Hannover: Mefistofele

Überwältigende Klangpracht

Shavleg Armasi

Nach wie vor steht Arrigo Boitos „Mefistofele“ hierzulande im Schatten von Gounods Faust-Oper oder auch Berlioz‘ „Fausts Verdammnis“ und ist deshalb nur sehr selten zu erleben; dabei ist dieses Werk auch wegen der Identität von Librettist und Komponist von einer Dichte und Spannung wie kaum eine andere italienische Oper des 19.Jahrhunderts, sieht man einmal von Verdis Meisterwerken ab. Da ist es sehr verdienstvoll, dass die Staatsoper das Werk wenigstens in konzertanter Fassung aufgeführt hat. Boito hat entscheidende Szenen aus beiden Teilen von Goethes „Faust“ übernommen, weil ihm daran lag, das Ergebnis der im „Prolog im Himmel“ geschlossenen Wette – Fausts Errettung durch die himmlischen Heerscharen – ebenfalls auf die Bühne bringen. In Hannover sorgten jetzt szenische Andeutungen (Einrichtung: Zuzana Masaryk) und deutsche Obertitel dafür, dass man immer auf der Höhe des Geschehens war. Natürlich musste man an manchen Stellen, wie z.B. in den unterschiedlichen Walpurgis-Nächten auf entsprechenden Bühnenzauber verzichten.

Robert Künzli/Rebecca Davis

Insgesamt überwältigend war von Beginn an die Klangpracht, die Chor und Extrachor (Dan Ratiu) in den großen, technisch anspruchsvollen Chören verbreiteten, wobei anfangs die klangliche Ausgewogenheit wegen einiger herausstechender unruhiger Sopranstimmen zu wünschen übrig ließ. Von besonderer Güte war in der besuchten Vorstellung das Niedersächsische Staatsorchester, das in allen Gruppen (mit hervorragenden Bläser-Soli) mit den hohen Anforderungen der Partitur glänzend zurechtkam. Am Pult hielt Hannovers 1.Kapellmeister Mark Rohde den großen Apparat mit deutlicher Zeichengebung stets zusammen und sorgte für ausgesprochen differenziertes Musizieren mit enormer dynamischer Spannweite.

Sara Eterno

Hohes Niveau hatte das Sänger-Ensemble, das von Shavleg Armasi angeführt wurde, der die Titelfigur mit der nötigen Dämonie versah. Wie er den Satan immer durchschlagskräftig mit seinem besonders in den mittleren und tiefen Lagen imponierenden Prachtbass ausfüllte, das hinterließ starken Eindruck.

Mit der hohen Tessitura des Faust kam Robert Künzli bestens zurecht; einmal mehr überzeugte er mit heldischer Kraft und tenoralem Glanz. Margherita war Rebecca Davis, die ihren schönen Sopran sicher durch alle Lagen führte; besonders gefiel die anrührend gestaltete Arie in der musikalisch dichten Kerkerszene. Mit charaktervollem, abgerundetem Sopran gab Sara Eterno die Elena; in flimmerndem Licht erklang in der klassischen Walpurgisnacht das einschmeichelnde Duett mit Nicole Pieper (Pantalis) ausgesprochen stimmschön wie aus einer anderen Welt. In kleineren Partien bewiesen Mareike Morr (Marta), Edward Mout (Wagner) und Gevorg Hakobjan (Nereo) die Solidität des hannoverschen Opernensembles.

Das Publikum im lückenhaft besetzten Opernhaus war zu Recht begeistert und spendete allen Mitwirkenden lang anhaltenden Applaus.

Gerhard Eckels 18. April 2015

Bilder: Jörg Landsberg