Hildesheim: „Die Prinzessin von Trapezunt“, Jaques Offenbach

Premiere am 3. März 2019

Rarität als flotte Revue

Die Operette „Die Prinzessin von Trapezunt“ galt zu Lebzeiten Jacques Offenbachs als eines seiner populärsten Werke. Die Uraufführung fand im Sommer 1869 in Baden-Baden durch sein eigenes Pariser Ensemble des am Champs d’Élisée gelegenen Théatre des Bouffes-Parisiens statt. Nach Aufführungen einer überarbeiteten und auf drei Akte erweiterten Fassung an den Bouffes-Parisiens und Wiederaufnahmen in den 1870er-Jahren am Théâtre des Varietes erzielte es auch international große Erfolge. So wurde es in Brüssel, London, Madrid, Kopenhagen, Stockholm, Prag, Berlin und sogar in Rio de Janeiro und New York nachgespielt, bis es zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast völlig in der Versenkung verschwand. Vereinzelt wurde die „Prinzessin“ in letzter Zeit wieder aufgeführt, so z.B. 1975 in Braunschweig oder 2015 am Uraufführungsort Baden-Baden. Nun hat der rührige GMD des Theaters für Niedersachsen (TfN) Florian Ziemen das Werk zum 200. Geburtstag des Komponisten erneut hervorgeholt. Der Schauspieler Max Hopp, in den letzten Jahren mit Oscar Straus’ Operette „Eine Frau, die weiß, was sie will!“, „My Fair Lady“ und „Anatevka“ an der Komischen Oper Berlin erfolgreich, gab mit dieser Produktion sein Regiedebüt. Er hatte den Text modernisiert und einen Conférencier dazu erfunden, um Szenen und Abläufe zusammenzufassen. Die Dialoge hatte er teils neu geschrieben und auch welche von Karl Kraus übernommen, der um 1930 Offenbach-Lesungen mit Klavierbegleitung veranstaltete.

Das besonders als Puppenspieler hervorgetretene, junge Allround-Talent

Paul Hentze leitete die Revue-artige Fassung als Conférencier ein und trat zwischendurch immer wieder auf, wobei er u.a. einen ganzen Jägerchor gestaltete, mit Jacques Offenbach als Puppe während des Umbaus vom 1. zum 2. Akt etwas langatmig Nachdenkliches zum Betrieb eines Theaters äußerte oder – ein gelungenes Kabinettstückchen – drei Pagen als Museumswärter bei den Wachsfiguren präsentierte.

In der Ausstattung von Caroline Rössle-Harper, die ein einfaches, praktikables Bühnenbild geschaffen hatte, trat das Ensemble in äußerst fantasievollen, detailverliebten Kostümen derart spielfreudig und lebhaft auf, dass es eine wahre Wonne war: Zu Anfang lernen wir die Schausteller-Familie kennen, angeführt vom in sein Wachsfigurenkabinett geradezu verliebten Oberhaupt Cabriolo (bassgewaltig Levente György). Seine Schwester Paola (mit großer Stimme und temperamentvollem Spiel Katharina Schutza) hat große Sorgen, als spätes Mädchen zu versauern. Seiner Tochter Zanetta (klarstimmig Meike Hartmann) passiert das Missgeschick, dass sie beim Abstauben der Wachsfiguren versehentlich der „Prinzessin von Trapezunt“ die Nase abbricht. Daraufhin nimmt sie selbst in deren Kostüm den Platz der Wachsfiguren-Prinzessin ein. Die andere Tochter, die liebeshungrige Regina, ist bei Neele Kramer und ihrem charaktervollen Mezzo gut aufgehoben. Zunächst ohne Aussicht auf Erfolg seiner Bemühungen um Regina ist der als Clown auftretende Tremolino (der Schauspieler Jan Rekeszus kann sich auch in den Gesangsensembles erstaunlich gut behaupten).

Katharina Schutza/Dieter Wahlbuhl/Meike Hartmann/Julian Rohde/Jan-Philipp Rekeszus/Neele Kramer/Levente György

Nun tritt Prinz Raphael auf, dargestellt von Julian Rohde, der trotz angesagter Erkältung einen tragfähigen Tenor erkennen lässt. Der Prinz entkommt seinem Aufpasser und Erzieher Sparadrap (Schauspieler Dieter Wahlbuhl, dem eine komische Figur gelingt) und besucht das Wachsfigurenkabinett, wo er sich in die „Prinzessin von Trapezunt“ verliebt, ohne zu merken, dass er in Wahrheit Zanetta anhimmelt. Er bezahlt den Eintritt ins Kabinett mit einem Lotterie-Los, auf das bei der späteren Ziehung der Hauptgewinn fällt, ein veritables Schloss, in das die Gaukler-Familie freudig einzieht.

Nach dem Szenenwechsel zur Terrassenseite des Schlosses erleben wir auch den Vater des Prinzen, Fürst Kasimir, dem zwei satirische Politik-Couplets in den Mund gelegt sind, von denen es in der „Prinzessin“ nur wenige gibt. Uwe Tobias Hieronimi, Hildesheimer Publikumsliebling, präsentiert sie teilweise urkomisch.

Levente György/Meike Hartmann/Neele Kramer/Uwe Tobias Hieronimi/Katharina Schutza/Jan-Philipp Rekeszus

Diese Handlung, die sich am Schluss natürlich in ein fröhliches Happyend auflöst, indem sich alle Paare endgültig finden, geht durchgehend spritzig und witzig voran. Sie schrammt auch manchmal hart am Klamauk vorbei, kehrt aber immer wieder zur flotten Revue zurück und gefällt dem in Hildesheim besonders begeisterungsfähigen Publikum. Der große Erfolg der Operette lag natürlich ganz wesentlich an der vielschichtigen Musik Offenbachs, die nicht nur wie der wirbelige Can-Can im 3.Akt Stimmung macht, sondern auch wie im Liebesduett Zanetta/Raphael besinnlich zur Ruhe kommt. Die Erarbeitung der Neufassung und die musikalische Einstudierung lag in den Händen von Adam Benzwi, der bereits mit mehreren Operettenproduktionen ebenfalls an der Berliner Komischen Oper erfolgreich war. Er sorgte mit präziser Leitung des nicht immer fehlerfreien Orchesters zu stets vorwärtsdrängendem Schwung.

Das Premierenpublikum jubelte zu Recht und bedankte sich mit starkem, lang anhaltendem Beifall und standing ovations bei allen Mitwirkenden.

Fotos: © Jochen Quast

Gerhard Eckels 4. März 2019

Weitere Vorstellungen: 5.,9.,31.3.+8.12.,16.,20.5.2019 u.a.