Aufführung am 25.2.18 , Premiere am 23.2.18
Diese Produktion war 2016 für die in der „Rete lirica“ zusammengefassten Häuser der Region Marken entstanden (s. meine Besprechung im „Opernfreund“ 11.12./Fano). Nun war sie im nördlicher gelegenen Novara zu sehen, aufgefrischt von Pier Luigi Pizzi persönlich. Der 88-jährige Pizzi, wie immer für Regie, Bühnenbild, Kostüme und Beleuchtung verantwortlich, strafte mit seiner geistigen und körperlichen Regsamkeit jeden Siebzigjährigen Lügen. So war mit veränderter Besetzung wieder eine hochästhetische Aufführung zu sehen, deren Minimalismus durch den Einsatz von Leibwachen mimenden Tänzern (Choreographie: Francesco Marzola) aufgelockert wurde.
Stimmlich stand mit einer kleinen Ausnahme alles zum Besten, ja, die Situation war sogar brillant. Der mongolische Bariton mit dem für Europäer unaussprechlichen Namen Amartuvshin Enkhbat hat in den vergangenen Monaten in Verona, Padua, Parma debütiert und gilt zurecht als größte stimmliche Hoffnung seines Fachs seit Jahren. Der 31-Jährige ließ eine ausladende, weiche, sensationell timbrierte Stimme hören, mit nahtlosem Registerwechsel, prachtvollem Legato und bester Diktion. (Ich kann unseren Lesern nur empfehlen, sich in Youtube auf die Suche nach ihm zu begeben). Dabei protzte er, trotz eines eingelegten hohen ‚g‘, nicht mit der Stimme, sondern ließ die Zuhörer auch ein samtenes Piano genießen. Auch darstellerisch fühlte er sich in der Rolle des assyrischen Machthabers wohl. An seiner Seite die Slowenin Rebeka Lokar, die im Vorjahr in Novara schon mit einer wunderbaren Butterfly begeistert hatte (s. meine Besprechung im „Opernfreund“ 26.2./Novara). Auch für die stimmmordende Rolle der Abigaille verfügte sie über das nötige Material, hatte, ohne je schrill zu werden, die extremen Spitzentöne, stieg aber auch mühelos in die ebenso extremen Tiefen hinab. Ihre szenische Präsenz deckte die machtgierige Sklavin ebenso ab wie die Sterbende, um Vergebung Flehende.
Neben diesem gesanglichen Traumpaar gab es weitere interessante Stimmen zu hören. Der Kroate Marko Mimica verfügt über einen etwas hell timbrierten Bass, dessen tiefe Töne nicht ganz durchschlagskräftig sind, welche Eigenschaften er mit fast allen jüngeren Bässen teilt. Er sang den Zaccaria aber sehr nachdrücklich und ohne auf die Stimme zu hauen. Auch szenisch überzeugte er als religiöser Eiferer. Ismaele war dem Japaner Tatsuya Takahashi anvertraut, der einen frischen Tenor präsentierte, sich schauspielerisch aber stoisch-asiatisch gab. Fenena und Anna kamen aus Georgien: Erstere war Sofia Janelidze mit angenehm timbriertem Mezzo, letztere Madina Karbeli, die in den Ensembles mit sicherer Höhe prunkte. Ein verlässlicher Priester des Baal war Daniele Cusari (dass er der einzige italienische Künstler im Ensemble war, sollten den Leitern der hiesigen Konservatorien zu denken geben). Die einzige negative stimmliche Leistung kam von dem Mazedonier Gjorgji Cuckovski; man war angesichts dieser Leistung froh, dass Abdallo wenig einzeln zu singen hat.
Geleitet wurde die Aufführung von Gianna Fratta, von der man sich manchmal mehr Schwung erwartet hätte, die aber das um Elemente des Konservatoriums von Novara bereicherte Orchester zu sehr präzisem Spiel anhielt. Auch der Chor San Gregorio Magno unter der Leitung von Mauro Rolfi hat seit seinen ersten Auftritten an diesem Haus sehr positive Fortschritte gemacht.
Die Leistungen wurden an diesem Nachmittag ausgiebigst bejubelt.
Eva Pleus 28.2.18
Bilder: Mario Finotti / Teatro Coccia