Hildesheim: „Die Zauberflöte“, Wolfgang Amadeus Mozart

Eine „Zauberflöte“ mal ganz anders! Die kann man jetzt in einer äußerst wirbeligen Neuinszenierung in Hildesheim und an anderen Orten Niedersachsens erleben, wo das Theater für Niedersachsen (TfN) gastiert. Die hehre Welt von Sarastros „Eingeweihten“ wird ordentlich auf die Schippe genommen, und die alles andere als zeitgemäßen, manchmal frauenfeindlichen Dialoge sind geändert oder durch Pantomime (gelenkig die Schauspielerin Anna Schönberg als August) ersetzt, teilweise unterlegt mit Mozarts ersten Kompositionen aus seiner Kindheit.

© Jochen Quast

Regisseur Christian von Götz hat die Hildesheimer Dialogfassung geschaffen und ist auch für das bunte Bühnenbild mit wenigen Requisiten wie drei großen Kisten verantwortlich, aus denen immer wieder handelnde Personen steigen. Das Ganze spielt sich auf freiem Feld ab, wo zur Ouvertüre eine fantasiereich gekleidete Schauspieltruppe (Kostüme: Amelie Müller) erscheint, die das Märchen um die Prinzessin Pamina, ihre Mutter, die Königin der Nacht, und ihren Gegenspieler Sarastro sowie den Prinzen Tamino und den Vogelmenschen Papageno aufführt. Dabei wird ein flottes Tempo angeschlagen, ohne dass dadurch die Musik mit auch ruhigen, nachdenklichen Passagen leiden muss. Der Text zur Musik ist teilweise ebenfalls verändert und das recht witzig, wenn z.B. Sarastro den Monostatos statt mit „sieben und siebenzig Sohlenstreich“ zum „Spüldienst im Büffetbereich“ verurteilt. Manches ist dagegen übertrieben albern, wie beispielsweise das Sackhüpfen der Choristen vor und nach dem Chor „O Isis und Osiris“, das Einwickeln Sarastros in Toilettenpapier, das Strickzeug der Königin der Nacht oder die überflüssige Beteiligung Sarastros als eine Art Moderator an den schon im Original lustigen Dialogen von Papageno und seiner Papagena (klarstimmig und geradezu akrobatisch die Gesangsstudentin Zahra Sebnat). Insgesamt kann man seinen Spaß haben, wenn man sich auf die lustige Lesart des Regieteams einlässt, was im ausverkaufte Haus in der besuchten Vorstellung der Fall war – selten hört man bei einer „Zauberflöte“ so viel Gelächter.

Anna Schönberg (Erzählerin), Julian Rohde (Monostatos), Andrey Andreychik (Papageno), Sonja Isabel Reuter (Pamina) / © Jochen Quast

Die musikalische Verwirklichung durch das vollzählige, äußerst spielfreudige Hausensemble und nur zwei Gäste, die Königin der Nacht und Papagena, gelang zufriedenstellend. Studienleiter Stefano de Laurenzi hattealles sicher im Griff und sorgte am Pult der TfN-Philharmonie für zur Inszenierung passende flotte Tempi. Als Pamina erfreute Sonja Isabel Reuter erneut mit ihrem sauber geführten Sopran, mit dem sie auch die todtraurige Arie „Ach, ich fühl’s“ anrührend zu gestalten wusste. Ihr Prinz Tamino war Yohan Kim mit bekannt markigem, sicherem Tenor; beide erfüllten in der Szene mit den Feuer- und Wasserproben über der Bühne schwebend große sportliche und gesangliche Anforderungen. Gute Gestaltungskraft zeichnet den Sopran der noch jungen Marie Sofie Jacob aus, die die beiden anspruchsvollen Arien der Königin der Nacht meist intonationsrein bewältigte. Mit enormer Bühnenpräsenz kam als Sarastro abenteuerlich kostümiert Uwe Tobias Hieronimi daher, der mit der tiefen Tessitura der Bass-Partie manche Schwierigkeiten hatte.

© Jochen Quast

Auch Papageno musste öfter über der Bühne schweben, was dem kanadischen Bariton Andrey Andreychik – neu im Hildesheimer Ensemble – ebenso souverän gelang wie die ausdrucksstark präsentierten Gesangsnummern seiner dankbaren Rolle.  Monostatos war mit seinem feinen lyrischen Tenor Julian Rohde, der hier wie ein Gewichtheber auftrat. Die Kostümierung der ebenfalls sehr spielfreudigen drei Damen erinnerte trotz der Mini-Röcke an Hotelpagen; stimmlich war die Mezzosopranistin Neele Kramer als Zweite Dame gegenüber den Choristinnen Karolina Pasierbska (Erste Dame) und Aline Réa (Dritte Dame) teilweise etwas zu beherrschend.  Die Schülerinnen Alina Matiushenko, Frida Wischnewski und Océane Wuttke spielten lebhaft die drei Knaben, sangen leider etwas unsauber; dass sich die eher kleinen Stimmen nicht immer gegenüber dem Orchester durchsetzen konnten, ist dem Dirigenten anzulasten, der das Orchester weiter hätte zurücknehmen müssen. Als merkwürdig kostümierter Sprecher trat mit charaktervollem Bariton Eddie Mokofeng auf; er und der klare Tenor Yajun Yu gaben auch die Priester und Geharnischten. Wie immer in Hildesheim gefielen Chor und Extrachor in der Einstudierung von Achim Falkenhausen mit ausgewogenen, machtvollen Klängen.

Das Publikum war hellauf begeistert und dankte allen Mitwirkenden mit starkem, lang anhaltendem Beifall..

Gerhard Eckels, 9. Februar 2025


Die Zauberflöte
Wolfgang Amadeus Mozart

Hildesheim – Theater für Niedersachsen (TfN)

Besuchte Vorstellung am 8. Februar 2025
Premiere am 30. November 2024

Inszenierung: Christian von Götz
Musikalische Leitung: Stefano de Laurenzi
TfN-Philharmonie