Jake Heggie
Premiere13. Januar 2019
Besuchte Vorstellung: 8. Februar 2019
Moderne Opern werden kaum nachgespielt, doch Jake Heggies „Dead Man Walking“, der 2000 in San Francisco uraufgeführt wurde, hat schon mehr als 50 Inszenierungen erlebt. Die deutsche Erstaufführung war 2006 an der Dresdener Semperoper, Hagen (2007) und Schwerin (2014) folgten. Nun präsentiert das Theater Bielefeld eine Neuinszenierung.
Der Erfolg dieser Oper dürfte nicht nur darin begründet sein, dass die Geschichte durch den gleichnamigen Film mit Susan Sarandon und Sean Penn bekannt ist und das Thema „Todesstrafe“ unter die Haut geht und zu Diskussionen anregt, sondern auch weil Komponist Jake Heggie eine griffige und emotional packende Musik geschrieben hat, die auf dem Boden der Tonalität begründet ist. In Bielefeld sorgt Dirigent Gregor Rot dafür, dass die Musik, trotz verschiedener Stile, die benutzt werden, zu einer Einheit wird.
Gelungen ist auch das Libretto von Terence McNally, das von Anfang an keinen Zweifel an der Schuld des Mörders Joseph de Rocher aufkommen lässt, gleichzeitig aber viele Personen zu Wort kommen lässt, um die Frage nach dem Sinn der Todesstrafe in den Raum zu stellen. Neben der Familie des Mörders vermitteln hier nämlich auch die Angehörigen seiner Opfer ihre Sicht der Dinge.
Die vielen Arien und Ensembles beweisen, dass dieses Stück kein theoretischer Diskurs, sondern eine echte Oper ist. Gleichzeitig hat man im ersten Teil, der anderthalb Stunden dauert, dass Gefühl, dass die eine oder andere Szene auch gekürzt werden könnte: Man versteht die Gefühle der Figuren nämlich gut und wenn die Figuren dann noch versuchen dem Publikum zu erklären, warum sie so fühlen, ist das überflüssig.
Jung-Regisseur Wolfgang Nägele, der lange Zeit bei Hans Neuenfels assistiert hat, bringt die Geschichte mit glaubwürdigen und realistischen Figuren auf die Bühne. Rätselhaft-surrealistische Brüche wie bei Neuenfels gibt es hier nicht. Bühnenbildner Stefan Mayer nutzt für die vielen Szenenwechsel ausgiebig die Drehbühne.
Zentrale Räume sind das Gefängnis, dass durch kaltes Neonlicht und hohe Wände formiert wird und der See, an dem das junge Paar ermordet wurde. Hier ist der See ein leuchtendes Oval.
Das Bielefelder Haus bietet eine starke Besetzung aus dem eigenen Ensemble auf: Nohad Becker gestaltet die Schwester Helen Prejean als selbstbewusste junge Frau und Singt mit großem fülligem Mezzo, der nie Probleme hat, über das Orchester hinweg zu singen. Todeskandidat Joseph de Rocher wird von Evgueniy Alexiev genauso drahtig und muskulös gesungen wie der sportliche Bariton auch aussieht.
Einen großartigen auftritt hat Katja Starke als die Mutter des Mörders, in der Szene, in der sie um Gnade für ihn bittet. Da beginnt sie in schüchternem Sprechgesang und steigert sich dann in groß strömende Kantilenen. Frank Dolphin Wong sang vor 12 Jahren in Hagen den Mörder, nun ist er der Vater des ermordeten Mädchens. Er spielt und singt seine Rolle mit großer Eindringlichkeit. Auch bei den vielen kleinen Partien ist man immer wieder von der gesanglichen Qualität überrascht.
Bei der Bielefelder Aufführung, die ein starkes Plädoyer für diese Oper ist, merkt man, dass dem Publikum die Geschichte unter die Haut geht. Bei einer zeitgenössischen Oper erlebt man das leider nur selten.
Zwei weitere Neuinszenierungen von „Dead Man Walking“ folgen noch in dieser Saison in Erfurt und Oldenburg. Beide Premieren finden gleichzeitig am 23. März 2019 statt. Wünschenswert wäre, wenn die deutschen Opernhäuser auch mal Heggies „Mobby Dick“ auf die Bühne bringen würden. Der hatte 2010 in Dallas Premiere und ist von diversen amerikanischen Häusern nachgespielt worden, aber noch nicht in Europa.
Bilder (c) Carl Brunn