Hagen: „Aida“

Premiere der konzertanten Aufführung am 03.03.2018

Die Damen brillieren

Rodrigo Tomillo, stellvertretender Generalmusikdirektor am theate rhagen und musikalischer Leiter der Premierenaufführung, versprach in der Theaterzeitung allen Besuchern ein „musikalisches Event“ und eine glanzvolle Aufführung dieses „kolossalen Werks mit höchsten Ansprüchen“ an Orchester, Chor und Sänger. Es gelte die Balance zu finden zwischen den kammermusikalischen Passagen der Partitur und dem groß auftrumpfenden Orchesterpart in den Massenszenen gerade des 2. Akts. Sein Augenmerk richte sich vor allem auf das „Kammerspiel zwischen den schicksalhaft verstrickten Protagonisten“. Und unlösbare Verstrickungen und seelische Konflikte bietet die wohl bekannteste Oper Verdis ja auch in reicher Fülle. Aida ist hin- und hergerissen zwischen ihrer Liebe zu Radames und den Forderungen einer Staatsraison, die ihr privates Glück unmöglich macht.

Amneris wird ganz von ihrer Eifersucht auf Aida beherrscht und vernichtet dadurch nicht nur Radames und Aida, sondern auch ihr eigenes Lebensglück. Amonasro, Aidas Vater, erpresst seine Tochter und zwingt sie in einem Psychokrimi ohne gleichen aus patriotischen Gesichtspunkten zu einem Verrat ihrer Liebe zu Radames. Und Radames selbst, zerrieben zwischen den politischen Anforderungen seines Amtes als Feldherr und seinen leidenschaftlichen Gefühlen für Aida, sieht den Ausweg nur im eigenen Tod.
So erzählt die Oper nicht nur eine tragische Dreiecksbeziehung, sondern thematisiert auch eine von Männern beherrschte, unbarmherzige und chauvinistische Geisteshaltung, die nur Opfer zurücklässt. In seiner berühmten Inszenierung der „Aida“ im Aaltotheater Essen hatte vor vielen Jahren Dietrich Hilsdorf Verdis Oper zu einer flammenden Anklage gegen den Krieg genutzt.

In Hagen erlebte man nun die Oper konzertant. Das ist gerade bei den Szenen des Triumphmarschs im 2. Akt schon ein schmerzlicher Verlust und man hätte sich zumindest gewünscht, dass durch eine verfeinerte Lichtregie und Videoclips inhaltliche Akzente gesetzt worden wären. So bleibt es – mit unterschiedlichem Erfolg – bei den Bemühungen der Sänger, ihrer Rolle Leben einzuhauchen. Ganz großartig gelingt dies Julia Faylenbogen als Amneris. Die Mezzosopranistin ist nach ihrem Engagement in Hannover mittlerweile festes Ensemblemitglied in Mannheim. Sie gestaltet in Spiel und Gesang die wie von Furien gehetzte Pharaonentochter mit einer Intensität, Differenziertheit und emotionalen Wucht, dass es einem schier den Atem verschlägt. Das erste Bild des 4. Aktes wird auf diese Weise zum Höhepunkt der ganzen Aufführung. Frau Faylenbogens Rollenportrait würde es rechtfertigen, in Hagen Verdis Oper in „Amneris“ umzutaufen.

Als Rivalin in der Liebe um Radames berührt die Südafrikanerin Andiswa Makana mit ihrer warmen, dunkel timbrierten Sopranstimme ungemein. Sie erinnert in Stimmfärbung und Rollengestaltung an große Vorgängerinnen wie Martina Arroyo oder Leontyne Price. 2016 stand sie zum ersten Mal bei den Schlossfestspielen Schwerin mit großem Erfolg als Aida auf der Bühne. Besonders ihre große Arie im ersten Akt „Ritorna vincitor“ und ihre leidenschaftliche Auseinandersetzung mit ihrem Vater im 3. Akt sang Andiswa Makana mit nie nachlassender Glut und Gänsehaut fördernder Klangschönheit. Wenn sie auch manchmal zu forcierten Spitzentönen neigt , so z.B. in der Nilarie „O patria mia“ des 3. Akts, so ist ihre sängerische Leistung an diesem Abend nicht hoch genug einzuschätzen. Man braucht kein Prophet zu sein, um der Südafrikanerin gerade in der Rolle als Aida eine große Karriere vorauszusagen.

Die Herren konnten an diesem Abend leider das Niveau ihrer Kolleginnen auch nicht im Ansatz erreichen. Am ehesten gefiel noch der mexikanische Bariton Juan Orozco als Amonasro, der immerhin schon an der Deutschen Oper am Rhein reüssiert hat. Mit seiner kraftvollen Stimme und seinem engagierten Spiel wusste er besonders in der Auseinandersetzung mit Aida im 3. Akt zu punkten. Mario Zang als Radames mühte sich redlich, die anspruchsvolle Tenorpartie mit Kraft und leidenschaftlichem Einsatz auszufüllen. Der Stimme des kanadischen Tenors fehlt es aber leider an Pianokultur und der Kunst des mezza voce. Selbst in dem herrlichen Schlussduett der Oper, in dem Aida und Radames ihrem Tod entgegensehen, musste der Kanadier zu unschönen und gepressten Fortetönen greifen, um seinen Gesangspart überhaupt über die Rampe zu bringen. Rainer Zaun als Ramphis und Bart Driessen als König mit recht sonorer Bassstimme komplettierten ein Sängerensemble, aus denen die beiden Damen deutlich herausragten.

Rodrigo Tomillo leitete Chor, Extrachor und Philharmonisches Orchester Hagen aufmerksam und umsichtig. Nachjustierungen bei den Streichern und bei der Abstimmung der einzelnen Stimmgruppen besonders im Frauenchor sowie die Verbesserung der Koordination von Bühne und Orchester werden bei den nächsten Aufführungen sicherlich zu einer weiteren Steigerung des Hörgenusses beitragen. Auch so muss man aber konstatieren, dass dem Theater Hagen mit dieser Aida-Produktion eine für ein so kleines Haus bewundernswerte Leistung gelungen ist.

Die Premierenbesucher im leider nicht ganz ausverkauften Rund feierten alle Beteiligten mit stürmischem Beifall. Wer genau hinhörte, dem fiel natürlich auf, dass sich dieser Beifall bei Julia Faylenbogen und Andiswa Makana zum Orkan steigerte. Und das völlig zu Recht!

Norbert Pabelick 4.3.2018

weitere Aufführungen: 9.3./18.3./28.3./15.4./5.7.

Schöne Bilder von Klaus Lefebvre