Wiederum lud das Theater Lübeck zu einer Soirée und anschließenden öffentlichen Probe, um Appetit auf die kommende Premiere zu machen. Diesmal ist es „Albert Herring“, die einzige komische Oper von Benjamin Britten.
Die Produktion beschließt die Britten-Trilogie des Theaters Lübeck mit „Owen Wingrave“ und „The Turn oft the Screw“ mit der werkgeschichtlich ältesten dieser drei Opern. Britten nimmt hier die bigotte Doppelmoral britischer Kleinbürger aufs Korn, indem er die einzelnen Charaktere als Karikaturen überzeichnet und so der Lächerlichkeit preisgibt. Im Mittelpunkt steht die Kür der Maikönigin in der fiktiven Ortschaft Loxford; allerdings besteht keines der Mädchen vor der strengen Sittenrichterin Lady Billows und so fällt die Wahl auf den etwas unbedarften Albert Herring. Der wird Opfer eines Liebespaars, das ihm Rum in die Limonade mischt, was dazu führt, daß der Ahnungslose vom rechten Wege abkommt.
Nach der Begrüßung durch GMD und Operndirektor Stefan Vladar wurden Werk und Hintergründe vorgestellt. Der leitende Dramaturg in der Sparte Musiktheater und Konzert Jens Ponath moderierte die Runde, in der Regisseur Stephen Lawless sein Konzept erläuterte; vor allem erzählte er aber viel über seine persönlichen Erinnerungen an Britten, dessen Lebensgefährten Peter Pears, der die Titelrolle bei der Uraufführung 1947 gesungen hatte, und Joan Cross, die die Lady Billows gegeben hatte.
Die musikalische Leitung hat bei dieser Produktion Takahiro Nagasaki inne, der launig interessante Details zur Partitur mitteilte. Vor allem wies er auf die musikalische und in Teilaspekten inhaltliche Nähe zu Wagners „Meistersingern“ und ferner zu Verdis „Falstaff“ hin.
Der englische Tenor Frederick Jones wird den Albert Herring singen und spielen; bei der Soirée bewies er mit zwei Folk-Songs und einer Nocturne von Britten stimmliche Stärke und Einfühlsamkeit gleichermaßen. Gemeinsam mit Laila Salome Fischer, die als Nacy Waters zu erleben sein wird, und Jacob Scharfman als Sid sang er dann ein Terzett, das bereits in die musikalische Komplexität der Musik blicken ließ.
Bevor das Publikum die Möglichkeit hatte, einer öffentlichen Probe beizuwohnen, gab es schon angeregte Gespräche im Foyer. Vor allem von älteren Semestern wurde beklagt, daß der größte Teil der Unterhaltung in Englisch geführt wurde und gerade Lawless spricht so, wie ihm der britische Schnabel gewachsen ist. Oft führt er Sätze nicht zu Ende und unterbricht sich selbst, wenn ihm eine Anekdote einfällt. Das kann man künftig sicher verständlicher gestalten; die Übersetzung von Kernsätzen würde völlig ausreichen.
Geprobt wurde Akt II und ein Teil des ersten Aktes; wie bereits in den vorigen entsprechenden Veranstaltungen gewann man einen guten Eindruck von der intensiven Regiearbeit und einem harmonischen Miteinander aller Mitwirkenden.
Lübeck freut sich auf diese neue Produktion eines selten aufgeführten Werks.
Andreas Ströbl, 28. Februar 2023