Premiere 5.3.2016
In schwarz und rot
Diese Inszenierung muss erst wirken. Sie ist zart, unaufdringlich und dennoch eindringlich, sie ist düster, sie vermittelt Tschaikowskis „lyrische Szenen“ mit herber Melancholie in einem schwarzen Raum mit wenig Licht und viel Schatten. Die dominierenden Farben des Bühnenbildes sind rot und schwarz. Sinngebende Farben für eine Inszenierung im Spannungsfeld menschlicher Leidenschaften.
Regisseur Holger Potocki hat zusammen mit seiner Bühnen- und Kostümbildnerin Tanja Hofmann die Hagener Theaterbühne als einen großen, offenen schwarzen Raum gestaltet. Deren Mitte ist der Dreh- und Angelpunkt für das weitere Geschehen der Oper. Dabei nutzt er offensiv die technischen Möglichkeiten die ihm die Drehbühne zur Umsetzung der Handlung bietet.
Wenn dort, wie in einem vorbeiziehenden Tagtraum, Onegin der sich nach ihm verzehrenden Tatjana erscheint oder der tote Lenski wie ein mahnendes Menetekel seinen ehemaligen Freund Onegin stumm umkreist, hat es was berührendes. Sicher eine der interessantesten Eugen Onegin-Inszenierungen, die ich bisher gesehen habe.
Tchaikowskis berühmteste Oper ist eines der meisterhaftesten Werke der Musikgeschichte überhaupt. Wie er mit musikalischen Stilmitteln die Personen des Stückes, und deren Gefühlsleben, beschreibt ist genial. Eine große Aufgabe auch für das Orchester und den Chor dieser Oper. Und auch immer wieder eine Herausforderung für das gesangliche Bühnenensemble, besonders für den Sänger (Bariton) des Onegin und der Sängerin (Sopran) der Tatjana.
Musikalisch konnte Hagen seinem Ruf als sängerische Talentschmiede wieder einmal gerecht werden. Sehr ansprechende Gesangsleistungen bis in die kleinsten Rollen.
Kristina Larissa Funkhauser ist eine Olga, der man ihre kindliche Naivität unbedingt abnimmt. Eine ideale Rollenbesetzung. Das gilt auch für Marylin Bennett als Larina und Rena Kleifeld als Filipjewna.
Den Wladimir Lenski sang und spielte Kejia Xiong. Der Hagener Tenor war zu Beginn noch ein wenig zurückhaltend, konnte dann aber insbesondere in der Duellszene stimmlich glänzen und gestaltete die berühmte Lenski-Arie „Wohin, wohin seid ihr entschwunden..„mit viel Gefühl und Schmelz in der Stimme. Kenneth Mattice (Eugen Onegin), Ilkka Vihavainen (Fürst Gremin), Veronika Haller (Tatjana), Chor und Extrachor
Ilka Vihavainen hat als Fürst Gremin nicht wesentlich viel mehr als eine Arie zu singen. Die ist aber immerhin eine der bekanntesten Bass-Arien der Operngeschichte schlechthin. „Ein jeder kennt die Lieb‘ auf Erden..“ mit angenehm tiefen Bass dem Hagener Publikum vorgetragen.
Richard van Gemert sang das Couplet des Triquet im 3. Akt mit besonderer französischer Akzentuierung. Paul Jadach war für den Hauptmann und den Saretzki besetzt und Sebastian Klug gab den Guillot.
Die Sopranistin Veronika Haller ist eine lyrisch singende Tatjana im besten Sinne. Die Verwandlung von der kindlich-schwärmerischen Tatjana hin zur Gattin des Fürsten Gremin gelingt ihr stimmlich wie darstellerisch höchst überzeugend. Ihre mit viel Gefühl gesungene Briefszene „Und wär’s mein Untergang..“ war sicher einer der Höhepunkte des gestrigen Abends. Großartig auch ihr Einsatz in der finalen Szene zwischen ihr als Tatjana und Onegin. Eine wirklich sehr ansprechende Leistung der aus Südtirol stammenden Opernsängerin.
Eine Entdeckung war für mich Kenneth Mattice als Eugen Onegin. Vor knapp zwei Jahren sagte er in einem Zeitungsinterview, dass es ein großer Wunsch von ihm sei, diese Rolle einmal zu singen. Er hat sich offenbar sehr gut seitdem vorbereitet auf diese ganz besondere Baritonpartie. Mattice war vom ersten Moment an präsent. Er spielte den anfangs überheblich arroganten Onegin ebenso glaubhaft und überzeugend wie eben jenen zerbrochenen Onegin, der am Ende erkennen muss, dass es für ihn kein Glück und keine Liebe mehr geben wird. Das schauspielerische Talent des jungen US-amerikanischen Baritons ist bemerkenswert und wird nur noch durch seine gesangliche Umsetzung der Partie übertroffen. Ein absolut gelungenes Rollendebüt als Eugen Onegin. Hier empfiehlt sich ein beachtliches Operntalent für eine große Karriere.
Chor und Extrachor des theaterhagen unter der Leitung von Wolfgang Müller-Salow und Malte Kühn waren bestens szenisch und musikalisch in die Opernproduktion eingebunden. Das Philharmonische Orchester des theaterhagen konnte seine musikalischen Qualitäten anhand der anspruchsvollen Tschaikowski-Partitur unter der musikalischen Gesamtleitung von Mihhail Gerts eindrucksvoll unter Beweis stellen. Insbesondere die elegischen Ausbrüche des Werkes und die großen Szenen der Oper wurden zu herausgehobenen musikalischen Momente.
Fazit: Das theaterhagen präsentiert seinem Publikum einen sehens- und hörenswerten EUGEN ONEGIN in schwelgerisch-elegischen Bildern bei hoher musikalischer Qualität.
Detlef Obens 16.3.16