Krefeld: „Katja Kabanowa“

Krefeld-Premiere am 16.10.16

Wovon wir träumen, ist Teil der Realität, in der wir leben

"Ein animierender Spielzeitausklang im Theater Mönchengladbach. Die furiose Premierenbegeisterung sollte sich herumsprechen und die Besucherauslastung der kommenden Vorstellungen steigern helfen" schrieb unser Kollege Christoph Zimmermann am 12.6.16 in seinem Finalsatz zu dieser Produktion, wobei man dankenswerter Weise die tolle Besetzung – ein wahrer Glücksfall ! – nicht beim Umzug nach Krefeld geändert hat.

Weiter "Auch wer mit der Musik Leos Janaceks vertraut ist, mochte an diesem Abend so etwas wie eine Offenbarung erleben. Klänge von solch Suggestivkraft und Herzblut-Intensität werfen den Zuhörer einfach aus der Bahn." Auch hier muss ich einfach die Worte aus der Erstbesprechung übernehmen, was soll man mehr sagen, denn in der Tat spielen die Niederrheinischen Sinfoniker unter Mihkel Kütson auf einem derartigen Qualitätsniveau, daß man auch als alter Janacek-Liebhaber (mit allen Mackerras CDs im Regal) sich am Ende verblüfft die Ohren reibt. Wobei mir spontan ein alter aber genialer Werberspruch einfällt, der damals zur Einführung von 5-Kanal-Musik lautete "Ihre Ohren werden Augen machen!"

"Und dann gibt es auch noch Izabela Matula. … Ihre Katja besitzt eine nochmals gesteigerte Intensität des Singens, wobei die sichere, leuchtende Höhe besonders nachhaltig beeindruckt. Fast möchte man für diese Wirkung Brünnhildes "Heil dir, Sonne, Heil dir, Licht“ (Anmerkung der Redaktion: aus Richard Wagner Siegfried) zitieren. Izabela Matulas Gesang wirkt freilich nie selbstzweckhaft, sondern macht auf beklemmende, erschütternde Weise das Schicksal einer Frau erlebbar, welche vergeblich Lebensglück und echte Liebe sucht, doch zuletzt keinen anderen Ausweg sieht als den Freitod." Glücklich ein jedes Theater, welches eine solch grandiose Sängerin hat – möchte ich noch ergänzen.

Doch glänzte an diesem Premierenabend auch die restliche Personnage, die für ein relativ kleines Stadttheater trefflich und wohltönend besetzt war. Satik Tumyan überzeugte als herrisch böse Kabanicha, glaubhaft Hayk Deinyan als Dikoj und Markus Heinrich als Wanja. Ganz großartig und als Muttersöhnchen sehr realitätsnah war Kairschan Scholdybajew. Besonders erwähnend loben möchte ich Eva Maria Günschmann (Barbara) und den großartigen Michael Siemon (Simon), der am Ende die höllischen und gefürchteten Höhen tadellos bewältigte.

Schön, daß sich am Ende die Regisseurin Helen Malkowsky (einst Oberspielleiterin in Nürnberg, dann Operndirektorin in Bielefeld und jetzt Hausregisseurin am wunderbaren Opernhaus von Chemnitz) trotz 2.Premiere auch noch persönlich zeigte; Dinge, die man heuer eigentlich nur noch an solch sympathisch netten, kleinen bis mittleren Opern-Häusern erlebt.

Last but not least sei noch der vorzüglich einstudierte Chor (Ltg. Maria Benyumova) erwähnt, dessen damen und Herren – wie immer – nicht nur gesanglich, sondern auch darstellerisch Bemerkenswertes boten.

Fazit: Großes hochspannendes und ergreifendes Musiktheater, welches die regionalen Grenzen der vielgeschmähten "Provinz" weit sprengt und auch von weither Anreisenden als dringlicher Opernfreund-Tipp ans Herz gelegt werden muss.

P.S: Liebe Niederrheiner und rechtsrheinischen Opernfreunde, sowie Janacek-Freunde aus der restlichen Republik! Daß die Premiere nur zu 60 Prozent verkauft war, schiebe ich auf die Herbstferien. Aber danach sollte es für Euch Pflicht und Ehre sein, diese tolle Produktion, die sich auch auf einem hohen musikalischen Niveau bewegt, unbedingt zu besuchen. Janacek ist ganz ganz fabelhaft zu rezipierende, teils ergreifend spätromantische Musik!

Tempus fugit

Die etwas mehr als 1,5 Stunden (ohne Pause) sind so spannend, daß man nicht einmal – auch als Janacek-Novice, deren viele um mich herum saßen – auf die Uhr schaut. Ein wirklich faszinierendes Stück Musiktheater mit ans Herz gehender Musik. Bitte hinfahren!!

Peter Bilsing 16.10.16

Bilder (c) Theater Krefeld / Stutte

OPERNFREUND-CD-TIPP