Bielefeld: „Das Rheingold“

Premiere: 3. März 2018

Besuchte Vorstellung: 10. März 2018

In der vergangenen Spielzeit hatte die Duisburger Regisseurin Mizgin Bilmen mit „Charlotte Salomon“ in Bielefeld ein starkes Operndebüt hingelegt, dass ihr gleich eine Auszeichnung mit dem Götz-Friedrich-Preis bescherte. Mit Wagners „Rheingold“ hat sie als zweite Opernarbeit eine ganz schwierige Aufgabe gestellt bekommen. Jedoch zeigt Bielefeld nicht Wagners ganzen „Ring des Nibelungen“, sondern spielt den Vorabend als Einzelstück.

Der Beginn ist durchaus eine Hommage an Götz Friedrichs berühmten Berliner Zeittunnel-Ring: Zum kreisenden Alarmlicht wird der eiserne Vorhang hochgezogen und wir blicken in eine Architektur aus zwei sich neigenden Betongitterwänden. Auf dem Boden liegen als undefinierbare Gestalten die Opfer der letzten Katastrophe.

Eine Schar von 20 Statisten, die in erdfarbenen und geäderten Kostümen die Bühne bevölkern, sind die Erdlinge, welche die Natur verkörpern, die im „Rheingold“ ausgebebeutet wird. Sie bilden das Rheingold, den Tarnhelm und den Drachen, der hier eine Schar Bettler ist. Aus ihrer Gruppe wird sich schließlich auch Erda erhebt. Mit Hilfe dieser Statistenschar formt Mizgin Bilmen immer wieder eindringliche und starke Bilder.

Beim Raub des Rheingolds wirft sich Alberich einen dieser Erdlinge über die Schulter und auch Fafner transportiert neben dem Ring eine dieser Figuren ab. Ein sinnfälliges Bild ist dann, wie die Götter den Erdlingen unter die Haut greifen, um an ihren Goldstaub zu gelangen.

Die Götter hat Alexander Djurkovic Hotter in dekadente Kostüme zwischen Fantasy und Lady Gaga gesteckt, um die Dekadenz dieser Sippe optisch zu unterstreichen. Inszenatorisch bleiben die Nebengötter allerdings blass und stehen meist nur herum wie dekorative Schaufensterpuppen.

Den Wotan singt Frank Dolphin Wong mit kraftigem und schneidenden Bariton. Die Ausbeuter der Welt sind nicht nur die Götter, sondern auch Alberich, der hier ein schicker gutaussehender Dandy im weißen Anzug ist. Yoshiaki Kimura kämpft in den schnellen Passagen mit dem Rhythmus und dem Stabreim, in den großen Bögen singt er mit imponierendem Material. Tenor Uwe Eikötter kennt man vom Mannheimer Nationaltheater als vorzüglichen Mime. In Bielefeld singt er einen stimmstark-intelligenten Loge. Eine energische Fricka ist Sarah Kuffner.

Mit Nienke Otten, Hasti Molavian und Nohad Becker verfügt die Bielefelder Aufführung ein spielfreudiges Rheintöchter-Trio, dass sich stimmlich sehr homogen ergänzt. Lorin Wey singt den Mime mit leichtem Spieltenor.

Die Opfer der Götter sind hier nicht nur die Rheintöchter und die Erde, sondern auch die Riesen, die für die Götter die Kriege geführt haben. Moon Soo Park ist ein bedrohlicher und scharf artikulierender Fasolt, während Sebastian Pilgrim ein warm-gaumiger Fafner ist. Mit großer Stimme singt Katja Starke eine raumgreifende Erda.

Die Botschaft der Inszenierung wird auch durch die Videos von Malte Jehmlich in den Verwandlungsmusiken unterstrichen, die aktuelle und historische Kriegsbilder zeigen. Jedoch werden diese zu wenig aus der Handlung legitimiert. Das gilt auch für die Bilder von Flüchtlingen zu Frohs Regenbogengesang und den Atompilz, der zum Einmarsch der Götter nach Walhall aufsteigt.

Der Bielefelder GMD Alexander Kalajdzic dirigiert am Pult der Bielefelder Philharmoniker ein schlankes „Rheingold“, bei dem die Dramatik des Geschehens nie zu kurz kommt, den Sängern aber auch genügend Raum bleibt. Mit zweieinhalb Stunden Dauer bewegt er sich in einem mittleren Tempo, das weder überhastet noch zerdehnt wirkt.

Insgesamt gelingt Bielefeld ein starkes „Rheingold“, dass die anderen NRW-Inszenierungen dieses Werkes locker übertrifft. So besitzt Mizgin Bilmens Regie mehr Biss als die Mindener Produktion von Gerd Heinz (2015) und hier wird auch nicht eine Fülle von Regietheater-Klischees runtergebetet wie in Johan Simons Bochumer Triennale-Inszenierung. Zudem verirrt sich die Regisseurin auch nicht in einer Fülle von Regiefehlern wie Dietrich Hilsdorf in seinem Düsseldorf-Duisburger „Rheingold“ von 2017.

Rudolf Hermes 15.3.2018

Bilder (c) Theater Bielefeld