nadezhda Karyazina, Ruzana Grigorian) verhätschelt wird. Von frühester Kindheit an wird er von Papageno begleitet, dessen Verständnis von Lebensfreude sich auf die einfachen Dinge beschränkt. Tamino hingegen sucht nach einem tieferen Selbst, lässt sich dabei von der Königin der Nacht (Jessica Pratt) und Sarastro (Wilhelm Schwinghammer) manipulieren und leiten. Bis er, wieder ein alter Mann, reif ist für eine reife Liebe und ein gemeinsames Leben mit Pamina.

Mozarts Zauberflöte, ein Werk, das immer wieder neu interpretiert, gedeutet und verstanden wird. Es gilt als Meisterwerk, als Märchen und wurde sogar auch schon „Machwerk“ genannt. Die Zauberflöte soll Geheimbotschaften enthalten und auch eine nicht allzu hohe Meinung von Frauen vermitteln und vieles mehr.

Nur bei einer Sache streiten sich die Geister nie: Bei der gewaltigen Schönheit von Wolfgang Amadeus Mozarts Musik, die das Publikum durch die Wirren der Geschichte trägt. Die es, einhüllt in Klänge, die machtvoll hallend oder subtil leichtfüßig, in knapp drei Stunden, alle Facetten der Emotionen des Daseins durchleben lässt.

Generalmusikdirektor Kent Nagano entlockte, durch für ihn, eher sparsamen aber darum um so effizienteren Bewegungen, dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg, Töne die es leicht machten, sich der Faszination der Musik einfach hinzugeben. Es ist nicht immer so, aber gestern übersetzten Nagano und sein Orchester Mozarts Sprache so, dass die Spannung und die Freude nicht nur auf der Bühne zu sehen, sondern auch aus dem Graben zu hören waren.

Für sichtbare Freude und Spannung sorgen auch die kleinen aber doch wirksamen Veränderungen, die an der Inszenierung vorgenommen worden. Durch das Bühnenbild von Florian Lasche das aus langen LED-Leuchtschnüren besteht, die ihre Farben ändern und auch Gesichter aufleuchten lassen, sind technische und tiefgreifende Änderungen nicht möglich. In der Spielweise der Akteure jedoch schon. Hier und da sind kleine Späßchen, kleine Gesten eingebaut, die nicht nur die zahlreichen Kinder im Publikum begeistern. So macht der sehr füllige Sarastro bevor er in den Kreis steigt, der ihn über das normale Volk erhebt, Stretching-Übungen, während die Königin der Nacht keck über eine Sonnenbrille lugt. Kleine Interaktionen, wie das gemeinsame Singen des Liedes „Das klinget so lieblich, das klinget so fein“, fördern so manchen geschulten Sopran zutage. Und auch Papagenos mehrmalige Frage nach dem Namen der unbekannten Schönen trägt, wenn auch nur, scheue Früchte. Was beim Lesen vielleicht albern anmuten mag, gibt im Ganzen gesehen, der polarisierenden Produktion jedoch den Schubs in die richtige Richtung, den berühmten „letzten Kick“.

Was sich auch auf die Spielfreude der Sänger zu übertragen scheint und den LED-Produktionen – zum Beispiel des Gesichts von Sarastro – eine faszinierende Lebendigkeit. Denn Wilhelm Schwinghammer gelingt es bei seiner Arie „O Isis und Osiris“ und auch bei „In diesen heil‚gen Hallen“ einen nie respektlosen, doch leicht selbstironischen Zug, um den kunstvollen Lichtermund zu suggerieren. Auch aus dem Orchestergraben trägt sein volltönender Bass und und übertragt im gesamten Tonregister Sicherheit in der Stimmführung und Kraft.

Kraftvoll in Stimme und Spiel ist auch Zak Kariithi als Papageno. Der junge Kenianer wirbelt über die Bühne und auch durchs Publikum, Mal blitzen seine Augen schelmisch, mal scheint er in Körperhaltung und Gesang tatsächlich das das Lid der Welt in sich zu tragen. Sein Bariton tönt verhältnismäßig hell. Hier und da blitzen, – ungebrachte?- Vergleiche zu berühmten Kollegen aus früheren Zeiten auf. Doch fallen sie nicht wirklich zu Kariithis Ungunsten aus, da der knapp 30-jährige gerade am Anfang seiner Karriere steht und somit noch viel Zeit hat, seine Fähigkeiten weiter zu entwickeln.

Noch immer nicht am Limit seiner Fähigkeiten angekommen zu sein scheint Dovlet Nurgeldiyev. Das gilt vor allem für seinen darstellerischen Ausdruck, vor wenigen Jahren noch eher zurückhaltend, bedient er sich heutzutage nun nicht des Gegenteils der Übersteigung, sondern wird immer freier und authentischer. Beeindruckend seine Darstellung des alten, zitternden, von einem Herzanfall geschwächten, Mannes. Befreiend aber sein Humor im Zusammenspiel mit seinen anderen, ebenso überzeugenden Kollegen. Schon immer hingegen war er bekannt für eine ungewöhnlich schöne Tenorstimme. Lyrisch, weich und nicht wie bei seinen Kollegen aus dem dramatischen Fach, mit strahlendem Stahl in der Stimme. Dafür aber mit leuchtendem Gold in der Kehle. Wirkten vor zwei Jahren einige der Spitzentöne seines „Dies Bildnis ist bezaubernd schön“, angestrengt und unsicher, so schweben sie nun federleicht die Ohren umschmeichelnd, durch den, fast ausverkauften Saal.

Etwas schwer tut sich Jessica Pratt mit der Leichtigkeit ihrer Koloraturen bei ihrem ersten Auftritt „ Oh zittre nicht ..“und dem Bravourstück „Der Hölle Rache …“ Dazwischen jedoch hat ihr Sopran alle Facetten von beschwörend bis pathetisch bis rachsüchtig zu bieten, so klar und strahlend, dass kaum Wünsche offen bleiben. Zumal die Königin der Nacht, eine tragende Rolle der Oper, ja nicht mehr als eben diese beiden sehr anspruchsvollen Arien hat, um das Publikum für sich zu gewinnen.

Olga Kulchynska, die erst kurzfristig als Pamina eingesetzt wurde, gelingt es schnell, die Zuschauer mit ihrem ungekünstelt geführten, jugendlich leichten Sopran, für sich einzunehmen.

Sehen wir Tamino zuerst gealtert, um dann seinen Lebensweg zu verfolgen, sehen wir Pamina anfangs als Lichterprojekion eines Kindes, das dann dargestellt von Kulchynska, vom jungen Mädchen zu alten Frau wird. Kulchynska nimmt das Publikum mit auf diese Reise des Reifens. Nicht nur ihr Spiel, auch ihr stimmlicher Ausdruck scheint sich anzupassen.

Ein Ensemble, zu dem nicht zuletzt auch der momentan auffallend positiv disponierte Chor der Hamburgischen Staatsoper gehört,und natürlich die Damen und Herren in den kleinen doch zumeist gut besetzten Nebenrollen wie Iulia Maria Dan, Nadezhda Karyazina, Ruzana Grigorian, Narea Son (Papagena), Peter Galliard (Monostatos) und Alexander Roslavets (Zweiter Geharnischter).

Scheint eine Vorstellung am Nachmittag auch wie ein, wenn auch nicht sehr scharfes zweischneidiges Schwert, da es zwar Familienfreundlich, aber nicht unbedingt zu 100% „Sängerrhytmusfreundlich“ ist, so war die gestrige Zauberflöte dennoch ein Genuss, der Sonnenschein und Sommerhitze vergessen ließ. Er schenkte Wärme und Sonne anderer Art.

Birgit Kleinfeld 9.5.2018

Credits (c) Arno Declair / StOp Hamburg