Mailand: „Der Rosenkavalier“, Richard Strauss (zweite Besprechung)

© Brescia e Amisano

Hier handelt es sich um die Koproduktion der Scala mit den Salzburger Festspielen (Regie: Harry Kupfer, Bühne: Hans Schavernoch, Kostüme: Yan Tax, Beleuchtung: Juergen Hoffman, Video: Thomas Reimer), wo sie 2014 Premiere hatte und 2016 erstmals an der Scala gezeigt wurde. Diese Wiederaufnahme wurde von Derek Gimpel betreut.

Ich hatte schon vor acht Jahren den Eindruck, dass diese Inszenierung von Akt zu Akt überzeugender wurde. Der erste mit seinem nur angedeuteten Schlafzimmer war Octavian und der Marschallin wenig hilfreich und vermochte auch das Gewusel der Bittsteller beim Lever nicht plastisch darzustellen. Der zweite Akt hatte mit der Projektion einer Barockfassade (Palais Liechtenstein?) schon mehr Atmosphäre und gefiel im dritten speziell mit der Beiselszene im berühmten Gasthaus „Zum Walfisch“ und dann mit der herbstlichen Stimmung der Praterauen während des Verzichts der Marschallin auf ihren jugendlichen Liebhaber. Da Ochs und die Marschallin dieselben waren wie damals realisierten sie Kupfers Einfälle ohne Schwierigkeiten, aber Gimpels Anweisungen wurden sichtlich getreulich erfüllt, ließen aber genug Raum für die persönliche Entfaltung der Sänger.

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Die Wiederaufnahme wurde von Opernliebhabern mit besonderem Interesse erwartet, debütierte doch Kirill Petrenko an der Scala. Als Chef der Berliner Philharmoniker gastiert der Russe nur selten anderswo und bevorzugt das symphonische Repertoire vor Operndirigaten. Die hochgeschraubten Erwartungen wurden geradezu übererfüllt. Vor acht Jahren war Zubin Mehta sehr erfolgreich am Pult gestanden, aber den klar strukturierten, durchsichtigen Klang, in dem jede Orchesterstimme zu hören war, ohne dass der große Boden verlorengegangen wäre, den Petrenko mit dem Orchester des Hauses schuf, kann nur mit dem von Carlos Kleiber 1976 hier erzielten verglichen werden und steht auf derselben Stufe der Qualität. Wienerischer geht der Klang nicht, was nicht nur den Walzer betrifft, sondern besonders auch die unzähligen Nuancen der Melancholie, der Zwischentöne. Das Haus raste, und der Maestro schien fast überrascht von dieser Reaktion. (Zu Beginn des jeweiligen Aktes verneigte er sich ganz kurz und gab dann sofort das Zeichen zum Beginn – darin erinnerte er mich an Herbert von Karajan).

Krassimira Stoyanova war eine schoenstimmige Marschallin, vielleicht überzeugender in der Melancholie ihrer Überlegungen zum Altern als im erotischen Getändel mit Octavian. Auf jeden Fall eine Leistung von Rang. Der Baron Ochs von Guenther Groissböck ist in seiner modernen, dem angeblichen Charme des kleinen Landadeligen abschwörenden Interpretation bereits zu einem Klassiker geworden, der auch stimmlich souverän auftrat. Achtung manchmal nur vor einer Verfärbung des Dialekts ins allzu Wienerische. Mit wunderbar gesponnenen Phrasen bei der Überreichung der silbernen Rose gefiel Sabine Devieheilhe als recht resolute Sophie. Stimmlich ausgezeichnet und ohne jede szenische Übertreibung Michael Kraus (Faninal). Auch von vier luxuriösen Besetzungen ist zu berichten: Tania Ariane Baumgartner als spitzbübische Annina mit vollem Mezzo, Gerhard Siegel als geradezu schoenstimmiger Valzacchi, Caroline Wenborne als eine einmal nicht schrill, sondern vollstimmig klingende Leitmetzerin und schließlich der dreifach eingesetzte Joerg Schneider als Hundeverkaeufer (wer hat jemals „Hunderl so klein und schon zimmerrein“ so schön intoniert gehört), Haushofmeister bei Faninal und Wirt mit erwartbarem strahlendem hohen C. Piero Pretti bewältigte die Rolle des italienischen Sängers mit viel Schmelz, und als Polizeikommissar führte Bastian Thomas Kohl die Riege der ausgezeichneten Comprimari an. Bleibt die Titelrolle, deren Besprechung ich mir für den Schluss aufgehoben habe, denn für mich war Kate Lindsey eine absolute Fehlbesetzung.

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Das wenig attraktive Timbre ihres Mezzos kann man ihr nicht vorwerfen, hingegen die Tatsache, dass sie – trotz aller Vorsichtnahme durch Petrenko – nicht immer über das Orchester kam. Aber als wirklich negativ fand ich ihre Interpretation, die aus Octavian im ersten Akt nicht einen Jüngling machte, der die Überlegungen seiner reiferen Geliebten nicht versteht, sondern eine Art eifersüchtigen Ehemann, damit der Rolle ein unangemessenes Profil verleihend. Penetrant ihre quietschenden Einwürfe im 3. Akt als Mariandl und das völlige Fehlen von Charme in jeglicher Szene. Eine herbe Enttäuschung für mich an einem ansonsten wunderbaren Abend mit Applaussalven für die Sänger und einem speziellen Triumph für Petrenko.

Eva Pleus, 7. November 2024


Der Rosenkavalier
Richard Strauss

Teatro alla Scala

29. Oktober 2024

Inszenierung: Harry Kupfer
Musikalische Leitung: Kirill Petrenko
Orchestra del Teatro alla Scala

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