Graz: „Julo Ascanio“ und „Re d’Alba“, Johann Joseph Fux

22. Juni 2018, Helmut List Halle & Glücksgarten

Ein Opernfest – musikalisch großartig!

Passend zur Hundertjahrfeier der Republik Österreich hat die STYRIARTE 2018 (22. Juni bis 22. Juli) das Motto „Felix Austria“ gewählt und mit einem barocken Opernspektakel eröffnet, das den Auftakt zu einer mehrjährigen Serie von Werken des steirischen Komponisten Johann Joseph Fux bildet. Dieser hatte seine Serenata „Julo Ascanio, Re d’Alba“ zum Namenstag Kaiser Josephs I komponiert. Sie war am 19. März 1708 in der Wiener Hofburg als Höhepunkt eines

„Hofgalatags“ von typisch barockem Gepränge uraufgeführt worden und wurde nun wieder zu szenischem Leben erweckt.

Mit ihrem ersten Fux.OPERNFEST betritt die styriarte neue Gärten der Kunst, sowohl was die Figur betrifft, die im Zentrum steht (der steirische Superstar der Barockmusik Johann Joseph Fux), als auch was das Format betrifft, das Opernfest. Für dieses Format hat die styriarte heuer einen Garten erschaffen, in dem Sie sich vielleicht jetzt gerade aufhalten. Der Garten und das Fest sind nicht Rahmen, sie sind Teil unserer Vorstellung. Und in der Mitte unseres Festes erklingt die älteste erhaltene Oper von Johann Joseph Fux, „Julo Ascanio“ aus dem Jahr 1708 – das schreibt styriarte-Intendant Mathis Huber im Programmheft.

Und so wird das Publikum vor Beginn der Opernaufführung zunächst zu einem Aperitif in den neben der Listhalle neu errichteten Glücksgarten geleitet und dort von Johann Joseph Fux persönlich ( einprägsam gespielt von Christoph Steiner) und einem Spezialensemble für historische Volksmusik launig begrüßt.

Nach diesem Prolog im Freien nimmt das Publikum im Saal Platz und das Ensemble Zefiro unter seinem Leiter Alfredo Bernardini tritt auf – hinter dem Orchester ein karges Podium mit der in der List-Halle (nicht zuletzt aus akustischen Gründen) bewährten gekrümmten Rückwand, auf die die üppigen, sich stets wandelnden und meist floralen Bilder projiziert werden, die die Medienproduktionsfirma OchoReSotto geschaffen hat. Mir hat sich nicht erschlossen, was diese Projektionen mit dem Stück zu tun haben und inwiefern sie eine „barocke Zauberbühne“ suggerieren sollten – das in der Programmankündigung heraufbeschworene „visuelle Erlebnis“ war es zumindest für mich nicht.

Auch die statische Inszenierung von Wolfgang Atzenhofer hatte erst im Finale einige wenige theatralisch-heitere Einfälle, sonst blieb es eher bei der ermüdend-gleichförmigen Aufeinanderfolge von Rezitativ und Soloarie ohne szenische Belebung. Einzig die drastisch-prächtigen Kostüme von Lilli Hartmann trugen Wesentliches dazu bei, dass doch ein wenig Barocktheater spürbar wurde.

Großartig und wahrhaft festspielwürdig war allerdings die musikalische Umsetzung. Das Zefiro Barockorchester unter Alfredo Bernardini interpretierte die Fux’ Vertonung in ihrem weitgespannten Spektrum wunderbar plastisch und leuchtete die Stimmungen differenziert aus. Virtuose Soloinstrumente wie Chalumeaux, Cembalo, Trompete, Gamben und Fagotte boten besondere Klangfarben. Und dazu kamen auch noch fünf ausgezeichnete Gesangssolisten.

Kai Wessel gehört zweifellos zu den führenden Vertretern seines Fachs und war ein idealer Interpret der Titelfigur. Sein durchaus viriler Altus ist souverän in allen Lagen geführt und er gestaltet mit wenigen stilisierten Gesten überzeugend die Königsfigur. Die von Ascanio verehrte und zunächst verfeindete Emilia verkörpert die junge römische Sopranistin Arianna Vendittelli stimmlich und optisch mit herber Schönheit – großartig beispielsweise ihre von Fagotten drastisch begleitete Arie T’aborrisco,ah!

Ihr Bruder und Gegenspieler Ascanios ist der Barockspezialist Mauro Borgioni , der mit plastischer Rezitativartikulation, szenischer Präsenz und Koloraturengewandtheit auffällt. Den Ascanio-Vertrauten Teucro gibt Valerio Contaldo mit sicherem und robustem Tenor. Die in der internationalen Barockszene arrivierte Sopranistin Monica Piccinini gestaltet mit klarer Stimme die Mutterfigur, die für das Happy-End sorgt und die am Ende die – von den Holzbläsern wunderschön begleitete – Licenza auf den Habsburger-Kaiser anstimmt. Im Schlussstück vereinen sich dann alle fünf Solostimmen zum Chor und alles endet im Tanzrhythmus, den der Choreograph des Abends Jörg Weinöhl in heitere Ausgelassenheit umsetzt. Man ist im letzten Viertel des etwa 1 ½ Stunden dauernden Stückes geradezu dankbar, dass (endlich!) durch die Choreographie etwas Leben in die statische Abfolge von Rezitativ – Arie (und das 14 Mal!) kam. Und so gab es ein versöhnlich-heiteres Ende mit großem Beifall des Publikums.

Aber damit war der Abend noch lange nicht zu Ende: Das Publikum wurde wieder in den Garten geleitet und zunächst mit Speis und Trank gelabt. Dazu gab es ein reichhaltiges Volksmusikprogramm, das eindrucksvoll dokumentierte, wie sehr der gestrenge Musiktheoretiker Johann Joseph Fux in seinen Werken (etwa im Concentus Musico-Instrumentalis) aus der Volksmusik geschöpft hat. Leider spielte das Wetter nicht mit – es hatte zwar aufgeklart, aber es blies ein kalter Wind und es hatte kaum 14 Grad. Das Publikum zog sich in die Zelte zurück und der liebevoll angelegte Garten blieb recht leer.

Das war ganz einfach kein Wetter für Freiluftaufführungen – und ich gestehe, dass ich bei diesem Wetter – wie so manch anderer Gast – nicht mehr die für den Schluss angekündigte Aria abwartete, die aus der Hand von Kaiser Joseph I stammt.

Wie auch immer: das musikalische Niveau dieser Styriarte-Eröffnung war sehr hoch – und man lernte eine Fux-Oper kennen, die durch ihre farbige Vielfalt, nicht aber durch dramatische Kraft überzeugte. Man kann gespannt sein, welche Fux-Entdeckungen für die nächsten Jahre zu machen sein werden.

Hermann Becke, 23. 6. 2018

Fotos: Styriarte, © Werner Kmetitsch

Hinweise:

– Weitere Vorstellungen am 23. und 25. Juni 2018

– Das vollständige Programmheft

– Eine wertvolle Verbindung ist die Kooperation von Styriarte und der am IKM der österreichischen Akademie der Wissenschaften angesiedelten Fux-Ausgabe: Eigens für das Fux.Opernfest wurden hier Aufführungsmaterialien erstellt, die nach dem Konzert als ‚praxiserprobte‘ Stimmen open access auf www.fux-online.at zum Download zur Verfügung stehen werden. Darüber hinaus wird das Werk in die gedruckte Ausgabe Johann Joseph Fux – Werke aufgenommen.