Bern: „Der große Diktator“

Charlie Chaplin

Deutschsprachige Erstaufführung

Regie / Bühnenfassung: Cihan Inan

Premiere: 19. Oktober 2019

Besuchte Vorstellung: 4. Dezember 2019

Es braucht viel Mut, um eines der Schlüsselwerke des grossen Schauspielers Charlie Chaplin, den Film "THE GREAT DICTATOR" als Schauspiel auf die Bühne zu bringen.

Cihan Inan, der Schauspieldirektor des Konzert Theater Bern hat bewiesen, dass dies möglich ist. Basierend auf dem Originaldrehbuch des Films hat er eine deutschsprachige Bühnenfassung erarbeitet, welche nicht hoch genug gelobt werden kann. Der Film ist so aktuell wie 1939 und die Berner Produktion unterstreicht diese auch für 2019 gültige politische, gesellschaftliche und sozio-ökonomische Aktualität. Sorgfältig fügt Inan kleine Anpassungen an die heutige Zeit ein, ohne die Handlung zu verändern. Bewusst will er mit seinen Schauspielerinnen und Schauspielern nicht die Figuren in Chaplins Film kopieren, sondern lässt seinem Bühnenteam die Freiheit, eigene Sichtweisen in die Handlung zu haben und diese auf der Bühne auszuleben, darzustellen.

Inan hat von der Familie Chaplin die Rechte und das Drehbuch des Films erhalten, welches nur die Dialoge, aber keine Regieanweisungen enthält. "Eine grosse Ehre", betont er. Die Chaplins wollten aber wissen, wie wir den Stoff umsetzen.

>Ich will eine Hommage an Charlie Chaplin und gleichzeitig dessen Idee neu denken< Cihan Inan bleibt mit seiner Inszenierung nahe an Chaplins Vorlage. Trotzdem werden sich die Zuschauerinnen, die Zuschauer in Hynkel-Hitlers Hassrhetorik auch an heutige Redner wie Donald Trump, Kim Jong Un und auch an einige Schweizer erinnern.

>Es geht darum, wie Populisten mit ihrer Sprache verführen und was wir dem entgegensetzen; wir müssen uns den Anstand im Umgang miteinander zurückholen<.

Um an den geschichtlichen Kontext des Originaldrehbuches zu erinnern, hat der Spielleiter die Person der Erzählerin eingefügt. Diese Rolle wird ausgezeichnet gespielt von Chantal Le Moign. Die Erzählung begleitet und unterstreicht das Spiel der ProtagonistInnen auf der Bühne. Der Text weist auf die geschichtlichen Ereignisse zwischen 1918 und 1941 in Europa hin. Diese Ereignisse, heute in der Erinnerung nicht mehr so präsent, bilden die Grundlage für den Originalfilm und auch für die in Bern gezeigte Bühnenfassung.

Die Schlussrede Hynkels wurde von Inan ein klein wenig auf die heutige Zeit zugeschnitten. So findet sogar das Internet und die sozialen Medien Platz darin. Nicht verändert wurde der Hynkels Appell an Humanismus und Mitgefühl, die Aufforderung Nationalismus und Ausgrenzung zu ächten.

Gabriel Schneider als jüdischer Friseur und Diktator Hynkel spielt seine Sichtweise der beiden Rollen in herausragender Weise. Er kopiert nicht Charlie Chaplin, sondern interpretiert die beiden Rollen für seine ZuschauerInnen neu. Und dies gilt nicht nur für Schneider, sondern auch für alle seine Mitspielerinnen und Mitspieler auf der Berner Bühne.

Der Regisseur hat bei allen Rollen in seiner Personenführung darauf geachtet, dass die dargestellten Personen nicht wie Kopien aus dem Film erscheinen, sondern als eigene Interpretationen auf der Bühne stehen. Dies ist dem gesamten Team in vorbildlicher Weise gelungen.

In den weiteren Rollen zu sehen: Hans-Caspar Gattiker, Jürg Wisbach, Stefano Wenk, Luise Schneider, Gabriel Noah Maurer und Gina Lorenzen.

Die Bühne stammt von Konstantina Dacheva, die Kostüme zeichnete Yvonne Forster. Für die Lichtführung zuständig war Bernhard Bieri und die Live Musik wurde gespielt von Daniel Stössel. Für die nicht einfache Dramaturgie verantwortlich: Adrian Flückiger.

Das sehr junge Publikum belohnte die Berner Produktion mit dem wohlverdienten lautstarken Applaus. Als Berichterstatter kann/darf/muss ich an die Adresse des Konzert Theater Bern schreiben: Bravi !

Peter Heuberger, 5.12.2019

Fotos © Annette Boutellier