Bielefeld: „Benzin“

Emil Nikolaus von Reznizek

Premiere: 13. Januar 2018

Besuchte Vorstellung: 20. Januar 2018

Wenn ein Theater eine Rarität wie „Benzin“ auf die Bühne bringt, darf man besonders gespannt sein: Ist diese Oper zu Recht in Vergessenheit geraten oder wird da vielleicht ein Schatz der Musikgeschichte gehoben? „Benzin“, das zwar 1929 komponiert, aber erst 2010 in Chemnitz uraufgeführt wurde, und kürzlich auf CD veröffentlicht wurde, kann jedoch nicht überzeugen.

In „Benzin“ bietet Emil Nikolaus von Reznicek eine Sicht auf die Begegnung von Odysseus und Circe im Stil der Zeitoper der 1920er Jahre. Odysseus ist hier der Luftschiffkapitän Ulysses Eisenhardt, der mit seinem Zeppelin eine Rekord-Weltumrundung wagt. Circe ist die Millionärstochter Gladys Thunderboldt, die über hypnotische Kräfte verfügt.

Nun geht der Luftschiffer bei seiner Reise der titelgebende Kraftstoff aus, und er landet auf der Insel, auf der nicht nur Gladys mit ihren Freundinnen lebt, sondern auch noch Benzin in rauen Mengen vorhanden ist. Libidinöse Verwicklungen zwischen den Luftschiffern und den Damen sind die Folge.

Wie in den Zeitopern üblich fließen die Tanzrhythmen der Zeit in die Partitur ein, doch ergibt sich musikalisch kein logisches Ganzes: Für eine Oper fehlt der große Bogen, für eine Operette, die hier oft durchschimmert, fehlen die Ohrwürmer. So bleibt dieses „heiter-phantastische Spiel“ ein musikalisch merkwürdiges Zwischending.

Dirigent Gregor Rot bringt das Stück schön in Schwung, betont das Tänzerische der Partitur und lässt den Sängerinnen und Sängern genügend Raum. Das Blech ist hier aber so groß besetzt, dass es aus dem Graben in den reinen Orchesterpassagen manchmal zu stark dröhnt.

Trotzdem geht die Geschichte in Bielefeld dank der Regie von Cordula Däuper leicht und komödiantisch über die Bühne. Zwar werden die Figuren immer wieder überzeichnet, aber in solch einer Geschichte ist dies nur legitim. Dass Bühnenbildner Ralph Zeger bei einer Oper mit dem Titel „Benzin“ eine Tankstelle auf die Bühne stellt, überrascht nicht, jedoch erinnert diese stark an Klaus Grünbergs Walkürenfelsen-Tanke im Hannoveraner „Ring des Nibelungen“.

Die Besetzung der Hauptrollen in Bielefeld überzeugt nicht: Melanie Kreuter ist von Kostümbildnerin Sophie du Vinage als blonde Barbie im rosa Kleid ausstaffiert worden: In der Tiefe klingt ihre Stimme zu flach, in der Höhe zu angestrengt, sodass sie das Verführungspotenzial ihrer Rolle stimmlich nicht beglaubigen kann.

Jacek Laszczkowski war in den 2000er Jahren der große Starsopranist im Bereich der Barockoper und feierte in München und Hamburg Erfolge als Nero in Monteverdis „Poppea“. Mittlerweile ist er in das Tenorfach gewechselt und fast nur noch in seiner polnischen Heimat als Herodes, Pinkerton oder Cavaradossi zu erleben. Den Ulysses Eisenhardt singt er mit kräftiger Stimme, die aber verhärtet und unflexibel klingt.

Aus dem Ensemble ragen Caio Monteiro mit heller Bariton als Ingenieur Freidank und Nienke Otten als seine muntere Freundin Violet heraus. Für Operettenschwung sorgen Dorine Mortelmans, Jasmin Etezadzadeh, Lorin Wey und Lutz Laible als weitere Flirtgruppierung zwischen Inselmädchen und Luftschiffbesatzung.

Vielleicht hätte sich das Bielefelder Theater seine Energien besser in eine andere Oper der 20er fließen lassen sollen, da gibt es immer noch viel zu entdecken.

Rudolf Hermes 22.1.2018

Bilder (c) Theater Bielefeld