Bremerhaven: „Die Zauberflöte“

Premiere am 03.11.2018

Papageno bezaubert alle

Die letzte Zauberflöte im Stadttheater Bremerhaven liegt gut dreizehn Jahre zurück. Damals wollte Regisseurin Sibylle Krantz den Focus auf den Machtkrieg zwischen Sarastro und der Königin der Nacht legen. Für die aktuelle Inszenierung zeichnet Roland Hüve verantwortlich, der in Bremerhaven bisher für Operette (Fledermaus, Graf von Luxemburg) und Musical zuständig war und für herausragende Produktionen gesorgt hatte. Unvergessen sind seine Inszenierungen von West Side Story, Crazy For You und vor allem von Singin’ in the Rain. Nun also Oper – dazu noch eine der beliebtesten des Repertoires.

Hüve bezeichnet die Zauberflöte als „Oper aller Opern“ – ein Prädikat, das aber eigentlich für den Don Giovanni vorbehalten ist. Seine Inszenierung fällt gemessen an diesem Anspruch aber ohne tiefschürfende Akzente aus. Auch er stellt den Konflikt zwischen Sarastro und der Königin der Nacht in den Vordergrund. Schon bei der Ouvertüre marschieren beide mit ihrem Gefolge vor dem geschlossenen Vorhang auf. Aber sie sind keine Gegner, sondern verabreden sich zu einer Art Experiment, das sie mit Pamina und Tamino durchführen wollen, dessen Verlauf immer wieder von der Königin der Nacht aus dem Hintergrund beäugt wird. Aber abgesehen von diesem Ansatz, lässt Hüve die Zauberflöte in gewohnten Bahnen abspulen. Seinem Prinzip einer werkgetreuen Inszenierung ohne Verfremdungen ist Hüve auch hier treu geblieben. Die Elemente der Freimaurerei sind dabei allerdings komplett ausgespart. Sarastro und seine Welt sind in der Mozart-Zeit angesiedelt: Perücke, Puder und opulente Kostüme von Dorit Lievenbrück bestimmen den optischen Eindruck. Nur Tamino und Pamina sind heutig – sie ein flotter Teenager mit Pferdeschwanzfrisur, er ein Jüngling in Schlips und Kragen. Die beiden jungen Leute wirken in ihrem Outfit wie Brad und Janet aus der „Rocky Horror Show“, nur dass sie sich nicht in die Welt von Frank N. Furter, sondern in die nicht minder skurrile von Sarastro verirren.

Das nüchterne Einheitsbühnenbild (auch von Lievenbrück) zeigt graue Wände mit rückwärtig freiem Blick auf den Sternenhimmel und einen abgestorbenen Baum. Nur diverse Lichtstimmungen variieren die Szenerie. Hüve inszeniert genau an der Vorlage, ohne Überraschungen, aber auch ohne Willkürlichkeiten. Er erzählt die Handlung geradlinig und schnörkellos. Man bekommt eine eher harmlose, unbeschwerte Version zu sehen, die aber durchaus fesselt und Spaß macht. Da gibt es die „furchterregende“ Schlange am Beginn, da marschieren Sarastros Priester mit viel Pathos auf und der Dolch, mit dem Pamina Sarastro morden soll, schwebt vom Himmel. Trotzdem will der Funke diesmal nicht so recht überspringen. Vieles bleibt zu brav und harmlos. Auch bei den Auftritten der Königin der Nacht hätte man sich etwas mehr effektvollen Bühnenzauber gewünscht. Nur die Bühne etwas hochzufahren reicht nicht. Aber immerhin darf Papageno seine sympathisch-drolligen Späßchen machen. Überhaupt Papageno – diese Figur hat Hüve mit besonderer Liebe und mit viel Charme charakterisiert. Vikrant Subramanian hat in dieser Partie die Sympathien ganz auf seiner Seite und bezaubert alle, seine Darstellung macht einfach Spaß. Er singt und spielt dabei mit viel Witz und überzeugendem Einsatz.

Einen furiosen Eindruck hinterlässt Marie-Christine Haase als Königin der Nacht. Mit herrischem Ausdruck gibt sie der Rolle markantes Profil. Ihre beiden vertrackten Arien serviert sie virtuos und mit einem Feuerwerk an Spitzentönen. Direkt zum Herzen zielt die berührende Darstellung der Pamina durch Tijana Grujic, die ihren schönen Sopran mit Anmut aufstrahlen lässt. Besonders in ihrer g-moll-Arie „Ach, ich fühl’s“ findet sie zu einem bewegenden Ausdruck. Christopher Busietta hat es als Tamino daneben etwas schwer, auch wenn er durchweg eine gute Figur macht. Seinem etwas spröden Timbre mangelt es noch an Schmelz und Wärme. Gleichwohl gestaltet er die Bildnisarie mit viel Ausdruck.

Leo Yeun-Ku Chu ist mit seinem fülligen Bass auch als Sarastro eine sichere Bank und dabei ganz in seinem Element. Er gibt der Partie Würde und Ausstrahlung, in den Dialogen allerdings zuviel hölzernes Pathos. Die Papagena ist bei Victoria Kunze ein kugelrunder Kobold, bevor sie sich als hübsches Mädchen entpuppt. Ihr Duett mit Papageno hat spielerischen Charme. Der nicht schwarz geschminkte, aber ganz in bedrohlichem Schwarz gekleidete Monostatos ist bei MacKenzie Gallinger dank seiner Agilität gut aufgehoben. Er singt auch den Ersten Geharnischten.

Für ordentliche Aktion sorgen die drei Damen gleich zu Beginn bei der Beseitigung der monströsen Schlange. Mit Judith Kuhn, Patrizia Häusermann und Sünne Peters sind sie stimmkräftig besetzt. Gute Ensembleleistungen gibt es auch von Henryk Böhm (Sprecher und Zweiter Geharnischter) sowie Róbert Tóth (Priester). Die drei Knaben Julian Franzius, Jacob von dem Busche und Nicolas Hüchting wurden aus dem Knabenchor Unser Lieben Frauen Bremen rekrutiert und bewähren sich bestens. Das kann man auch über den von Mario Orlando El Fakih Hernández einstudierten Chor sagen, der seine Aufgaben klangschön erfüllt.

Das Philharmonische Orchester Bremerhaven unter der Leitung von Marc Niemann findet die richtige Balance zwischen weihevollem Pathos und spielerischer Leichtigkeit. Niemann sorgt für eine detailgetreue und ausgewogene Wiedergabe, die der Zauberflöte in jedem Moment gerecht wird. Diese Produktion dürfte, trotz der kleinen Einschränkungen, ein Publikumserfolg werden.

Wolfgang Denker, 04.11.2018

Fotos von Heiko Sandelmann